Welt-Aids-Tag:Die Zwei-Klassen-Seuche

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Etwa 3000 Menschen haben sich 2008 in Deutschland mit HIV infiziert - die Zahl der Neuinfektionen bleibt demnach konstant. Weltweit aber breitet sich Aids weiter aus.

Werner Bartens

Von einem Wendepunkt zu sprechen, wäre falsch oder zu früh. In Deutschland haben sich 2008 zwar ähnlich viele Menschen mit HIV angesteckt wie 2007. Wie im Vorjahr infizierten sich nach Schätzungen des Robert-Koch-Instituts (RKI) etwa 3000 Menschen mit dem HI-Virus.

"Jeden Tag infizieren sich 6800 Menschen mit HIV und jeden Tag sterben 5700 an Aids." (Foto: Foto: Reuters)

"Vorhersagen für die künftige Entwicklung der HIV-Neuinfektionen sind grundsätzlich nicht möglich", schränkt das RKI aber ein. Im Zeitraum zwischen 2000 und 2006 waren die Infektionszahlen kontinuierlich von etwa 2000 auf 3000 angestiegen. "Ob es sich nun um eine dauerhafte Stabilisierung handelt, ist offen", teilt das RKI im Vorfeld des Welt-Aids-Tages am 1.Dezember mit.

Insgesamt leben ungefähr 63.500 Menschen in Deutschland, die mit HIV infiziert oder bereits an Aids erkrankt sind; mehr als 50.000 davon sind Männer. Der Großteil der Infizierten ist noch nicht von den Symptomen der Immunschwäche betroffen - laut RKI-Angaben leben etwa 10.500 Menschen in Deutschland mit der Krankheit Aids.

Neu erkrankt sind 2008 etwa 1100 Infizierte, gestorben 650. Seit Beginn der Epidemie - vermutlich Ende der 70er-Jahre - haben sich in Deutschland etwa 83.000 Menschen mit HIV infiziert, 35.000 sind erkrankt und 27.500 gestorben.

Seit 1995 ist die Zahl derjenigen HIV-Infizierten zurückgegangen, die am klinischen Vollbild von Aids erkranken oder daran sterben. Dies ist vor allem das Ergebnis verbesserter Behandlungsmöglichkeiten.

Da aber das Schutzverhalten in Risikogruppen nachlässiger wurde und andere sexuell übertragbare Infektionen wie die Syphilis zunahmen - was wiederum HIV-Infektionen begünstigt- kam es zu mehr Neuinfektionen. Alle diese Faktoren tragen dazu bei, dass in Deutschland mehr HIV-Infizierte und Aids-Kranke leben als je zuvor.

Weltweit ist die Lage weitaus dramatischer als in Deutschland. "Jeden Tag infizieren sich 6800 Menschen mit HIV und jeden Tag sterben 5700 an Aids", sagt Kevin De Cock, Direktor der Abteilung für HIV/Aids bei der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Genf.

Diese Zahlen sind so hoch, "weil die meisten Betroffenen keinen Zugang zu Prävention, Therapie und angemessener Betreuung haben". In den Ländern mit mittlerem und niedrigem Pro-Kopf-Einkommen erhalten etwa drei Millionen Menschen eine antiretrovirale Therapie - allerdings würden neun Millionen Menschen diese Behandlung benötigen.

Weltweit sind etwa 33 Millionen Menschen mit HIV infiziert, 2,5 Millionen stecken sich jedes Jahr neu an, zwei Millionen sterben jährlich. Besonders betroffen sind Länder südlich der Sahara, aber auch in Osteuropa und Asien breitet sich HIV aus.

Da der Zeitraum von der Infektion bis zum Beginn der Erkrankung mit der richtigen Therapie auf mehr als zehn Jahre ausgedehnt werden kann, fordert die WHO-Kampagne in diesem Jahr: Universal access - Zugang zu Prävention, Behandlung und Betreuung. "Verbreitet sich HIV so weiter, stehen Ziele wie die Bekämpfung von Armut und Kindersterblichkeit, mehr Bildung und Chancengleichheit auf der Kippe", warnt die WHO.

© SZ vom 29.11.2008/mcs - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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