Umwelt und Technik:Ausgeklopft

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Wie Hubschrauber leiser werden: Das Klopfen eines anfliegen Hubschraubers bedeutet für die Umwelt Lärm und für die Insassen Vibrationen. Wissenschaftler der EADS und Ingenieure von Eurocopter haben eine Technik entwickelt, die diesen Lärm minimiert.

Der Soundtrack schrieb Filmgeschichte: Am Ende von Francis Ford Coppolas Vietnam-Drama "Apocalypse now" lassen die Doors akustisch einen Hubschrauber über die Köpfe der Zuhörer knattern.

Was freilich der einstigen Kultband in ihrem Klassiker "The End" als legendäres Stilmittel diente, ist außerhalb des Kinos nur noch eines: Lärm. Und um den zu verringern, erfanden die Wissenschaftler von Eurocopter und dem EADS Forschungszentrum das adaptive Rotorblatt.

Das charakteristische Knattern, das dem Hubschrauber vereinzelt auch den Spitznamen "Klopfer" eintrug, hat nichts mit seinem Antriebsmotor, sondern ausschließlich mit den Drehflügeln, den Rotorblättern zu tun. Die aerodynamische Entwicklung der Rotorblätter hat dazu geführt, dass diese Geräusche im Reiseflug seit den Zeiten des Vietnam-Krieges drastisch gesunken sind. Dafür sorgen allein schon die Grenzwerte der Zivilluftfahrtbehörde ICAO, die bereits Anfang der 80er Jahre die ersten Lärmlimits für Hubschrauber festlegte.

Ausgerechnet im Sinkflug allerdings, wenn der Hubschrauber zwangsläufig immer mehr in Hörnähe kommt, sorgt ein weiterer Effekt für zusätzlichen Lärm.

Denn an den Blattspitzen entstehen bei der Rotation Luftwirbel, die beim Sinkflug vom nächsten Rotorblatt durchschlagen werden. Diese schlagartige Druckänderung wirkt wie eine knallende Peitsche - und hört sich auch so ähnlich an. Am Boden ist das in Form eben des charakteristischen Klopfens zu hören.

Bei einer Reisegeschwindigkeit von 250 Kilometer pro Stunde dreht sich der Rotor eines Hubschraubers von der Größe des EC 145 rund 400-mal in der Minute. Daraus ergeben sich an den Blattspitzen Geschwindigkeiten von über 750 km/h. Addiert mit der Fluggeschwindigkeit des Helikopters rast der Drehflügel beim Vorlaufen also etwa mit Schallgeschwindigkeit durch die Luft, beim rücklaufenden Blatt halbiert sich dagegen das Tempo auf rund 500 km/h.

Dieser ständige Wechsel der Anströmgeschwindigkeiten verursacht zusätzliche so genannte veränderliche Luftlasten, die sich durch die Rotorblätter auch an Bord vor allem in Form von Schwingungen bemerkbar machen.

"Um das Klopfen und die Vibrationen zu vermeiden muss die Strömung um die Rotorblätter aktiv beeinflusst werden", erklärt Michael Grünewald. Zwei Möglichkeiten dazu haben die Wissenschaftler zusammen mit ihren Kollegen von der EADS Hubschraubertochter Eurocopter untersucht: Zunächst ein hydraulisches System an der Blattwurzel, bei dem das gesamte Blatt verstellt wird.

Die ersten Forschungsergebnisse waren ermutigend, aber diese Lösung erforderte einen hohen Energie- und Bauaufwand für die hydraulischen Komponenten. Also setzten die Forscher dort an, wo Lärm und Vibrationen auch entstehen - im Blattaußenbereich selbst.

Sie entwickelten hochbewegliche Steuerklappen, die in die Hinterkante jedes Rotorblattes integriert die Blattbewegungen steuern können. "Hierdurch können z.B. die Wirbel nach oben oder unten abgelenkt werden und treffen so nicht mehr auf das nachfolgende Rotorblatt," erklärt Valentin Klöppel, Programmleiter Aeromechanik und Flugführung bei Eurocopter.

Was im Prinzip so einfach klingt, ist in der Praxis nur mit High Tech zu bewältigen: Immerhin herrschen enorme Zentrifugalkräfte an den Blattspitzen, wenn der Rotor auf Maximaldrehzahl läuft.

In Zahlen ausgedrückt ist das bis zum 800-fachen der Erdbeschleunigung. Jedes Gramm zuviel wird da schnell zu einer fast kiloschweren Last, die nicht nur sicher verankert sein muss, sondern auch zuverlässig zu funktionieren hat und den Gleichlauf des Antriebes nicht stört.

Um dies zu gewährleisten, entwickelten die EADS-Forscher einen leichten und kompakten Stellantrieb auf der Basis piezokeramischer Elemente. Diese stangenförmigen Antriebe ändern ihre Länge, wenn sie unter elektrische Spannung gesetzt werden. Allerdings ist der Hub nur sehr gering. Also konstruierten die Ingenieure eine rahmenförmige mechanische Übersetzung, welche die Dehnung der piezo-keramischen Elemente in die gewünschte Auslenkung übersetzt.

Immerhin sind die Antriebe in der Lage, eine etwa 25 Zentimeter breite Klappe um zehn Winkelgrade zu bewegen. Gleichzeitig sind Antrieb und Übersetzung so schmal, dass sie in die flachen Rotorblätter passen. Je nach Versuchsanordnung werden pro Rotorblatt zwei oder drei solcher Klappenmodule eingesetzt.

Das Know How liegt freilich nicht in der Mechanik allein; vor allem in der Steuerung steckt ein hoher Entwicklungsaufwand. Als Sensoren arbeiteten Mikrofone an den Kufen des Hubschraubers, die die Luftschallgeräusche des Rotors aufnehmen. Eine spezielle Software ist in der Lage, aus den Signalen den Zusammenprall von Blatt und Wirbel zu erkennen.

Alternativ ist auch ein Sensor denkbar, der die schallerzeugenden Druckschwankungen am Rotorblatt mit einer dort integrierten Piezofolie misst. Ein derartiger Sensor reagiert so empfindlich auf die Druck-Schwankungen, dass er unter der Blattoberfläche in der Rotorblattstruktur selbst integriert werden kann.

Der Zentralrechner in der Zelle des Helikopters bestimmt auf der Basis dieser Werte, wann und wie die Klappen aktiviert werden müssen. Per Lichtleiter schickt er die entsprechenden Befehle durch den Rotormast an eine Leistungselektronik, die im Versuchsstadium noch wie ein großer Bienenkorb auf dem Rotorkopf thront. Sie setzt die Befehle in elektrische Impulse um, die an die piezo-keramischen Stellantriebe gehen. Deren Reaktionszeit ist so gering, dass die Klappen innerhalb einer Umdrehung des Rotors 15 bis 40 Mal pro Sekunde auf- und abschlagen.

Durch diese Auf- oder Abtriebseffekte beginnen die Rotorblätter über ihre normale Bewegung hinaus sich zusätzlich in einem Winkel von bis zu zwei Grad zu verwinden. "Wir nutzen damit die aerodynamischen Kräfte und sparen im Gegensatz zur hydraulischen Lösung deutlich an Zusatzenergie", erklärt Michael Grünewald. "Wir können die Rotorklappen zudem auch noch für die Verringerung von Vibrationen nutzen", ergänzt der EADS-Wissenschaftler.

Das Vibrationsproblem entsteht hauptsächlich durch die für den Hubschrauber typische asymmetrische Rotoranströmung. Die Lösung hier: Man erzeugt mit Hilfe der Hinterkanten klappen zusätzliche Vibrationen in einer Weise, dass sie die ursprünglich vorhandenen gerade auslöschen. Als Sensoren dienen hier statt des Mikrofons Dehnungsmessstreifen an Blattwurzel und Rotormast oder auch Beschleunigungsgeber in der Kabine.

Von Theorie und Praxis

Bevor die Wissenschaftler nachweisen konnten, ob das adaptive Rotorblatt in der Praxis hält, was es in der Theorie verspricht, musste die Konstruktion erst ihre Funktionsfähigkeit und Sicherheit in den Luftfahrt-typischen Testzentren Windkanal, Schleuderprüfstand, Biege-Rig und Whirltower beweisen. Im Herbst 2005 wurde das System auf einem EC 145-Hubschrauber am Eurocopter-Standort im bayerischen Donauwörth zum ersten Mal im Flugbetrieb erprobt.

Und die ersten Versuchsflüge verliefen vielversprechend: Sowohl Geräusch als auch Vibrationen waren hör- und spürbar verringert. Im Vordergrund der Testreihen standen allerdings vorerst Funktions- und Betriebssicherheit des Systems. So stellten die Piloten fest, dass sich lediglich das Einschalten der Klappensteuerung marginal auf die Fluglage des Helikopters auswirkte.

Ein Schwerpunkt der Weiterentwicklung ist die Verkleinerung der Leistungselektronik, die derzeit noch ein Gewicht von rund 65 Kilogramm aufweist. Als realistisches Ziel sehen die Ingenieure eine Reduzierung auf rund zehn Kilogramm und die Integration in Zelle oder Rotorkopfabdeckung. Ist dieser Stand einmal erreicht, rechnet Valentin Klöppel mit einer völligen Eliminierung der harten Knattergeräusche.

Und die Insassen des Hubschraubers müssten gar nur noch 10 Prozent der heutigen Vibrationsstärke ertragen. Das Knattern wäre dann nur noch eine Erinnerung an den Soundtrack von Coppolas Vietnam Epos.

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