Stammzellforschung:Aus Haut wird Maus

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Forscher haben aus umprogrammierten Körperzellen Tiere gezüchtet. Eine der Kreaturen hat bereits Nachwuchs gezeugt.

Christina Berndt

Als das Experiment bekannt wurde, galt es als kleines Wunder. Japaner hatten vor drei Jahren aus Haut Zellen gewonnen, die genauso wandlungsfähig waren wie embryonale Stammzellen. Die Lösung für die grundlegenden ethischen Probleme der Stammzellforschung schien gefunden zu sein: Wandlungsfähige Zellen aus einfachen Hautzellen herzustellen statt aus Embryonen, damit konnte niemand mehr ein Problem haben.

Eine der von chinesischen Forschern gezüchteten Mäuse. (Foto: Foto: dpa)

Auch hartgesottenen Biowissenschaftlern, die es gewohnt sind, in die Tiefen des Lebens zu blicken, verschlug das Experiment die Sprache. Schließlich schien es zu bedeuten, dass in jeder einzelnen Zelle des Körpers noch das Potential eines sich entwickelnden Embryos steckt.

Hartnäckig aber hielt sich die Frage: Was können die umgewandelten Hautzellen, die die Forscher iPS-Zellen nennen, wirklich? Lässt sich mit ihnen tatsächlich ebenso viel anfangen wie mit Embryo-Zellen? Nach einem Kopf-an-Kopf-Rennen chinesischer Wissenschaftler sieht das jetzt ganz so aus. Zeitgleich berichten zwei Teams aus Peking, dass sie aus iPS-Zellen gesunde, ausgewachsene Mäuse gezüchtet haben. Damit haben die iPS-Zellen die ureigene und spezielle Aufgabe von Embryonen erfüllt: die Entwicklung hin zu einem kompletten Organismus.

"Dies ist ein ganz wichtiges Ergebnis", freut sich James Adjaye, der sich am Max-Planck-Institut für molekulare Genetik mit solchen Zellen beschäftigt. "Es zeigt, dass iPS-Zellen eine ultimative Wandlungsfähigkeit besitzen." Dem pflichtet auch Miodrag Stojkovic bei, der in Valencia auf dem Gebiet forscht: "Die iPS-Zellen sind den embryonalen Stammzellen offenbar sehr, sehr ähnlich."

Nun könnten "die unglaublichen Ergebnisse der letzten Jahre" Einzug in die Praxis halten. So könnten Forscher iPS-Zellen aus der Haut von Patienten herstellen und untersuchen. "Diese Zellen können uns helfen zu verstehen, wie es zu einer Krankheit kommt", sagt Stojkovic. Und zugleich könnten Forscher versuchen, Krankheiten zunächst bei Mäusen mit iPS-Zellen zu heilen.

Beide chinesischen Teams nutzten im Prinzip dieselbe Technik. Sie spritzten iPS-Zellen, die sie aus Hautproben erwachsener Mäuse hergestellt hatten, zum ultimativen Embryo-Test in eine eigens hergestellte Embryohülle. Diese Hülle bildete im Verlauf der Embryonalentwicklung nur den Mutterkuchen; der Embryo und damit die Maus entwickelte sich ausschließlich aus den iPS-Zellen.

Allerdings haben offenbar nicht alle iPS-Zellen die gleiche Kraft. Darauf weisen auch die chinesischen Wissenschaftler selbst hin. So erklärt die erste Gruppe um Shaorong Gao vom Nationalen Institut für Biowissenschaften ihre Maus zwar zum Beweis dessen, dass die Sache grundsätzlich funktioniert ( Cell Stem Cell, online). Aber sie betonen auch, dass sie große Mühe hatten, bis ihr lebendes Beweisstück endlich geboren war. Mit den meisten iPS-Zellen gelang dies nicht.

Auch das zweite Team um Qi Zhou von der chinesischen Akademie der Wissenschaften hatte nur mit einigen ausgewählten iPS-Zellen Glück ( Nature, online). Aus 37 Linien gewannen die Forscher 27 Mäusebabys. Nur ein Tier hat inzwischen auf natürliche Weise eigenen Nachwuchs gezeugt.

Miodrag Stojkovic ist trotzdem mit den Ergebnissen aus China zufrieden. "Grundsätzlich funktioniert es, das ist erst einmal das Wichtigste", sagt er. "Es zeigt, dass die Probleme nicht biologischer, sondern technischer Natur sind." Und an der Technik lasse sich schließlich noch feilen.

© SZ vom 24.07.2009/beu - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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