Umwelt:Sauber gemacht

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Fliegen ist schon heute nicht mehr sicherer, sondern auch umweltfreundlicher und wirtschaftlicher als Autofahren. Wissenschaftler und Ingenieure arbeiten daran, diesen Vorsprung weiter auszubauen. Neue Technologien sollen Lärm, Abgase und Verbrauch nochmals halbieren.

Peter Weidenhammer

Die Idee hat einen Namen: Proactive Green Plane. Damit umreißt Airbus die gezielte Entwicklung von Technologien und Verfahren, mit denen Umweltbelastungen von Verkehrsflugzeugen weiter verringert werden sollen. Konkret nehmen Flugzeuge vor allem durch Geräuschentwicklung und durch Schadstoffemissionen Einfluss auf die Umwelt. Und in diesen Bereichen setzen die Flugzeugentwickler auch ihre Schwerpunkte.

Die Ziele sind klar umrissen. So hat das Advisory Council for Aeronautics Research in Europe (ACARE), in dem unter anderem die EU und deren Staaten sowie die Industrie vertreten sind, bis zum Jahr 2020 vorgegeben - den wahrgenommenen Lärm, den Treibstoffverbrauch und die Kohlendioxid-Emissionen um 50 Prozent und - Stickoxid-Emissionen um 80 Prozent zu verringern.

Als Basis gilt dabei der Status Quo des Jahres 2000 für Standard-flugzeuge und die normalen Betriebsbedingungen. Giovanni Bisignani, Generaldirektor des Airline-Weltverbandes IATA: "Die gesamte Luftfahrtindustrie, vor allem Airlines und Flugzeughersteller, sind sich vollkommen der Notwendigkeit bewusst, soziale, ökonomische und ökologische Aspekte in der Balance zu halten. Die nachhaltige Entwicklung ist keine Option oder nachträglicher Einfall. Es ist ein integraler Bestandteil unserer Langzeitstrategie."

Dabei ist die Ausgangsposition nicht die schlechteste: Flugzeuge, die heute in Betrieb gehen, sind durchschnittlich 20 Dezibel leiser als vergleichbare Airliner vor 30 Jahren, was einer Verringerung der wahrgenommenen Lärmbelastung um 75 Prozent entspricht.

Der Kraftstoffverbrauch von Flugzeugen ist in den vergangenen 40 Jahren um 70 Prozent gesunken. Michael Grünewald, Abteilungsleiter Mechatronics und Dynamics in der EADS Zentralforschung: "Die Verringerung des Treibstoffverbrauchs war schon immer ein sehr wichtiges Wettbewerbsinstrument für die Hersteller. Tatsächlich verschlingen die Kraftstoffkosten einen Großteil der Ausgaben der Airlines und konsequenterweise wollen sie nicht Treibstoff statt Nutzlast transportieren."

2004 übernahm Airbus den Vorsitz des Aircraft Noise and Exhaust Emissions Committee (ANEEC), dem Umweltgremium des International Coordinating Council of Aerospace Industries Associations (ICCAIA).

Bis 2007 hat Airbus damit den Auftrag, als offizieller Beobachter die in der International Civil Aviation Organisation (ICAO), der UN-Organisation für Zivilluftfahrt, organisierten Luftfahrtunternehmen ökologisch zu beraten. Angesichts der prognostizierten hohen Wachstumsraten im Passagierverkehr sollen die Mehrbelastungen für Menschen und Umwelt möglichst gering gehalten werden.

So schätzt Giovanni Bisignani: "Wir werden bis zum Jahr 2010 sehr viel mehr Reisende sehen - möglicherweise 2.200 Millionen im Jahr 2010." Rein statistisch würde damit dann fast jeder dritte Weltbürger auf Flugreise gehen.

Ganz oben an steht deshalb die weitere Verringerung des Treibstoffverbrauchs und damit der Schadstoff-Emissionen von neuen Flugzeugen. Wobei sich die Airline-Industrie schon heute nicht verstecken muss: Der Kraftstoffverbrauch eines modernen Passagierjets, der üblicherweise zu 70 Prozent ausgebucht ist, liegt bei 3,4 Litern pro Passagier auf 100 Kilometern.

Damit stehen die Luftfahrer auf einer Ebene mit den Autofahrern. Die Abgase von Flugzeugen haben heute etwa einen Anteil von 3,5 Prozent an den vom Menschen verursachten CO2-Emissionen. Treffen die errechneten Zuwachsraten in der Luftfahrt zu, kann dieser Beitrag zum Jahr 2050 auf fünf Prozent steigen.

Elementar verantwortlich für den Schadstoffausstoß sind naturgemäß die Triebwerke. Deren Emissionen unterliegen bereits heute strengen internationalen Vorschriften, die periodisch von der ICAO verschärft werden. Den Löwenanteil der in den vergangenen Jahren erzielten Verbesserung an Wirtschaftlichkeit und Schadstoffminderung erreichten die Triebwerkhersteller durch die Erhöhung von Verbrennungstemperatur und Druck in der Brennkammer.

Um die sehr hohen Temperaturen auf Dauer durchzustehen, ist die Brennkammer bei manchen neuen Triebwerken mit Hitzekacheln ausgekleidet, die wiederum mit Luft gekühlt werden. In Entwicklung sind darüber hinaus Turbinen mit zweistufigen Brennkammern, die je nach Schubbedarf genutzt werden. Diese Aufteilung erlaubt optimierte Brennverfahren, die das Entstehen von Stickoxiden verringern.

Die Triebwerksentwicklung ist freilich nur die halbe Miete. Wie beim Auto kommt es auch im Flugzeug auf das Verhältnis von Gewicht zu Leistung an: Ein leichteres Flugzeug braucht kleinere Motoren; kleinere Motoren wiegen selbst auch weniger und verbrauchen weniger. So gegensätzlich es klingt: Diese Formel gilt erst recht, umso größer das Flugzeug wird.

Deshalb haben Wissenschaftler und Ingenieure für den neuen Airbus A380, das größte Passagierflugzeug der Welt, neue Materialien in großem Stil eingesetzt. Rund ein Viertel des riesigen Airliners besteht aus superleichten Kunststoffen. So besteht beispielsweise der mittlere Flügelkasten, der mit dem Rumpf verbunden ist und an dem die Tragflächen befestigt sind, zum ersten Mal bei einem Airliner vollständig aus Kohlefaser-Verbundwerkstoffen.

Allein dieses Bauteil ist dadurch um rund 1,5 Tonnen leichter geworden als wenn es aus der höchstentwickelten Aluminiumlegierung hergestellt würde. Darüber hinaus besteht ein großer Teil der oberen Rumpfschalen aus glasfaserverstärktem Aluminium. Dieses neu entwickelte Material ist belastbarer als Aluminium und dennoch um 20 Prozent leichter als das Leichtmetall. Für die A380 bedeutet das nochmals eine halbe Tonne weniger Gewicht.

Einen weiteren Beitrag zur Gewichtseinsparung leistet die Fly-By-Wire Technologie - und nicht nur dazu. Der Ersatz schwerer mechanischer Komponenten durch leichte, elektronisch gesteuerte Servosysteme für die Flugzeugsteuerung erbrachte in den vergangenen Jahren erhebliche Gewichtsvorteile. Darüber hinaus lässt sich ein Flugzeug "by-wire" wesentlich ökonomischer fliegen, da alle verbrauchsrelevanten Parameter kontinuierlich vom Rechner überprüft und optimal eingeregelt werden.

Der weiter zunehmende Einsatz von alternativen Materialien, die geringes Gewicht mit hoher Sicherheit verbinden, wird den Schadstoffausstoß der Flugzeuge von morgen ebenso weiter verbessern wie weiterentwickelte Flugroutinen. Im Windkanal stehen darüber hinaus alle aerodynamisch wichtigen Komponenten auf dem Prüfstand.

So gehen selbst kleine Verringerungen des Luftwiderstandes unmittelbar in den Verbrauch und damit in die Schadstoffemission ein. Als Maßstab gilt hier der Airbus A330: Er emittiert bereits jetzt während einer kompletten Zwischenlandung einschließlich Start nur 10 bis 20 Prozent der heute von der ICAO zugelassenen Menge an Kohlenwasserstoffen und Kohlenmonoxid.

Zurzeit erprobt Airbus an einer A320 neu entwickelte Winglets an den Flügelenden, die die Druckbereiche ober- und unterhalb der Tragfläche besser voneinander trennen und dadurch den Luftwiderstand verringern.

Flugzeuge fliegen nicht nur immer sauberer, sondern, für die Zukunft von großer Wichtigkeit, auch immer leiser. Zum Beispiel entwickelt der Airbus A320, ein bereits seit längerem im Dienst stehender Kurz- und Mittelstreckenjet mit häufiger Landefrequenz, weniger als ein Zehntel des Schalldrucks eines dreistrahligen 70er Jahre-Airliners.

Gemessen wird dabei der so genannte "Fußabdruck" - benannt nach dem charakteristischen Geräuschbild - eines Flugzeugs am Boden bei Start und Landung. Messungen ergaben, dass die Länge dieses Fußabdrucks bei einem Grenzwert von 75 dB rund 3,4 Kilometer beträgt. Vor 30 Jahren legte der Vergleichsjet immerhin einen Lärmteppich von 16,3 Kilometern Länge. Damit unterschreitet die A320 selbst noch die jüngsten, seit dem 1. Januar 2006 gültigen Grenzwerte der ICAO für Neuflugzeuge, die eine erneute Absenkung des Lärmpegels um 10 dB mit sich brachten.

Um selbst der gigantischen A380 das Starten und Landen von besonders lärmrestriktiven Flughäfen, wie zum Beispiel London Heathrow, zu ermöglichen, entwickelten die Wissenschaftler eine neue Geräuschdämmung für die Triebwerkverkleidung.

Jedes der vier Triebwerke entwickelt eine Schubkraft von rund 70.000 Pfund, die die 560 Tonnen Startgewicht des weltgrößten Verkehrsflugzeuges in die Luft bringen müssen. Obwohl das neue Flaggschiff der Airbus-Flotte 35 Passagiere mehr transportieren kann als eine Boeing 747, macht es beim Start nur halb soviel Lärm.

Das liegt zum einen an den verringerten Geräuschemissionen der Triebwerke selbst, die sich durch ein höheres Nebenstromverhältnis auszeichnen. Damit bezeichnet man die Luftmenge, die an der Antriebsturbine vorbeiströmt. Je größer dieser Strom ist, desto leiser arbeitet das Triebwerk. Allerdings sind dieser Technik enge Grenzen gesetzt, denn damit wächst auch der Durchmesser des Triebwerks und in der Folge auch das Gewicht, der Luftwiderstand und der Lärm durch die Luftschraube des Triebwerks selbst.

Zum anderen sind für den leiseren Triebwerkslauf so genannte akustische Liner verantwortlich, das sind akustische Dämpfungselemente im Inneren der Triebwerksverkleidung. Sie bestehen aus einer Mischung von absorbierenden Resonatoren und schalldämpfenden Materialien. In ihrer jüngsten Entwicklungsstufe hat die passive Lärmreduzierung, wie in der A380 verwirklicht, schon einen sehr hohen Reifegrad erreicht.

Einen deutlichen Schritt nach vorn verspricht darüber hinaus die aktive akustische Geräuschminderung. Dabei untersuchen Wissenschaftler der EADS Zentralforschung mehrere Möglichkeiten. So arbeiten sie an einem adaptiven akustischen Liner, der auf unterschiedliche Frequenzen angepasst werden kann und damit je nach Drehzahl des Triebwerks optimal das Geräusch dämpft.

Dazu werden verstellbare Resonatoren eingesetzt "wie eine Posaune, nur umgekehrt", erklärt Michael Grünewald. Statt Töne in verschiedener Höhe zu erzeugen, schluckt der Resonator sie. Zusätzlich sind die Öffnungen der kreisförmig um das Triebwerk gruppierten adaptiven Resonatoren beheizt, was eine Änderung des akustischen Widerstandes mit sich bringt und damit den erreichbaren Frequenzbereich weiter vergrößert.

"Wir hoffen damit den Triebwerkslärm und damit den Gesamtlärm um weitere ein bis zwei Dezibel zu verringern", schätzt der Wissenschaftler.

Eine Alternative ist eine aktive Geräuschminderung im Triebwerkseinlauf mit Hilfe von Lautsprechern. Diese sind in der Triebwerksgondel montiert und geben einen gezielten Gegenschall ab.

Dazu nehmen Mikrofone die Geräusche des Triebwerks auf und ein Rechner erzeugt die entsprechenden phasenversetzten Wellen, die von den Lautsprechern abgestrahlt werden. Allerdings ist auch diese Lösung noch nicht über die Laborphase hinaus gekommen: Die Lautsprecher müssen einerseits hohe Schalldrücke abgeben können, müssen aber andererseits so leicht wie möglich sein.

Größere Auswirkungen könnte da eine neuartige Technologie erzielen, die ebenfalls erst im Forschungsstadium ist: Das Triebwerk mit aktiven Statoren. Die Statoren sind feststehende Leitblätter, die hinter der Luftschraube sitzen, die man beim Blick in eine Triebwerksgondel sieht. Sie richten und führen die angesaugte Luft geradlinig ins Triebwerkinnere.

Zwischen den einzelnen Schaufeln des drehenden Fan, wie die Luftschraube im Fachjargon heißt, und den feststehenden Leitblättern entstehen bei jedem Vorbeilauf starke instationäre Druckschwankungen, die Geräusche erzeugen. Um diese zu verringern, kamen die Ingenieure auf die Idee, die Statorblätter bei jeder Passage geringfügig ausweichen zu lassen.

Erste Untersuchungen haben gezeigt, dass diese Lösung sehr effektiv sein kann: "Wir können diese Schallquelle damit um bis zu 15 Dezibel leiser machen", schätzt EADS Akustikspezialist Ingo Borchers. "Das würde sich auch im Gesamtgeräusch deutlich bemerkbar machen."

Aerodynamische Feinarbeiten

Aerodynamische Feinarbeiten machen sich an einem Flugzeug nicht nur in weniger Verbrauch und Schadstoffausstoß, sondern häufig auch in weniger Lärm bezahlt: Strömungsgeräusche von ausgefahrenem Fahrwerk und Auftriebssystemen sind heute im Landeanflug praktisch genauso laut wie die Triebwerke. Um die verschiedenen Lärmquellen zu identifizieren, entwickelten die EADS-Akustiker ein so genanntes Mikrofon-Array für ihre speziellen Zwecke weiter.

Im Prinzip besteht dieses Messinstrument aus einem Netzwerk von Mikrofonen, die den Schall einer startenden oder landenden Maschine an verschiedenen Punkten am Boden aufnehmen. Hier setzten erstmalig die EADS-Akustiker ein spezielles Rückrechnungsverfahren ein. Das Besondere daran besteht in der Auswertung dieser Signale, die nicht nur Ort und Richtung bestimmt, sondern auch die Berechnung der Schallstärke am Entstehungsort selbst ermöglicht.

So ermittelten die Akustiker beispielsweise die Seitenkanten der Landeklappen als intensive Lärmquelle. Es kommt dort zu starken Verwirbelungen, die diese Geräusche verursachen. Durch besondere Formgebung dieser Struktur und den Einsatz besonderer Materialien lässt sich der Schallpegel deutlich senken.

Allerdings stehen die Wissenschaftler hier oft vor einem Zielkonflikt, wenn akustische Verbesserungen mit Verbrauchseigenschaften kollidieren. Ein Weg aus diesem Dilemma weisen einmal mehr adaptive Systeme. So entsteht beim Ausfahren der Vorflügel ein Spalt zum Hauptflügel, in dem Turbulenzen und damit Geräusche entstehen. Als Lösung entwickelten die Wissenschaftler eine bewegliche Kontur, welche die Strömung im Spalt beeinflusst, so dass die aerodynamischen Anforderungen erfüllt bleiben, die Geräuschquellen jedoch deutlich reduziert werden.

Auch eine vollständige Integration des beweglichen Vorflügels in den Flügel wird untersucht, so dass der Schlitz und die mit ihm verbundenen Schallquellen komplett verschwinden. In dem neuen Airbus A380 ist diese Idee in einer Vorstufe bereits verwirklicht.

Um der Vision des Proactive Green Plane näher zu kommen, arbeiten die Wissenschaftler konzentriert daran, solche Technologien zur Serienreife zu entwickeln. Schließlich steht das Ziel der ACARE, bis 2020 Starts und Landungen weiter 10 dB leiser zu machen. Das entspricht der Halbierung des wahrgenommenen Lärms. Bis dorthin sind es nur noch 14 Jahre. Das sind gerade mal zwei Flugzeuggenerationen.

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