Steigender Energieverbrauch:Die Stromfresser kommen

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Heimkinoanlagen, Flachbildfernseher und Spielkonsolen: Der Energieverbrauch steigt, weil Haushalte immer mehr und größere Geräte benutzen.

Helmut Martin-Jung

V-Real Pro 2-Anzeige, HDAVI 2, V-Audio, SRS TruSurround XT, HD-JPEG, NTSC über AV und natürlich auch C.A.T.S. - das Datenblatt des Riesenfernsehers protzt mit unverständlichen Details. Nur nach einer Angabe sucht man vergebens.

Dieser Monster-Fernseher, den Panasonic jüngst auf der CES in Las Vegas präsentierte, ist der derzeit größte im Handel. Was der Hersteller lieber verschweigt: Das Gerät braucht so viel Strom wie 34 sehr helle Energiesparlampen. (Foto: Foto: Reuters)

An der Stelle auf der Übersicht, wo der Stromverbrauch angegeben sein sollte, steht bloß ein W für Watt, aber keine Zahl. Warum, das wird nach einem Anruf bei der freundlichen Wie-kann-ich-Ihnen-helfen-Hotline schnell klar:

Der Monsterschirm mit seiner imposanten Bilddiagonale von 1,65 Meter verbraucht im Normalbetrieb satte 720 Watt - soviel wie 34 sehr helle Energiesparlampen.

Bereits jetzt machen der Energieagentur Nordrhein-Westfalen zufolge Computer und Kommunikationsgeräte sowie Fernseher und Radiogeräte zusammen fast ein Viertel des privaten Stromverbrauchs aus.

Aber das ist, glaubt man einer Studie des britischen Energy Savings Trusts, erst der Anfang.

Die Untersuchung mit dem einprägsamen Titel "Das Ampere schlägt zurück" kommt zu dem Schluss, bis 2020 könnten elektronische Geräte - von der Playstation im Kinderzimmer bis zum Großschirm im Wohnzimmer - 45 Prozent der im Haushalt verbrauchten elektrischen Energie verschlingen.

Leben mit der Fernbedienung

Zwar bezweifelt der Energieberater Ulrich Kleemann von der Deutschen Energieagentur (Dena), dass sich die britischen Zahlen 1:1 übertragen lassen. Tatsache aber ist, dass der Verbrauch durch Elektrogeräte in Privathaushalten in den vergangenen Jahren dramatisch angestiegen ist, wie die sonst eigentlich durchaus zurückhaltende Internationale Energieagentur (IEA) erst im September formulierte.

Viele Elektrogeräte, hob IEA-Direktor Nobuo Tanaka hervor, seien zwar erheblich sparsamer als ihre Vorgänger, dafür aber stieg der Stromverbrauch unter anderem durch Fernseher, HiFi-Anlagen, Computer und Mobiltelefone "sehr stark" an, wie man im Rahmen der Untersuchung "Energienutzung im neuen Jahrtausend" feststellte.

Zu einer ähnlichen Einschätzung war zuvor schon das Umweltbundesamt gelangt. Auch die deutsche Behörde nennt als einen der Gründe für den erhöhten Energiebedarf die steigende Anzahl elektrischer Geräte in den Privathaushalten.

Wie das sein kann, das lehrt ein Blick auf das Angebot der großen Messen der Unterhaltungselektronik. Die Fernsehgeräte, die dabei vorgestellt werden, können kaum groß genug sein. Sie verbrauchen aber nicht nur deshalb mehr Strom als ihre Vorgänger, weil die Kunden die Bildschirmdiagonalen ihrer neuen Geräte meist größer wählen als die der alten. Sie müssen, bedingt durch die Digitaltechnik, viele Signale auch erst aufwendig umrechnen, damit sie sie auf den großflächigen Anzeigen möglichst gut darstellen können.

Entscheidend ist die Effizienz

Während TV-Geräte mit etwa 70 Zentimeter Bildschirmdiagonale etwa 70 bis 100 Watt aus der Steckdose ziehen, sind es bei den Ein-Meter-LCD- oder Plasma-Fernsehgeräten schnell 200 oder 300. Systembedingte Unterschiede zwischen den beiden Techniken - LCD oder Plasma - fallen dabei entgegen anderslautenden Gerüchten kaum ins Gewicht.

Entscheidend ist, wie effizient die jeweiligen Geräte mit der Energie umgehen. Und das weicht in der Praxis oft stark voneinander ab, wie Annegret Agricola, Bereichsleiterin Energieeffizienz bei der Dena weiß: "Die Unterschiede in der Leistungsaufnahme gleich großer Geräte können im Betrieb bis zu 60 Prozent betragen."

Ihre volle Leistungsfähigkeit entfalten die großformatigen TV-Geräte ohnehin erst, wenn sie mit digitalen Signalen gefüttert werden, mindestens digitales Fernsehen über Antenne (DVB-T) sollte es schon sein.

Doch um das zu empfangen, braucht man für die meisten Geräte eine zusätzliche Box, die zwischen Antennenanschluss und TV-Gerät geschaltet wird. Das Gleiche gilt für digitalen Kabelempfang und Satellitenfernsehen. Ohne zusätzliches Kästchen neben dem Fernseher bleibt der Bildschirm schwarz.

Der DVD-Spieler ist ebenfalls kaum verzichtbar, den alten Videorekorder werfen viele auch nicht gleich weg, und wenn man schon ein so schönes großes Fernsehgerät hat, will man das häusliche Kleinkino vielleicht auch noch mit einer Anlage für Rundumklang und satte Basstöne komplettieren.

Und dann gibt es da ja auch schon die Nachfolger der DVD, Blu-Ray und HD-DVD, die damit werben, die großen Schirme erst richtig auszureizen. Um die 50 Gigabyte an Daten passen auf eine einzige Blu-Ray-Scheibe, das war vor noch nicht allzu langer Zeit die Speicherkapazität eines mittleren Datenzentrums und muss nun durch die Elektronik des TV-Gerätes durchgeschleust werden, ohne dass es zu den gefürchteten Rucklern im Bild kommt.

Das grüne Blinken

Doch das ist noch nicht alles. So kann beispielsweise das sogenannte Mediacenter von Windows Vista über spezielle Funkadapter Videos aus dem Internet oder die auf der Computerfestplatte gespeicherte Bildersammlung als Datenstrom aufs TV-Gerät schicken. Der Gag dabei ist, dass sich das Programm auf dem Computer per Fernbedienung vom Fernsehzimmer aus steuern lässt, auch wenn der Rechner ganz woanders in der Wohnung steht.

Computerspielkonsolen, besonders die mit den neuen, zu graphischen Höchstleistungen fähigen wie etwa Sonys Playstation 3, lassen die Stromzähler ebenfalls ein gutes Stück schneller drehen. Um die 200 Watt braucht das Gerät im Spielbetrieb, auch Microsofts Xbox ist nur um ein paar Watt sparsamer. Wer damit sechs Stunden pro Tag zockt, treibt damit allein die Stromrechnung um gut 70 Euro pro Jahr hoch, ein Röhrenfernseher kostet noch einmal 35 Euro an Strom, ein größerer Bildschirm entsprechend mehr.

Doch nicht nur Spiele-Computer treiben den Stromverbrauch privater Haushalte in die Höhe, auch die Stand-by-Funktion moderner Geräte benötigt unnötig Energie. Die vielen Lämpchen, die Nacht für Nacht an den Geräten leuchten und blinken, haben so gut wie nie eine Berechtigung außer der, dass einem der sogenannte Stand-by-Betrieb den Weg vom Sessel zum Gerät erspart.

Doch diese Bequemlichkeit ist ziemlich teuer erkauft. Pro Jahr werden 17 Milliarden Kilowattstunden Strom nur dafür verschleudert, dass Geräte auf Bereitschaft bleiben, von denen man die meisten auch ganz einfach ausschalten könnte - wenn man denn könnte. Denn viele der Geräte, beispielsweise die Zusatzkästchen für den Digitalempfang, haben keinen echten Netzschalter, und einige verheizen im Stand-by-Modus immerhin noch halb so viel Strom wie im Vollbetrieb.

Es rechnet sich daher schnell, eine schaltbare Steckdose anzuschaffen. Für ganz Bequeme gibt es sie sogar mit Kabel-Fernbedienung, sodass niemand hinter die Schrankwand kriechen muss, um dem stromfressenden Geblinke ein Ende zu setzen.

© SZ vom 15.01.2008/mcs - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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