Vor der Bonner Klimakonferenz:Demut statt Dünkel

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Im Kampf um den Klimawandel müssen zunächst die reichen Staaten in Vorleistung treten. Erst dann wird der Rest der Welt mitziehen.

Christopher Schrader

Auf der Homepage des Klimasekretariats, das die Vereinten Nationen in Bonn eingerichtet haben, tickt eine Countdown-Uhr. 255 Tage und wenige Stunden zeigt sie an diesem Freitagmorgen. Die zweideutige Symbolik solcher rückwärts laufender Uhren kennt das Publikum aus ungezählten Filmen. Tickt hier die Frist bis zur Explosion einer Bombe, die Zerstörung und Tod bringt? Oder vergeht die Zeit bis zum Start einer Rakete, dem Aufbruch in ein neues Zeitalter?

In vielen Regionen der Erde leiden die Menschen bereits jetzt unter den Folgen des Klimawandels. (Foto: Foto: AFP)

Der Moment, an dem die Uhr auf null springt, löst diese zwiespältigen Erwartungen aus. Es ist der Beginn der Klimakonferenz von Kopenhagen am 7.Dezember. Die Staaten der Welt wollen dort ein Abkommen zum Kampf gegen den Klimawandel beschließen. Dieses Gipfeltreffen wird auf drei Tagungen vorbereitet, die erste davon beginnt an diesem Wochenende in Bonn. Spätestens jetzt sollten die Vertreter der Industrieländer - und die Bürger dieser Nationen, vor denen die Politiker jedes Abkommen rechtfertigen müssen - die einzige Geisteshaltung einnehmen, die zum Erfolg führen kann: Demut statt Dünkel.

Auch wenn sie sich etwas auf ihr Umweltbewusstsein einbilden, können die reichen Staaten keine Forderungen stellen. Sie müssen Angebote vorlegen, sich den Ansprüchen der Entwicklungs- und Schwellenländer beugen.

Wer über den Klimawandel nachdenkt, erliegt häufig einem Trugschluss. Dann heißt es: Wenn Chinesen und Inder nicht mitmachen, warum sollten sich die Industriestaaten auf eine Vereinbarung einlassen? Doch jede daraus abgeleitete Verhandlungstaktik wäre verfehlt: Es wird nicht gelingen, zuerst den Schwellenländern Zugeständnisse abzuringen und sie danach mit Konzessionen zu belohnen. Die Regierung Bush hat mit dieser Haltung acht Jahre lang den Kampf gegen den Klimawandel blockiert.

Das Geben und Nehmen kann nur anders herum funktionieren: Erst treten die reichen Nationen in Vorleistung, dann stimmt der Rest der Welt zu. Der Effekt mag der gleiche sein, aber der Blickwinkel auf das Problem ist umgekehrt. Dieses Vorgehen enthält das Eingeständnis, dass die Industriestaaten eine größere Verantwortung für die Probleme tragen, und dass sie über größere Ressourcen für die Lösung verfügen.

Es war also ein Fehler, dass sich die reichen Nationen nicht schon auf einen Klima-Fonds geeinigt haben. Er würde gefüllt mit Gebühren auf den Ausstoß von Treibhausgasen. Die EU hat schon begonnen, jene zur Kasse zu bitten, die Kohlendioxid in die Atmosphäre blasen. Das Geld soll Entwicklungs- und Schwellenländern die Anpassung an die unvermeidlichen Folgen des Klimawandels erleichtern. Aus dem Topf würde der Transfer von energiesparender Technik finanziert. Die armen Länder würden mit dem Geld auch in Deutschland einkaufen.

Der Fonds wäre ein Beleg für die Ernsthaftigkeit, mit der die Industrienationen nach einer Lösung suchen. Aber den Fonds gibt es nicht - stattdessen haben die Industriestaaten bisher nur die Karotte gezeigt, mit der man den Esel eines Tages zu füttern beabsichtigt.

Diese Taktik mag bei Tarifverhandlungen Erfolg haben, aber das Abkommen von Kopenhagen fällt in eine andere Kategorie. Die Welt muss hier vereinbaren, die Probleme von Klimawandel und Armut gemeinsam zu lösen. Nur eines von beiden anzugehen, wird nicht genügen: Bleibt der Klimawandel ohne Antwort, dann hilft auch kein Programm zur Armutsbekämpfung. Die Lebensbedingungen werden schneller zerstört sein. Und findet ein Klima-Abkommen keine Lösungen für die Armut, dann muss es scheitern - vor allem die Schwellenländer wissen inzwischen, wie man Wirtschaftswachstum ohne Rücksicht auf Verluste erzeugt, wenn man ungehemmt Öl und Kohle verbrennt. Das haben ihnen die heute reichen Staaten zwei Jahrhunderte lang vorgemacht. In Kopenhagen muss ein neues Zeitalter beginnen.

© SZ vom 27.3.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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