Umweltverschmutzung:Bushs letzte Abgase

Lesezeit: 3 min

Klimadebatte ad adsurdum: Ein Votum des US-Umweltamts könnte in letzter Minute neue Kohlekraftwerke ermöglichen und damit Obamas Plan zur Rettung des Klimas konterkarieren.

Christopher Schrader

In der Politik anständig zu verlieren, ist offenbar noch schwieriger als im wirklichen Leben. Immer wieder kommt es vor, dass eine abgewählte Regierung kurz vor der Machtübergabe noch ein paar Entscheidungen trifft, die weit in die Amtsperiode der Nachfolger reichen. Genau das befürchten nun Umweltschützer in den USA. Soeben hat der amtierende Chef der Umweltbehörde EPA eine Entscheidung getroffen, die dazu führen kann, dass noch mehrere Kohlekraftwerke genehmigt werden, bevor die Mannschaft des gewählten Präsidenten Barack Obama ans Ruder kommt.

Nach Johnsons Entscheidung könnte nicht nur das Bonanza-Kraftwerk das endgültige Plazet bekommen, warnen Umweltgruppen, sondern weitere Kraftwerke mit insgesamt 8000 Megawatt Leistung - zehn bis zwölf große Anlagen. (Foto: Foto: AP)

Die New York Times und Washington Post berichten am Freitag über eine einsame Entscheidung des Chefs der EPA, Stephen Johnson. Der Ausstoß von Kohlendioxid dürfe bei der Genehmigung von Kohlekraftwerken keine Rolle spielen, hat der politische Beamte am Donnerstagabend (Ortszeit) verfügt. Johnson setzte sich damit über das Votum vieler Mitarbeiter und eines Berufungsgremiums seiner Behörde hinweg. Dieses hatte vor fünf Wochen die bereits erteilte Betriebserlaubnis für den Kohlemeiler "Bonanza" in Utah zurückgezogen, weil diese den Kohlendioxid-Ausstoß nicht begrenzte.

Nach Johnsons Entscheidung könnte nicht nur das Bonanza-Kraftwerk das endgültige Plazet bekommen, warnen Umweltgruppen, sondern weitere Kraftwerke mit insgesamt 8000 Megawatt Leistung - zehn bis zwölf große Anlagen. Darunter sind Vorhaben in South Carolina und Michigan, zitiert die New York Times Bruce Niles vom Sierra Club, einem traditionellen Naturschutz-Verein. "An einer ganzen Reihe von Projekten könnte die Obama-Regierung dann nichts mehr ändern", warnt er.

"Vom Wissenschaftler zum Ideologen"

Stephen Johnson zementiert mit seinem Federstrich einen Ruf, den er sich in den vergangenen Jahren erworben hat; er sei "vom Wissenschaftler zum Ideologen" geworden, bescheinigt ihm die Zeitung Philadelphia Inquirer. Ein Kommentator der Washington Post hat die EPA bereits in "Emitters Protection Agency" umbenannt - vom Umwelt- zum Verschmutzer-Schutzamt. Auch vom Kongress kam Kritik. Der Vorsitzende des Ausschusses für Aufsicht und Regierungsreform, Henry Waxman, schrieb Johnson im Herbst 2007: "Ihre Behörde ignoriert die Bedrohung des Klimawandels. (...) Das ist sowohl illegal nach dem Luftreinheitsgesetz als auch eine enorme verpasste Gelegenheit."

Seit April 2007 kämpft Johnson gegen die Regulierung von Treibhausgasen - obwohl er unabhängig von der Regierung entscheiden könnte, beugt er sich offensichtlich dem Diktum des Weißen Hauses. Im April 2007 hatte das oberste US-Gericht, der Supreme Court, geurteilt, die EPA habe nach dem nationalen Luftreinheitsgesetz die Befugnis, den Kohlendioxid-Ausstoß zu begrenzen, falls die Behörde zur Meinung gelangt, Treibhausgase gefährdeten die Gesundheit.

Offenbar war Johnson zunächst zu dem Schluss gekommen, diese Bedingung sei erfüllt, weil Treibhausgase über die globale Erwärmung auf den Menschen wirken. Diese Haltung Johnsons aus dem Jahr 2007 enthüllte der Inquirer erst vor wenigen Tagen. Im Dezember 2007 hatte Johnson ein entsprechendes Gutachten an das Weiße Haus geschickt. Die Empfänger dort ahnten, was da kam, und weigerten sich, die E-Mail zu öffnen. Dadurch erlangte Johnsons Wertung nie den Charakter eines offiziellen Dokuments, das Journalisten einsehen dürfen. Offenbar gab es stattdessen Druck auf Johnson, jedenfalls legte er im Juli 2008 eine entschärfte Fassung vor: Jetzt war der Klimawandel keine Gefahr für die Gesundheit mehr.

Auf dieser Basis hat die EPA seitdem eine Reihe von Entscheidungen getroffen. Zum Beispiel hat Johnson es dem Bundesstaat Kalifornien verweigert, für das eigene Gebiet härtere Standards für den Benzinverbrauch zu erlassen als Washington das für die Nation getan hat. Auch eine ähnlich lautende Petition von Umweltschützern wies das Amt zurück. Der amerikanische Gesetzgeber habe der EPA nicht erlaubt, Treibhausgase "aus Gründen des Klimawandels" nach dem Luftreinheitsgesetz zu begrenzen, so die Begründung - kein Wort vom richterlichen Auftrag, es bei möglichen Gesundheitsgefahren doch zu tun.

Bei der jüngsten Entscheidung über die Kohlekraftwerke geht es um noch feinere sprachliche Unterschiede. Eine Reihe von Stromproduzenten muss nämlich für neue oder von Grund auf renovierte Anlagen eine Bilanz vorlegen, wie viel Kohlendioxid aus dem Schornstein kommt. Die Umweltschützer vom Sierra Club hatten argumentiert, aus dieser Überwachungspflicht erwachse eine Regulierungspflicht. Diese Verbindung hat Johnson nun zurückgewiesen. Kohlendioxid sei kein Schadstoff. "Das ist unsere etablierte Position", sekundierte der Leiter der EPA-Abteilung für Luftqualität, Robert Meyers, in der Washington Post. "So machen wir es seit 30 Jahren."

Sein Vorgesetzter Johnson argumentiert sogar unverhohlen politisch: Eine Begrenzung des CO2-Ausstoßes nach dem Luftreinheitsgesetz sei viel zu teuer und schade der Wirtschaft, sagt er. Der Kongress solle stattdessen ein eigenes Gesetz über Treibhausgase erlassen. Dazu könnte es unter der kommenden Regierung Obama tatsächlich kommen. Beobachter erwarten jedoch, dass die designierte EPA-Chefin Lisa Jackson noch vor einer gesetzlichen Regelung den Spruch des Supreme Court anwenden wird. Johnsons ursprüngliche Argumente muss sie in ihrem künftigen Büro schließlich nur aus dem Aktenschrank ziehen.

© SZ vom 20.12.2008/reb - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: