Sawicki - Dorn im Auge der Industrie:Pharmawächter muss gehen

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Wegen einer Dienstwagenaffäre muss Deutschlands oberster Pharmakontrolleur Sawicki seinen Posten räumen. Doch die Opposition vermutet etwas anderes dahinter: schwarz-gelbe Klientelpolitik.

Seit der Übernahme des Postens als Deutschlands oberster Arnzeimittelprüfer ist Peter Sawicki den Pharmakonzernen ein "Dorn im Auge", wie er selbst sagt. Denn Sawicki ist unbequem. Als Leiter des 2004 neu gegründeten Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) zeigte er sich konsequent als Interessenvertreter der Versicherten gegenüber der Arnzeimittelindustrie und als Gegner eines ausufernden Gesundheitswesens.

Unbequemer Arzneimittelprüfer: Peter Sawicki. (Foto: Foto: dpa)

Er beurteilte zahlreiche neu auf den Markt kommende Medikamente als Scheininnovationen, prangerte das Verschweigen von Studiendaten an oder wandte sich gegen ausufernde Untersuchungen, vor allem bei Privatpatienten. Doch damit ist es nun bald vorbei. Nun wird Sawicki abgelöst - offiziell wegen einer Dienstwagenaffäre.

"Ich höre zum 31. August auf", sagte Sawicki in Berlin. Dies sei das Ergebnis einer Vorstandssitzung der Institutsstiftung am Freitag. Freiwillig geht der Arzneimittelprüfer nicht. Er hätte gerne weitergemacht, sagte Sawicki.

Doch Vorstand und Stiftungsrat des IQWiG entschieden sich anders. Sie wollen den Vertrag des 52-jährigen Wissenschaftlers, der am 31. August ausläuft, nicht verlängern. In einer Erklärung würdigen sie die geleistete Aufbauarbeit und die bisherige Ausrichtung des Instituts.

Doch wollten sie die "hervorragenden inhaltlichen Leistungen des Instituts" nicht weiter durch Diskussionen um ordnungsgemäße Verwaltungsabläufe belasten. Deshalb sei die Einsetzung eines neuen Leiters im September notwendig.

Befürchtungen der Opposition

Für den Abgang Sawickis stimmten auch die Vertreter der Gesetzlichen Krankenkassen im Vorstand. Das sagte Florian Lanz, Pressesprecher des Spitzenverbandes der Gesetzlichen Krankversichung (GKV) sueddeutsche.de. Der Tagesspiegel hatte zuvor gemeldet, dass die Kassenvertreter den pharmakritischen Institutschef gern gehalten hätten, sich aber nicht gegen Ärzte, Krankenhäuser und Gesundheitsministerium durchsetzen konnten.

Die Arbeit Sawickis habe den Gesetzlichen Krankenkassen gut gefallen, sagte Lanz weiter. Doch sei es darum gegangen, die Personaldebatte zu beenden, um den Blick auf die gute inhaltliche Arbeit des Instituts wieder freizumachen.

Zu Befürchtungen der Opposition, dass nun ein pharmafreundlicherer Kandidat zum Zug kommen könnte, dessen Entscheidungen für die Kassen und deren Versicherte höhere Kosten bedeuten würden, sagte Lanz: "Jede Neubesetzung muss ja auch mit den Stimmen der Krankenkassen erfolgen. Das stimmt mich optimistisch."

Offiziell ist es ja auch nicht die kritische Linie Sawickis gegenüber den Pharmakonzernen, sondern Beschuldigungen im Zusammenhang mit der Nutzung von Dienstwagen, wegen denen Sawicki abgesetzt wird. Ihm wird vorgeworfen, Autos geleast zu haben, ohne dies ausreichend abgesprochen zu haben. Zudem soll er Abrechnungsfehler gemacht haben.

Sawicki weist die Vorwürfe wegen des Dienstwagenleasings allerdings zurück. "Ich habe rückblickend keine Fehler gemacht", sagte er der Welt. Mit der Institutsverwaltung sei abgesprochen gewesen, dass er sich selbst um die Bestellung des Wagens kümmere. Grundsätzlich soll Sawicki ein Dienstwagen ohnehin zustehen.

Die Opposition vermutet deshalb auch, dass die Gründe für den Fall Sawickis ganz woanders zu finden sind: in der Klientelpolitik der schwarz-gelben Regierung für die Wirtschaft. Gesundheitsminister Philipp Rösler und die FDP hatten schon vor der Bundestagswahl keinen Hehl aus ihrer kritischen Haltung zu Sawicki gemacht - ebenso die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG). Deren Hauptgeschäftsführer Georg Baum ist ebenfalls FDP-Mitglied.

"Rufmordkampagne zu Lasten der Patienten"

SPD-Fraktionsvize Elke Ferner sagte, die Spenden aus der Wirtschaft an die FDP zahlten sich aus. Die Absetzung Sawickis sei ein herber Verlust, da dieser nicht davor zurückgeschreckt sei, sich mit den Pharmakonzernen anzulegen. Die SPD-Parlamentarierin Marlies Volkmer sagte, damit werde die Axt an die Unabhängigkeit des IQWIG gelegt.

Die Grünen-Gesundheitsexpertin Biggi Bender monierte, eine "kritische Pharmastimme" werde mundtot gemacht. Zuvor hatte sie bereits von einer "beispiellosen Klientelpolitik" von Union und FDP gesprochen. Die Absetzung Sawickis beurteilte sie als ein politisches Vorhaben, das durch Vorwürfe über falsche Abrechnungen verschleiert werde.

SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach hatte der Koalition am Donnerstag im Bundestag eine Rufmordkampagne zu Lasten der Patienten vorgeworfen. Er vermutet, dass es sich bei der Ablösung Sawickis um eine rein politische Entscheidung handelt. Sawicki sei wegen seiner verbraucherorientierten Arbeit ohne Rücksicht auf Lobbyinteressen für FDP und Pharmaindustrie "nicht tragbar" gewesen, sagte Lauterbach dem Tagesspiegel. Die Klientelpolitik der schwarz-gelben Koalition habe damit einen neuen Tiefpunkt erreicht, sagte er der SZ.

Die gesundheitspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Martina Bunge, sagte dem Tagesspiegel, mit der Entscheidung würden "alle enttäuscht, die sich ein unabhängiges Gegengewicht zur Übermacht der Pharmakonzerne wünschen". Im Gesundheitssystem laufe künftig alles zum Nutzen der Wirtschaft und auf Kosten der Bürger.

Die schwarz-gelbe Regierung bestreitet allerdings, Änderungen in der Ausrichtung des Prüfinstituts anzustreben. "Eine Lockerung der Prüfregeln soll es nicht geben", sagte Gesundheitsstaatssekretär Stefan Kapferer (FDP) am Donnerstag in Berlin. Zwar müsse die Transparenz der IQWiG-Verfahren immer wieder überprüft werden. Das Institut leiste aber eine notwendige und gute Arbeit. "Der gute Ruf des Instituts darf nicht leiden."

© sueddeutsche.de/AP/dpa/Reuters/gal - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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