Sportler-Risiko:Tod aus vollem Lauf

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Schwaches Herz, Überlastung, Doping - Warum immer wieder Athleten in Training oder Wettkampf sterben.

Werner Bartens

Am 3. März hatte der Leistungssport wieder ein Opfer zu beklagen. Sebastian Faißt, Rückraumspieler des Handballbundesligisten TSV Dormagen, brach in einem Spiel der deutschen U21-Auswahl gegen die Schweiz ohne Fremdeinwirkung zusammen.

Im Halbfinale des Confederations Cup 2003 trabte Marc-Vivian Foé zurück in die Abwehr. Plötzlich brach der Nationalspieler Kameruns auf dem Rasen zusammen. Er starb noch im Stadion, wahrscheinlich aufgrund eines angeborenen Herzfehlers. Nach dem Finalspiel, das Kamerun gegen Frankreich bestritt, gedachten seine Mitspieler des Toten und trugen ein Porträt ihres Mannschaftskameraden durch das Stadion. (Foto: Foto: dpa)

Der 20-Jährige klagte noch darüber, dass er schlecht sehen könne, dann wurde er bewusstlos. Der Mannschaftsarzt versuchte eine Stunde lang den Sportler wiederzubeleben. Vergeblich. Laut Obduktionsbericht starb der Handballer an Herzversagen.

Große Ratlosigkeit

Wenn junge Sportler, die trainiert und voller Energie zu sein scheinen, plötzlich tot umfallen, sind öffentliche Aufmerksamkeit und Ratlosigkeit groß. Schließlich wirken sie äußerlich kerngesund. Der häufigste Grund für ihr Leiden wird oft nicht bemerkt, bis es zu spät ist - eine angeborene Erkrankung lässt das Herz aussetzen.

"Bei der Mehrzahl der Fälle handelt es sich um eine ungeklärte Herzmuskelschwäche, hier wird viel übersehen", sagt Molekularbiologe Werner Franke vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg. "Aber Dopingfolgen kann man leider auch nicht ausschließen."

Eine unerkannter Herzschaden war wohl auch der Grund für das tragische Ende des portugiesischen Meisterschaftsspiels zwischen Vitoria Guimarães und Benfica Lissabon am 25. Januar 2004. Kurz vor Schluss stand es 1:0 für Lissabon. Miklós Fehér, ungarischer Fußballnationalspieler in Diensten Lissabons, hatte gerade eine Gelbe Karte kassiert, wegen Spielverzögerung.

Er lachte, als er verwarnt wurde. Kurz darauf brach der 24-Jährige mit Herz-Kreislauf-Stillstand auf dem Spielfeld zusammen. Obwohl sofort Ärzte zur Stelle waren und mit einem Defibrillator versuchten, den chaotischen Herzrhythmus Fehérs wieder in geordnete Bahnen zu lenken, starb der Fußballer im Stadion.

Eine Auswertung des Kardiologen Hans-Joachim Trappe von der Ruhr-Universität Bochum hat gezeigt, dass in 30 Prozent der Fälle das Herz aufgrund angeborener Verdickungen der Herzmuskulatur schlappmacht. "70 Prozent dieser Fälle kann man im EKG erkennen, den Rest im Ultraschall", sagt Martin Halle, Chefarzt der Sportmedizin an der TU München.

Der Kardiologe wählt für den Vergleich zwischen gesundem und krankem Herzmuskel die Fleischtheke: "Beim Filet sind die Fasern wohlgeordnet, bei der Frikadelle hingegen geknäult", sagt Halle. "Beim verdickten Herzmuskel sind die Fasern ähnlich ungeordnet, so dass es viel eher zu Rhythmusstörungen kommt."

Auch bei Marc-Vivien Foé lautete das Ergebnis der Autopsie hypertrophe Kardiomyopathie - verdickter Herzmuskel. Der Nationalspieler Kameruns war am 26. Juni 2003 in Lyon gestorben. Kamerun führte im Confederations Cup 1:0 gegen Kolumbien. In der 72. Minute war Foé in die Abwehr zurückgelaufen. Dann fiel er plötzlich um. Als die Sanitäter ihn auf einer Trage abtransportierten, rutschte immer wieder sein linker Arm hinunter. Alle Versuche, den Spieler wiederzubeleben, scheiterten.

Ein anderer Grund für den Tod in der Arena ist die erblich bedingte Verengung der Herzkranzgefäße, die etwa 15 Prozent der Fälle ausmacht. Weitere zehn Prozent der Herzversagen im Sport entstehen durch Rhythmusstörungen, weil ein harter Gegenstand - ein Ball oder Hockey-Puck - mit Wucht auf den Brustkorb prallt. Entzündliche Erkrankungen des Herzens und der Herzklappen sind für fünf Prozent der Todesfälle unter jungen Sportlern verantwortlich.

"Die können auf verschleppte Infekte zurückgehen, das ist aber seltener als man denkt", so Halle. Besonders Viruserkrankungen können eine lebensbedrohliche Herzmuskelentzündung auslösen. Werden Sportler "fitgespritzt" ist das gefährlich: Auch wenn Schmerzen medikamentös gedämpft werden und das Fieber gesenkt wird, bleibt das Herz anfällig.

Tückisch an einer Herzmuskelentzündung ist, dass die Symptome so harmlos sind - man fühlt sich zunächst nur abgeschlagen und erschöpft. Sterben Sportler hingegen jenseits der 35 am Herztod, ist das fast immer auf eine frühzeitige Verengung der Kranzgefäße zurückzuführen - bedingt durch die bekannten Risikofaktoren Rauchen und Bluthochdruck.

Obwohl die Mehrzahl der Herzfehler von Ärzten erkannt werden könnte, gibt es in wenigen Ländern systematische Untersuchungen. Italien ist in dieser Hinsicht vorbildlich, das Land hat 1982 ein verpflichtendes Programm eingeführt, bei dem alle Athleten, die an Wettkämpfen teilnehmen, auf Herz und Niere untersucht werden.

Plötzlicher Herztod ist zurückgegangen

Eine Analyse im Fachblatt Journal of the American Medical Association hat 2006 gezeigt, dass die Häufigkeit des plötzlichen Herztodes seit Beginn des Screenings um 89 Prozent unter Sportlern unter 35 Jahren zurückgegangen ist. Kamen 1980 statistisch gesehen 3,6 von 100.000 Sportlern in Italien durch Herzstillstand ums Leben, waren es 2004 noch 0,4 von 100.000 - und damit halb so viele, wie in der gleichaltrigen Bevölkerung, die weder Sport trieb noch medizinisch untersucht wurde.

Sportler haben ein höheres Risiko als Nichtsportler, früh an einem unerkannten Herzleiden zu sterben. Das hängt damit zusammen, dass mehrere Gen-Defekte das Herz anfälliger machen. Bei einer Form der Herzmuskelerweiterung sind die Verbindungsstellen zwischen den Herzzellen weniger belastbar. Bei stärkeren Anstrengungen leiert die Herzmuskulatur leicht aus, sodass Pumpversagen und Rhythmusstörungen die Folge sein können.

Forscher um Ludwig Thierfelder vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin und auch das Team von Werner Franke haben mehrere dieser Gene identifiziert. Im aktuellen New England Journal of Medicine stellen Ärzte aus Italien und Harvard einen neuen Test für die häufigste Form der erblich bedingten Herzmuskelschwäche vor (Bd.360, S.1075, 2009).

"Entsprechende Tests sollte man international vereinheitlichen oder wenigstens europaweit verbindlich machen", sagt Franke. Vor kurzem haben führende Forscher einen Leitfaden erstellt, wie die Ursache plötzlicher Todesfälle während der Obduktion genauer erforscht werden kann ( Virchows Archiv, Bd.452, S.11, 2008).

Etliche Medikamente, die Sportler einnehmen, können das Herz ebenfalls schädigen - darunter manche Antibiotika und Anti-Virenmittel. Natürlich könnte auch Doping für viele Tote im Sport verantwortlich sein, "aber wie groß der Einfluss ist, weiß keiner so genau", sagt Martin Halle. Das in der Doping-Szene bekannt gewordene Erythropoietin (Epo) erhöht die Menge roter Blutkörperchen und verdickt das Blut. Dies kann zu Thrombosen in den Kranzgefäßen und einer Mangeldurchblutung des Herzmuskels führen.

Nicht adäquat aufgearbeitet

"Mich ärgert, dass im Radsport verschwiegen wird, dass sich um 1990 und um 2000 die Todesfälle häuften", sagt Franke. Um 1990 setzte sich Epo in der Radfahrer-Szene durch. Von 2000 an konnte Epo besser nachgewiesen werden und einige Fahrer stiegen auf die mindestens so gefährliche Praktik um, sich Eigenblut zu spritzen. "In keinem Fall wurde das adäquat aufgearbeitet", sagt Franke.

Die Diagnose Kardiomyopathie im Nachhinein - die auch bei dem Leichtathleten René Herms gestellt wurde - "kommt oft aus dem hohlen Bauch", bemängelt der Doping-Experte. 800-Meter-Läufer Herms war am 9. Januar 2009 tot in seiner Wohnung aufgefunden worden. Am 19. Februar 2009 starb die polnische Hammerwurf-Olympiasiegerin Kamila Skolimowska im Trainingslager, Todesursache noch ungewiss.

Vom plötzlichen Herztod sind nicht nur Profiathleten bedroht. Freizeitsportler sollten argwöhnisch werden, wenn sie über plötzliche Luftnot und Brustschmerzen während Belastung klagen oder ihnen schwindelig wird. Steigt der Puls in Ruhe grundlos an, sollte ebenfalls der Arzt aufgesucht werden. Manche Sportler bringen sich auch während des Wettkampfs in Gefahr.

Auch zu viel trinken ist gefährlich

Zwar ist es gefährlich, während Ausdauerleistungen in großer Hitze zu wenig zu trinken. Untersuchungen während des Boston-Marathon ergaben jedoch, dass viele Sportler zu viel getrunken hatten und überwässert waren.

Der Überschuss an Flüssigkeit brachte die Konzentration von Elektrolyten wie Kalium, Kalzium und Natrium im Blut durcheinander. Dies führte bei einigen Athleten zu Herzrhythmusstörungen, andere bekamen Bewusstseinstrübungen und waren der Ohnmacht nahe.

Gründliche Tests vor intensiver sportlicher Tätigkeit empfehlen alle Ärzte. Doch gerade die Risiken der Profis werden nicht immer erkannt. "Kommt ein Superathlet in eine Praxis, die nicht für Sportmedizin spezialisiert ist, wird oft nur gestaunt, wie viel der auf dem Ergometer-Rad leistet", sagt Martin Halle. "Ist dann das EKG etwas auffällig, heißt es oft: Der ist so fit, der wird schon nichts haben."

© SZ vom 14.03.2009/mcs - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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