Vogelgrippe:Die unerforschte Gefahr

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Seit seiner Entdeckung im Jahr 1959 befällt das gefährliche H5N1-Virus immer neue Lebewesen. Dabei hält es sich offenbar an keine Regeln.

Christina Berndt

Die Forscher hatten schon damit gerechnet, dass sie etwas finden würden. Aber dann waren sie doch erschrocken. Als Thijs Kuiken und Albert Osterhaus in ihrem Labor an der Universität Rotterdam Katzen mit dem Vogelgrippe-Virus H5N1 infizierten, fanden sie ein ungewöhnliches Zerstörungswerk.

Der Erreger befiel nicht nur die Atemwege und die Lunge, wie das Grippeviren bei Säugetieren üblicherweise tun. Er schien den ganzen Organismus anzugreifen. H5N1 schädigte auch das Gewebe von Gehirn, Leber, Darm, Nieren und Herz. Deshalb schieden die Katzen den Erreger auch mit Kot und Urin aus, wie Kuiken und Osterhaus vor kurzem im American Journal of Pathology berichteten.

Sogar Tiger wurden schon Opfer des Virus

Das Risiko für Menschen, sich bei einer Katze mit der Vogelgrippe anzustecken, sei vermutlich trotzdem gering, beruhigt Kuiken, denn die Tiere scheiden nur wenige Viren aus.

Bisher zeigt auch der Besitzer des Rüganer Katers, welcher der Vogelgrippe zum Opfer fiel, keine Symptome. "Aber Katzen können dem Virus offenbar eine Möglichkeit bieten, sich an Säugetiere zu gewöhnen", so Kuiken. "Auf diese Art könnten sie letztlich das Risiko für eine Influenza-Pandemie unter Menschen erhöhen."

Es war vor gut zwei Jahren, als sich die niederländischen Virologen für Katzen zu interessieren begannen. Das ist ungewöhnlich für zwei Influenza-Experten, denn gerade Katzen galten bisher als unangreifbar für die Grippe.

Dann aber kam diese Meldung aus Thailand: Im Februar 2004 gab es erste Gerüchte, dass auch Katzentiere dem Virusleiden zum Opfer fallen können. Im Oktober 2004 ließ es sich nicht mehr leugnen. Da mussten 30 Tiger in einem thailändischen Zoo eingeschläfert werden, weil sie mit grippekranken Hühnern gefüttert worden waren. 29 ihrer Artgenossen waren da schon an der Vogelgrippe gestorben.

Hunde bergen kein Ansteckungsrisiko

Deshalb nahmen sich Kuiken und Osterhaus Katzen für ihre Versuche vor. Und schnell fanden sie heraus, dass sich die Tiere - zumindest wenn sie im Labor mit einer hohen Dosis H5N1 infiziert werden - auch untereinander anstecken können und dass sie ähnlich leiden wie der Mensch. Schon nach einem Tag bekommen die Tiere Fieber und fangen an zu schniefen und zu husten.

H5N1 erwies sich also einmal mehr als ein ungewöhnliches Virus. Schon seit Jahren scheint der Erreger, der 1959 zum ersten Mal bei Vögeln entdeckt wurde, sein Opferschema zu erweitern. Zunächst beschränkte er sich noch auf Vögel und Schweine, wie sich das für ein Vogelgrippe-Virus gehört.

Als H5N1 dann aber 1997 zum ersten Mal einen Menschen tötete, machte es auf traurige Art deutlich, dass es sich an die alten Regeln nicht halten würde. Seit 2001 befallen einzelne H5N1-Varianten zusätzlich Mäuse. Dann kamen 2004 die Katzen.

Auch Hunde scheinen nicht ganz gegen dieses ungewöhnliche Virus gefeit zu sein. Vor kurzem haben Forscher vom Staatlichen Institut für Tiergesundheit in Bangkok 629 streunende Hunde eingefangen und untersucht. Bei 160 von ihnen fanden sie Antikörper gegen H5N1.

Die Tiere hatten das Virus offenbar irgendwann einmal aufgenommen. Aus dem Blut eines Hundes ließ es sich auch isolieren, doch krank war er nicht. Deshalb gelten infizierte Hunde derzeit für Menschen nicht als Ansteckungsrisiko.

An den Vorgängen in Thailand liegt es also, dass Katzen und Hunde im Zusammenhang mit H5N1 inzwischen besser untersucht sind als so manche Vogelart. Hühner und Puten kann das Virus binnen ein bis zwei Tagen töten, das ist Fachleuten längst bekannt. "Schon über die Infektion bei Schwänen, von denen in Deutschland ja einige betroffen waren, weiß man aber fast nichts", sagt Timm Harder vom Friedrich-Loeffler-Institut auf Riems.

Ungelöst ist auch das Rätsel, weshalb Tauben dem Virus kaum Angriffsfläche bieten. Forscher auf Riems haben versucht, die Vögel, die in Städten überall ihren Kot hinterlassen, mit H5N1 zu infizieren. Es gelang erst bei sehr hohen Dosen, und die wenigen infizierten Tiere schieden kaum Viren aus. Solange H5N1 nicht wieder eine neue Überraschung parat hat, liefert das Virus Taubenhassern also keine Argumente.

© SZ vom 03.03.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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