Treibhausgas Kohlendioxid:Ab in die Erde

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Die Internationale Energieagentur (IEA) empfiehlt, die Technik für Kohlendioxid-Endlager massiv zu fördern. Sie "müssen eine zentrale Rolle spielen".

Christopher Schrader

Selten hat jemand freundlichere Worte über Müllkippen gefunden. Sie seien "extrem wichtig", sagte vor Monaten der Vorsitzende des Weltklimarats, Rajendra Pachauri. "Die einzige Hoffnung der Menschheit", nannte sie einmal der britische Forschungsberater Sir David King. Sie "müssen eine zentrale Rolle spielen", stimmt nun der Chef der Internationalen Energieagentur (IEA), Nabuo Tanaka, ein. "Jetzt ist die Zeit zum Handeln."

Im Industriepark Schwarze Pumpe betreibt der Stromkonzern Vattenfall seit sechs Wochen ein Versuchskraftwerk, das Kohle verbrennt und Kohlendioxid abscheidet. (Foto: Foto: dpa)

Gemeint sind damit allerdings keine Müllkippen für Joghurtbecher, Babywindeln oder Kartoffelschalen. Es geht um Abfall aus Kraftwerken: Kohlendioxid, von dem bei der Stromerzeugung aus Kohle, Gas oder Öl Milliarden Tonnen jährlich entstehen. Bisher entweicht es in die Atmosphäre, steigert dort den Treibhaus-Effekt und erwärmt die Erde.

Doch in Zukunft könnte das Gas an der Quelle aufgefangen und in unterirdischen Deponien gelagert werden; CCS heißt das Verfahren (für Carbon Capture and Storage, Auffangen und Speichern von Kohlenstoff). "CCS ist entscheidend, um tiefe Schnitte in den Emissionen zu erreichen", sagte IEA-Chef Tanaka am Montag in Paris, wo seine Behörde ein dickes Gutachten zur Entwicklung der CCS-Technik vorgelegt hat.

Die IEA ermahnt darin führende Industrienationen, ihre Versprechen einzuhalten. Bis zum Jahr 2010 wollen die Staaten, unter ihnen Deutschland, 20 Demonstrationsanlagen in Auftrag gegeben haben. "Die momentanen Ausgaben und Aktivitäten sind nicht annähernd groß genug, um diese Ziele zu erreichen", sagt der IEA-Bericht. Zwischen 22 und 38 Milliarden Euro seien nötig, schätzt Tanakas Agentur. Nur dann bestehe die Chance, dass die Technik von 2030 an brauchbar ist.

Die CCS-Technik hat zwei Stufen. Zum einem muss bei der Stromproduktion das Kohlendioxid aufgefangen werden. Es wird entweder aus dem Rauch herausgewaschen oder schon beim Brennverfahren isoliert.

Diese Verfahren kosten allerdings Energie: Solche Kohlemeiler verwandeln zum Beispiel statt 45 nur 35 Prozent der Energie im Brennstoff in Strom. Zum anderen muss das unerwünschte CO2 in eine Deponie viele hundert Meter unter die Erde gepumpt werden, wo es jahrhundertelang bleiben soll. Diese Depots müsste die Menschheit noch bewachen, wenn sie ihren Energiebedarf längst mit Sonnenkraft und anderen erneuerbaren Quellen deckt.

Um der Forderung Nachdruck zu verleihen, wonach diese Technik in großem Maßstab erprobt werden muss, arbeitet die IEA mit Anreiz und Tadel. Einerseits rechnet sie vor, was ein Verzicht auf CCS kosten würde. Für das auch von der EU definierte politische Ziel, bis 2050 die Emissionen zu halbieren, müsste die Welt fast eine Billion Euro mehr ausgeben als mit dem Einsatz der CO2-Abscheidung.

Andererseits zeigen die Autoren aus Paris auf, was die Technik zu bewirken vermag. Mitte des Jahrhunderts könnten jedes Jahr gut zehn Milliarden Tonnen Kohlendioxid abgefangen und eingelagert werden, ein Fünftel der insgesamt zu verringernden Menge.

"Bisher nichts auffälliges"

Eine Vorschau in diese Zukunft liefern in Deutschland zwei Pilotprojekte. Im Industriepark Schwarze Pumpe im Süden Brandenburgs betreibt der Stromkonzern Vattenfall seit sechs Wochen ein Versuchskraftwerk, das Kohle verbrennt und pro Stunde neun bis zehn Tonnen CO2 abscheidet und verflüssigt. Es ist weltweit die erste Anlage ihrer Art, aber zu klein, um den Ansprüchen der IEA an ein Demonstrations-Objekt zu genügen.

In Ketzin bei Potsdam haben Mitarbeiter des EU-Projekts CO2-Sink seit Juli 3000 Tonnen Kohlendioxid 600 Meter tief in eine Sandsteinschicht gepumpt. Sie hat die Form einer umgestülpten Salatschüssel und ist von einer dicken Lage Ton bedeckt. In den Bohrungen und auf einem Areal von drei mal drei Kilometern an der Oberfläche haben die Forscher Messgeräte installiert, die zeigen, ob das CO2 wirklich in der Tiefe bleibt.

Das ist doppelt wichtig. Einerseits kann Kohlendioxid gefährlich sein. Da es schwerer ist als andere Bestandteile der Luft, sammelt es sich in Mulden und geschlossenen Räumen und verdrängt den zum Atmen nötigen Sauerstoff; davor warnen in Ketzin Sensoren. Hinzu kommt: Wer 50 Euro pro Tonne bezahlt, um CO2 loszuwerden, möchte nicht erleben, dass es aus dem Depot entweicht wie Luft aus einem lecken Schlauchboot.

"Bisher zeigen unsere Geräte in der Erde nichts auffälliges", sagt Fabian Möller vom Geoforschungszentrum Potsdam. Doch die Zuverlässigkeit von Speicherformationen sei ein wichtiges Forschungsgebiet: "Niemand weiß sicher, wie sich solche Speicher verhalten."

Immerhin spricht die Geologie für stabile Verhältnisse. In Sandstein-Speichern löst sich ein Teil des Gases in dort vorhandenem Salzwasser, ein weiterer Teil bleibt an den Wänden der Poren hängen. Außerdem erproben Forscher ehemalige Öl- und Gasfelder. "Die Erdgasfunde zeigen uns, dass die Speicher dicht sind, schließlich lag das Gas darin Millionen Jahre lang", sagt Möller.

Vielen Kritikern sind solche Argumente zu vage, zumal wie in Hamburg-Moorburg bereits neue Kohlekraftwerke auf das Versprechen hin bewilligt werden, so bald wie möglich CCS nachzurüsten.

"Was passiert, wenn das nachher alles nicht funktoniert?", fragt zum Beispiel die Greenpeace-Mitarbeiterin Gabriela von Goerne. Zudem fürchten Umweltschützer, dass nun Investitionen in die Abscheide-und-Speicher-Technik umgeleitet werden, die sonst für erneuerbare Energien zur Verfügung gestanden hätten. Die Milliarden, die die IEA einfordert, müssen schließlich irgendwoher kommen.

© SZ vom 22.10.2008/mcs - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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