Satelliten-Navigationssystem:Weg frei für den Galileo-Neustart

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3,4 Milliarden Euro will die EU in den GPS-Konkurrenten investieren. Noch im Sommer sollen die notwendigen Aufträge ausgeschrieben werden.

Das Europaparlament hat den Weg für einen Neustart des milliardenschweren Raumfahrt-Projekts Galileo freigemacht: Die Abgeordneten billigten auf ihrer Sitzung in Straßburg eine Neuausschreibung der Aufträge für den Aufbau des Satelliten-Navigationssystems. Damit sind alle Voraussetzungen für die Ausschreibung erfüllt, die noch in diesem Sommer erfolgen soll.

Vorbereitungen für den Start: "GIOVE-B" wird vom russischen Raumfahrtzentrum Baikonur in Kasachstan ins All fliegen. (Foto: Foto: AFP)

Die Aufträge müssen zum Teil neu vergeben werden, weil sich die EU mit dem ursprünglich mit dem Aufbau von Galileo beauftragten Industriekonsortium über Haftungsfragen zerstritt.

Als Konsequenz soll der Aufbau des Satelliten-Navigationssystems nun komplett aus öffentlichen Mitteln finanziert werden, die EU plant dafür 3,4 Milliarden Euro bis 2013 ein.

Für die Ausschreibung wurden die Aufträge in Arbeitspakete aufgeteilt: Systemplanung, Bodeneinrichtungen, Kontrollsystem, Satellitenaufbau und Beförderung der Satelliten ins All.

Bereits getätigte Investitionen wie die im Bau befindlichen Bodenkontrollzentren in Oberpfaffenhofen bei München und dem italienischen Fucino sollen bei der Ausschreibung berücksichtigt werden.

Gute Chancen auf einen Auftrag für den Satellitenbau hat die EADS-Tochter Astrium, die bereits den Testsatelliten GIOVE-B für das System konstruierte. Es wird erwartet, dass sich auch der Bremer Raumfahrtspezialist OHB um das Satelliten-Segment bewirbt.

Das Galileo-System - bestehend aus 30 Satelliten und mehreren Bodenstationen - soll bis zum Jahr 2013 betriebsbereit sein. Europa will damit gegen die Vormachtstellung des US-Navigationssystems GPS (Global Positioning System) antreten.

GIOVE-B vor dem Start

Der nächste konkrete Schritt beim Aufbau des Systems ist für Sonntag 00.16 Uhr MESZ geplant. Dann soll der zweite Testsatellit GIOVE-B vom russischen Raumfahrtzentrum Baikonur in Kasachstan ins All starten. Es ist der erste sichtbare Fortschritt nach fast zweieinhalb Jahren Stillstand - GIOVE-A, der erste und bislang einzige Galileo-Satellit, kreist schon seit Dezember 2005 im Orbit.

Die lange Wartezeit habe allerdings auch Vorteile mit sich gebracht, meint Hubert Reile, Galileo-Koordinator beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR): GIOVE-B sei erheblich leistungsfähiger als GIOVE-A. Von einem "Quantensprung" ist bei EADS Astrium in Ottobrunn die Rede, wo der zentrale Bordrechner des Satelliten gebaut wurde: GIOVE-B hat die präziseste Atomuhr an Bord, die je im Weltall getestet wurde. Sie weicht in 24 Stunden maximal um eine Nanosekunde von der tatsächlichen Zeit ab.

Für die Satelliten-Navigation ist das von großer Bedeutung. Denn zur Positionsbestimmung berechnet das Empfangsgerät, das sich etwa in einem Auto befindet, wie lange die Signale unterwegs waren, die es von den Satelliten erhält. Die neue Uhr, die mit GIOVE-B erprobt wird, soll ein mit Galileo verbundenes Versprechen erfüllen: Dass das europäische Navigationssystem besser sein wird als das bislang gebräuchliche Global Positioning System (GPS) der USA.

Galileo soll eine metergenaue Positionsbestimmung ermöglichen. Die Anwendungsmöglichkeiten reichen vom bekannten Navigationsgerät im Auto bis hin zur Unterstützung komplexer Rettungsoperationen. Und: Anders als GPS soll Galileo vom Militär unabhängig sein - während das amerikanische System vom US-Verteidigungsministerium gesteuert wird, soll das europäische in erster Linie zivil genutzt werden.

So sieht "GIOVE-B" aus. Insgesamt 30 Galileo-Satelliten sollen um die Erde kreisen. (Foto: Foto: dpa/ESA/P.Carril)

Ursprünglich sollte das Satelliten-Navigationssystem schon dieses Jahr in Betrieb gehen, nach langen Querelen zwischen den beteiligten Unternehmen und der Politik wird nun Mitte 2013 als Startdatum angepeilt. "Die Einhaltung des weiteren Zeitplans ist sehr, sehr wichtig", mahnt DLR-Experte Reile. Schließlich hätten "eine Menge Firmen schon viel Geld da reingesteckt".

An vier von 30 Satelliten wird gebaut

Tatsächlich wird an den vier ersten der insgesamt 30 Satelliten für das endgültige System bereits gebaut. Wie GIOVE-B werden sie von deutschen und britischen Spezialisten der EADS-Tochter Astrium gemeinsam mit Alcatel Space Industries aus Frankreich, Alenia Spazio aus Italien und Galileo Sistemas y Servicios aus Spanien konstruiert. Und auch die Arbeit an den Bodenkontrollzentren in Oberpfaffenhofen bei München und im italienischen Fucino hat bereits begonnen.

Das Zusammenspiel zwischen diesen Bodenelementen und den ersten vier Satelliten soll von 2010 an erprobt werden. Danach, so fürchtet DLR-Experte Reile, werde es erst richtig kritisch: Die restlichen 26 Satelliten sollten nach dem bisherigen Zeitplan alle in den Jahren 2012 und 2013 auf ihre Umlaufbahn in 23.000 Kilometern Höhe starten, "und das ist einfach von der Masse her eine große Herausforderung", sagt der Wissenschaftler. "Noch nie sind in so kurzer Zeit so viele Satelliten ins All gestartet."

Derzeit verfüge die ESA gar nicht über genug Ariane-Trägerraketen für eine solche Operation, erklärt Reile, und "mehr als sechs bis acht kann man bis dahin gar nicht herstellen". Voraussichtlich müssten deshalb, wie schon beim Start von GIOVE-B, russische Sojus-Raketen eingesetzt oder aber die Ariane-Raketen so umgebaut werden, dass sie viele Satelliten gleichzeitig ins All transportieren könnten.

Dieses Szenario weckt neue Zweifel an der Kostenkalkulation für das Projekt. Reile warnt allerdings davor, diese Berechnungen schon jetzt in Frage zu stellen: "Lassen wir erst mal die Angebote reinkommen", meint der Wissenschaftler mit Blick auf die für den Sommer geplante Ausschreibung der Aufträge.

© AP/Barbara Schäder - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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