Umstrittener Raketeneinsatz:Armageddon live

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Fast wie im Film "Armageddon": Die US-Regierung will aber hier einen aus der Kontrolle geratenen Spionagesatelliten abschießen. Gefährdet der Weltraumschrott die Erde?

Markus C. Schulte von Drach

Das Pentagon will einen außer Kontrolle geratenen Spionagesatelliten abschießen, der sonst Anfang März auf die Erde stürzen wird.

Der Vize-Chef des US-Generalstabes, General James Cartwright (rechts), erklärt gemeinsam mit dem stellvertretenden Nationalen Sicherheitsberater der US-Regierung, James Jeffries, die Abschusspläne. (Foto: Foto: AP)

Wie die Behörde erklärt hat, soll dazu innerhalb der nächsten Wochen eine Waffe verwendet werden, die eigentlich der Raketenabwehr dient: Eine von einem Kriegsschiff abgefeuerte, speziell dafür modifizierte Rakete, so der Plan, wird den Satelliten zerstören, kurz bevor er voraussichtlich um den 6. März in die Atmosphäre eintritt.

Die Aktion wurde nach Angaben des stellvertretenden Nationalen Sicherheitsberaters der US-Regierung, James Jeffries, direkt von Präsident George W. Bush angeordnet. Grund für die Entscheidung ist demnach, dass der Satellit für Menschen ein größeres Risiko darstellt als anderer bislang auf die Erde gestürzter Weltraumschrott.

Zwar hat das US-Militär wie üblich wenig Informationen über den Spionagesatelliten herausgegeben. Es handelt sich aber offenbar um ein mehrere Tonnen schweres Vehikel von der Größe eines Busses, das nach dem Eintritt in die Erdumlaufbahn 2006 nicht in Betrieb genommen werden konnte. Nach Angaben des Vize-Chefs des US-Generalstabes, James Cartwright, besteht keine Funkverbindung mehr zu dem Satelliten.

Deshalb können die Militärs den Absturz nicht wie sonst üblich kontrolliert über dem offenen Meer - etwa dem Pazifik - auslösen. Der Tank mit Treibstoff, mit dem die Flugbahn gezielt hätte verändert werden sollen, ist noch voll. Genau hier liegt auch das besondere Problem.

Gefahr durch Treibstoff

"Gegenwärtig können wir das Eintrittsgebiet nicht vorhersagen", erklärte die Bush-Regierung in einem Bericht an die Vereinten Nationen und die Nato. Außerdem bestehe die Gefahr, dass der sehr robuste Tank erst beim Aufschlagen auf der Erdoberfläche explodiert und der Treibstoff als Gas freigesetzt wird. Und dabei handele es sich um hochgiftiges, ätzendes Hydrazin. Sollte der künstliche Erdtrabant in bewohntem Gebiet einschlagen, sind nach Einschätzung der US-Regierung Menschenleben in Gefahr.

Mit dem gezielten Abschuss soll einerseits nun der Absturz über unbewohntem Gebiet gewährleistet werden. Außerdem wäre die Gefahr, die vom Hydrazin ausgeht, gebannt. Die erste Chance für die Aktion werde sich voraussichtlich in den nächsten drei bis vier Tagen ergeben und etwa sieben oder acht Tage lang bestehen, erklärte Cartwright.

Später wäre es aufgrund atmosphärischer Störungen beim Wiedereintritt extrem schwierig, den Satelliten zu treffen. Sollte der Abschuss nicht gelingen, hätte man es immerhin versucht, sagte Cartwright laut New York Times.

Von Schiffen der US-Navy aus wird die Bahn des Satelliten beobachtet, der 16 Mal am Tag die Erde umkreist, berichtet die Zeitung. Eingesetzt werden zu der Aktion Sensoren und Waffen der Raketenabwehr, die gezielt verändert wurden. Der Vorteil gegenüber dem Einsatz gegen feindliche Interkontinentalraketen ist, dass die Bahn des Ziels gut bekannt ist und genug Zeit bleibt für mehrere Versuche. Eingesetzt werden soll offenbar eine umprogrammierte Standard Missile 3.

"Mit dem Instinkt eines Cowboys"

Zwar hat Nasa-Chef Michael Griffin bestritten, dass der Abschuss des Satelliten ein Test für das Raketen- und Satellitenabwehrsystem der Amerikaner sein soll. Tatsächlich haben die Amerikaner bereits 1985 einen Satelliten erfolgreich mit einer Rakete abgeschossen, die von einem Flugzeug aus abgefeuert worden war. Auch handele es sich nicht um eine Botschaft an mögliche militärische Kontrahenten, erklärte das Weiße Haus.

Doch Kritiker der Entscheidung sehen das anders. "Da hat eindeutig jemand in der Regierung mit den Instinkten eines Cowboys entschieden, dass dies die perfekte Rechtfertigung dafür ist, mit unseren Säbeln zu rasseln und den Chinesen zu zeigen, das wir die gleichen Fähigkeiten besitzen", sagte etwa Jonathan McDowell vom Harvard-Smithonian Center for Astrophysics in Cambridge, USA, dem Fachmagazin New Scientist.

Und Jeffrey G. Lewis von der New America Foundation erklärte der New York Times, China werde das Vorgehen benutzen, um den eigenen Test zu rechtfertigen, bei dem sie im Januar 2007 einen defekten Wettersatelliten mit einer Rakete abgeschossen hatte.

Allerdings hatte sich der chinesische Satellit auf einer höheren Erdumlaufbahn befunden. Die Reste des Himmelskörpers kreisen noch immer im Orbit und gefährden zusammen mit dem übrigen Weltraumschrott Satelliten, Raumfähren und die ISS. Der amerikanische Spionagesatellit, so hofft man im Pentagon, werde auf die Erde fallen. Sicher ist das nicht. Schließlich könnte ein Teil des Schrotts durch die Explosion auch in eine höhere Umlaufbahn geraten.

Eine weitere Spekulation ist, die US-Regierung wolle verhindern, dass das Wrack des Satelliten in falsche Hände gerät. Doch alles bis auf den Treibstofftank würde beim Eintritt des Satelliten in die Atmosphäre sowieso zerstört, erklärte General Cartwright der Washington Post. Auch ohne einen Raketenbeschuss.

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