UN-Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung:Kleptokraten und ihre Helfer

Der Kampf gegen die Armut kann nicht vorankommen, solange korrupte Cliquen den Staat zur Beute machen.

Arne Perras

(SZ vom 20.08.2002) - Thailand hat geschafft, wovon Entwicklungsexperten anderswo nur träumen können. Noch vor zwanzig Jahren litt dort jedes zweite Kind unter fünf Jahren an Unterernährung. Inzwischen hat nur noch eins von zehn Kindern zu wenig zu essen.

UN-Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung: undefined
(Foto: SZ-Grafik: Braun, Quellen: Weltbank, UN, WHO)

Die Regierung in Bangkok hat den Kampf gegen Hunger und Armut ernst genommen. Trotz asiatischer Wirtschaftskrise ist es gelungen, die Hilfe des Staates auf die Bedürfnisse der Ärmsten zu konzentrieren.

Entscheidend war der politische Wille der Regierung, das Problem auf allen Ebenen anzupacken - von der Verbesserung der Anbaumethoden über Fortschritte in der Gesundheitsversorgung bis hin zu einer besseren Zusammenarbeit der Behörden.

Fast 1,2 Milliarden Menschen in der Armutsfalle

Global betrachtet offenbart sich jedoch ein ganz anderes Bild. Noch immer stecken weltweit fast 1,2 Milliarden Menschen in der Armutsfalle. Nur wenige Länder der Dritten Welt haben deutliche Fortschritte gemacht, um das Elend zu beenden.

In Lateinamerika hat sich nichts bewegt, die Wirtschaftskrise, die den Kontinent überzieht, dürfte die Lage in kommenden Jahren noch verschlechtern. Die wenigen ermutigenden Beispiele beschränken sich fast alle auf Asien. Vor allem hat der Bevölkerungsriese China, mit seinen hohen Wachstumsraten in der Wirtschaft, die Zahl der Ärmsten vermindern können.

Auf dem afrikanischen Kontinent aber verschlimmert sich die Lage stetig. Damit schwinden die Chancen, die Zahl der Armen weltweit bis 2015 zu halbieren, wie es auf dem Millenniumsgipfel vor zwei Jahren international verabredet wurde.

Die Last der Extreme

Wer nach den Gründen der afrikanischen Misere forscht, darf die harten Existenzbedingungen auf dem Kontinent nicht außer Acht lassen. Das Klima ist so extrem wie in kaum einer anderen Region. Die Menschen haben mit Dürre und Überschwemmungen zu kämpfen.

Im tropischen Gürtel wütet eine ganze Reihe von tödlichen Infektionskrankheiten, die schwer einzudämmen sind. Die Natur bürdet den Menschen also eine große Last auf und macht es ihnen schwerer als anderswo, dem Hunger zu entkommen.

Die widrigen Verhältnisse haben allerdings auch dazu geführt, dass afrikanische Regierungen gerne das Wetter pauschal für alle Missstände verantwortlich machen. Damit versuchen sie, von politischen Defiziten abzulenken. Solange Afrikas Staaten aber von Cliquen regiert werden, die zuerst sich selbst und dann ihre Klientel versorgen, ist der Kampf gegen die Armut nicht zu gewinnen.

Nach der Unabhängigkeit der Kolonien in den Sechziger- und Siebzigerjahren ließen die reichen Länder Milliarden nach Afrika fließen. Doch die Hilfe folgte der Logik des Kalten Krieges.

Ob Despoten herrschten oder nicht, war zweitrangig. Für Ost wie West zählt nur, ob sie afrikanische Machthaber auf ihre Seite ziehen konnten, um so das Vordringen des feindlichen Blocks zu verhindern. Stellvertreterkriege wurden geschürt.

Und die Ost-West-Konfrontation ermöglichte es Kleptokraten vom Schlage Mobutus, jahrzehntelang ihre Länder auszuplündern und die Menschen in bitterster Armut zu halten.

Erst nach dem Fall der Mauer schärfte sich allmählich der Blick für die politische Krise Afrikas. Die Geberländer forderten mehr Transparenz und besseres Regieren, Kampf gegen Korruption und eine unabhängige Justiz.

Die Not wurzelt in einem kranken Staat

Die Not afrikanischer Länder wurzelt vor allem in einem kranken Staat. Das schwere koloniale Erbe wirkt dabei auch heute noch nach. Es waren die Herrscher aus Europa, die den Afrikanern vorführten, wie man ein System der Ausbeutung aufbaut und perfektioniert.

Despoten wie Robert Mugabe in Simbabwe haben davon später profitiert. Er hat nach der Unabhängigkeit ausgerechnet die Repressionsgesetze für sich genutzt, die ihm die verteufelte weiße Minderheits regierung unter Ian Smith hinterließ.

Wenn vielfach die Globalisierung für das Elend haftbar gemacht wird, so geht dies nach Einschätzung des US-Ökonomen Ricardo Hausmann am Kern des Problems vorbei. Er argumentiert vielmehr, dass afrikanische Länder ganz im Gegenteil an einem Mangel an Globalisierung leiden, was wiederum viel mit der Geographie des Kontinents zu tun hat.

Viele Gegenden liegen so weit ab von brauchbaren Verkehrswegen und den Meeresküsten, dass ihnen daraus ein gewaltiger Standortnachteil erwächst. Transportkosten steigen so in schwindelerregende Höhen. Entwicklungsexperten sprechen von der "Falle des Raums", die arme abgelegene Staaten gefangen halten und vom Weltmarkt ausschließen.

Anfällig für Preisschwankungen auf dem Weltmarkt

Ausgegrenzt wird Afrika aber auch durch die protektionistische Politik in Europa und mehr noch in den USA. Solange die Industriestaaten sich weiter abschotten und damit die Absatzchancen für Produzenten in der Dritten Welt zerstören, werden die dortigen Ökonomien weiter schwächeln.

Die starke Abhängigkeit von wenigen Exportgütern, zum Beispiel Kaffee oder Kakao, macht viele arme Staaten besonders anfällig für die Preisschwankungen auf dem Weltmarkt.

Es ist kaum vorstellbar, dass die ärmsten Länder aus eigener Kraft aus dem Elend finden. Zwar geloben die Industriestaaten immer wieder, sie wollten ihre Hilfe verstärken. Über die Jahre haben sie aber die Mittel immer weiter zusammengestrichen. Viele sind heute noch weit davon entfernt, 0,7Prozent ihres Bruttosozialprodukts für die Entwicklungshilfe auszugeben - ein Ziel, das sie schon 1970 vereinbart hatten. Der deutsche Anteil lag im vergangenen Jahr bei nur 0,27 Prozent.

Bizarre Ruinen

Mit zusätzlichen Milliarden allein ist es aber nicht getan. Wichtig ist, den Einsatz der Mittel streng zu überwachen. Die Entwicklungshilfe braucht dafür den Flankenschutz der Politik. Geberländer, die sich um den Verbleib ihres Geldes nicht weiter kümmern, provozieren geradezu den Missbrauch.

Auf der anderen Seite müssen afrikanische Regierungen jetzt schnell umsetzen, was sie inzwischen geloben. Südafrikas Präsident Thabo Mbeki möchte dem Kontinent mit einer afrikanischen Variante des Marshallplans, der New Partnership for Africa's Development, aufhelfen.

Darin verpflichten sich Afrikas Staatschefs zu guter Regierungsführung und Reformen - im Gegenzug für Investitionen und zusätzliche Finanzspritzen aus den reichen Ländern.

Die internationale Hilfe für die armen Länder hat aus den Fehlern früherer Jahre manches gelernt. Monumentale Projekte, die später nur als bizarre Ruinen in der Landschaft stehen und in der tropischen Feuchte vor sich hinrosten, sind weithin geächtet.

Dennoch hat die Entwicklungspolitik auch in jüngeren Jahren schwere Fehler gemacht. Siebzig Prozent aller Armen leben auf dem Land. Doch die Weltbank und andere Geber haben ausgerechnet die Hilfe für die Landwirtschaft erheblich gekürzt.

Dabei betonen Agrarexperten immer wieder, dass gerade mit einfachen Methoden - zum Beispiel guter Düngung oder besseren Anbautechniken - die Erträge afrikanischer Bauern erheblich verbessert werden können. Nach Schätzung der Welternährungsorganisation FAO gehen in tropischen Gegenden Afrikas bis zu vierzig Prozent der Ernten verloren, nur weil die Lagerung so schlecht ist.

Gefahr durch Minen

Millionen von Bauern in Afrika haben aber noch mit ganz anderen Problemen zu kämpfen. Sie müssen jeden Moment damit rechnen, dass sie irgendwo auf ihrem Acker auf eine Mine treten. Oder sie kommen erst gar nicht so weit, zu pflanzen oder zu säen, weil um sie herum die Kalaschnikow-Kugeln durch den Busch pfeifen. Jeder Dritte, der in Afrika hungert, lebt in einem Konfliktgebiet. Solange dort geschossen und gebombt wird, gibt es keine Chance, dem Elend zu entrinnen.

Für die außenpolitische Agenda der Industriestaaten heißt dies, dass sie stärker auf Prävention und Lösung regionaler Konflikte ausgerichtet sein müsste. Damit würden die reichen Staaten der Armutsbekämpfung wohl den größten Dienst erweisen. Solange sich Außenpolitik aber allein darauf konzentriert, den Zugang zu strategischen Ressourcen zu sichern, zum Beispiel zu Erdöl vor den Küsten Westafrikas, wird sich das Elend immer weiter ausbreiten.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: