Vogelgrippe:WHO fordert Impfstoff für Virus X

Lesezeit: 1 min

Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat davor gewarnt, dass die zurzeit in Asien grassierende Hühnergrippe zu einer Gefahr für die Menschheit werden könnte. Falls menschliche Grippeviren sich mit dem Hühner-Erreger vereinigen, kann ein neuer Virentyp entstehen, der Millionen Menschenleben bedroht.

Von Michael Brendler

Wie der Feind aussehen wird, weiß niemand. Dass er kommt, wird aber immer wahrscheinlicher. Vergangene Woche waren in Vietnam bereits fünf Menschen dem Erreger der Vogelgrippe zum Opfer gefallen waren. Nun sind auch in Thailand zwei Kinder gestorben, weil sie sich mit dem Vogel-Influenza-Virus H5N1 angesteckt hatten. Gleichzeitig hat ein harmloserer Verwandter dieses Erregers China und Pakistan erreicht, dort aber offenbar noch keine Menschen befallen.

Nun befürchtet die Weltgesundheitsorganisation (WHO), dass die Vogelgrippe zu einer Menschengrippe wird. Denn mit jedem erkrankten Menschen steigt das Risiko, dass sich der Erreger anpasst. Derzeit bewege sich das menschliche Grippevirus H3N2 von Europa und den USA aus auf Asien zu, wo es auf das Geflügelpest-Virus treffen könnte, sagte der WHO-Vertreter Sigeru Omi am Dienstag. Dadurch könnte eine von Mensch zu Mensch übertragbare Grippe entstehen, "die das Potenzial hat, zu einer Pandemie zu werden, die Millionen tötet."

Weltweit suchen Virologen deshalb nach einem Impfstoff. Aber wie entwickelt man ein Impfserum gegen einen Virus-Mischling, den noch keiner kennt? "Wir haben keine andere Wahl, als die Spuren, die H5N1 hinterlässt, so genau wie möglich zu studieren", sagt Michael Pfleiderer, Leiter des Fachgebiets Virale Impfstoffe am Paul-Ehrlich-Institut. Im Ernstfall werde es entscheidend sein, möglichst viele Schwachstellen des neuen Virus zu kennen.

Forscher züchten Virus-Zwilling

Für ein Impfserum werden die Forscher ein Virus züchten müssen, das dem gefährlichen Erreger zum Verwechseln ähnlich sieht, aber zugleich harmlos ist. Bis ein solches Impfvirus zur Verfügung stand, dauerte es bei der großen Vogelpest-Epidemie 1997 in Hongkong fünf Monate. "Dank unserer Vorkenntnisse und neuer gentechnischer Verfahren ließe sich diese Zeit vielleicht auf vier Wochen verkürzen", spekuliert Pfleiderer.

Derweil ist die Anzahl der nötigen Impfdosen unbekannt: Das Abwehrsystem wäre auf einen Vogelpest-Erreger viel weniger vorbereitet als auf eine normale Grippe; daher sollten nicht wie sonst üblich nur Virusbestandteile gespritzt werden, sondern abgetötete Erreger. Damit haben Virologen aber weniger Erfahrung. "Vielleicht schwächt eine Einzeldosis die Symptome nur ab", sagt Pfleiderer.

Bis genügend Impfstoff für alle garantiert werden kann, dürfte daher ein Dreivierteljahr vergehen. Der Zeitraum ließe sich wohl nur verkürzen, wenn Forschern ein neues Herstellungsverfahren gelänge: Die Viren würden dann nicht mehr in riesigen Batterien mit Hühnereiern angezüchtet, sondern in Zellkulturen.

© SZ vom 28.1.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: