Wasserkraft:Streit um Afrikas Super-Damm

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Am Kongo soll Grand Inga, das weltgrößte Wasserkraftwerk, zum Wirtschaftsmotor werden. Kritiker Korruption, soziale Unruhen und einen Berg von Schulden auf den Kongo zurollen, sollte der Damm tatsächlich kommen.

Arne Perras

Kampala - Manchmal fließt er nur breit und träge dahin. Ein sanfter Riese, der nichts verrät von seiner Kraft. Doch es gibt auch Phasen, in denen er richtig aufbrausen kann. Zum Beispiel am Ende seiner langen Reise, 150 Kilometer vor der Mündung in den Atlantik. Dort wütet der Kongo, er schäumt und donnert und tost.

Den geplanten Riesenstaudamm sehen Visionäre schon als Rettung für ganz Afrika. Bislang produzieren am Kongo zwei kleinere Kraftwerke Strom. (Foto: Foto: AP)

Durch Berg und Fels bahnt er sich seinen Weg hinunter zur Küste. Eine Stromschnelle jagt die andere, und man kann erahnen, wie viel Kraft in ihm steckt. Kein Strom des Kontinents führt so viel Wasser wie der Kongo: 42.500 Kubikmeter pro Sekunde ergießt er in den Atlantik.

Und so ist es kein Wunder, dass der Gigant im Herzen Afrikas zu grandiosen Ideen inspiriert. Manche Visionäre glauben in den trüben Fluten schon die Rettung für den ganzen Kontinent zu erkennen.

Der blanke Wahnsinn, fürchten Kritiker

Es geht um Grand Inga, das größte geplante Wasserkraftwerk der Welt. Sollte es tatsächlich gebaut werden, wäre der Drei-Schluchten-Staudamm in China dagegen nur noch ein Zwerg.

Mehr als doppelt soviel Energie wie der chinesische Bruder könnte Grand Inga liefern - wenn die Pläne wahr werden. Fantastisch, schwärmen Energiestrategen, die den Kongo-Strom auf den Landkarten schon bis hinunter nach Südafrika und hinauf bis zum Mittelmeer verteilen.

Der blanke Wahnsinn, fürchten Kritiker des ehrgeizigen Projekts. Korruption, soziale Unruhen und einen Berg von Schulden sehen sie auf den Kongo zurollen, sollte der Damm tatsächlich kommen.

Zwei Tage lang berieten sich nun Staudamm-Experten, Entwicklungsstrategen und Banker in London, wie sich das Projekt am Unterlauf des Kongos finanzieren ließe. 80 Milliarden Dollar soll Grand Inga kosten. Studien sehen einen Damm von bis zu 200 Metern vor. 26.000 Kubikmeter Wasser pro Sekunde sollen sich durch 50 Turbinen pressen. Grand Inga könnte bis zu 320 Terrawattstunden pro Jahr erzeugen. Das ist mehr als ein Drittel der gesamten Stromerzeugung Afrikas.

Überall auf dem Kontinent ist der Hunger nach Energie groß, vor allem in Südafrika, dessen Wirtschaft ständig wächst. Schlechte Planung und Vorsorge der Regierung in Pretoria hat nun dazu geführt, dass Südafrika zu wenig Energie für seine wichtigsten Industriezweige bereitstellen kann, Anfang des Jahres mussten die Goldminen ihre Produktion für einige Tage sogar ganz einstellen.

Mit Grand Inga könnte Südafrika die Probleme auf einen Schlag lösen, doch selbst, wenn die Planungen zügig voranschreiten und Geldgeber gefunden werden, würde es mindestens bis 2022 dauern, um das Kraftwerk fertig zu bauen. Dann könnte es nicht nur Südafrika beliefern, der Strom soll bis nach Nigeria und nach Ägypten fließen.

"Die Banken nehmen Grand Inga ernst"

Die Organisation World Energy Council, die nachhaltige Energielösungen fördern will, hat das Treffen in London organisiert. Sie sieht die Chancen für den Bau besser denn je. Schon in den achtziger Jahren wurde an den Planungen für Grand Inga gearbeitet, doch später stürzte das Land in mehrere Kriege. Jetzt, da die Waffen in den meisten Landesteilen schweigen, packen die Ingenieure die Pläne wieder aus.

"Die Banken nehmen Grand Inga ernst", sagte WEC-Generalsekretär Gerald Doucet im Sender BBC. Afrika brauche mehr Energie für sein Wachstum. Die G-8-Staaten würden das Projekt unterstützen, weil die Förderung erneuerbarer Energien zum Klimaschutzprotokoll von Kyoto passt. Industrieländer können demnach auch CO 2-Reduktionen im Ausland finanzieren und sich diese anrechnen lassen, um ihre Klimaschutzverpflichtungen zu erfüllen.

Am Unterlauf des Kongos wurden bereits in den 70er und 80er Jahren zwei kleinere Kraftwerke gebaut; Inga 1 und Inga 2 werden derzeit modernisiert. Die Planungen für Inga 3 schreiten zügig voran. Doch das Mega-Kraftwerk Grand Inga würde schließlich alle anderen in den Schatten stellen.

Der ganze Kongo muss umgeleitet werden

Der ganze Kongo muss dafür in ein benachbartes Tal umgeleitet werden, ein massiver Eingriff in den Verlauf des Flusses und ein Symbol für die Herrschaft des Menschen über die Natur. Welche Folgen hätte das für die Umwelt? Wie viele Menschen müssten umgesiedelt, wie viele entschädigt werden? Wer profitiert, wer geht leer aus? Auf all die Fragen gibt es keine präzisen Antworten.

Der Kongo ist weitaus dünner besiedelt als China, so dass viel weniger Menschen ihre Heimat verlieren würden als in Asien. Dennoch ist bekannt, wie hart Menschen in Afrika oft um Entschädigungen kämpfen müssen. Doucet räumt ein, dass in der Vergangenheit bei Großprojekten Fehler gemacht wurden. Deshalb müsse man bei Grand Inga strikt darauf achten, dass es eine "nachhaltige Basis" gebe und alle sozialen und ökologischen Streitfragen geklärt werden.

Die Organisation International Rivers, die sich mit den Folgen großer Dammprojekte befasst, ist skeptisch: Grand Inga, mit seinem Riesenbudget, ziehe Korruption gerade zu an. Indem das Kraftwerk die Energieerzeugung weiter zentralisiert, könnte Grand Inga politische Konflikte auslösen.

Die Energie aus dem Kongo sei vor allem dazu bestimmt, bestehende Industriezentren wie die in Südafrika zu beliefern. Die meisten Afrikaner würden nicht profitieren. Zwei von drei Bewohnern des Kontinents haben heute noch keinen Zugang zu Strom. Manche Entwicklungsexperten glauben, dass sie eher von Kraftwerken profitieren könnten, die Strom dezentral erzeugen, mit kleinen Dämmen oder der Kraft der Sonne.

© SZ vom 23.04.2008/mcs - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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