Rote Liste:Sind die Pandas wieder da?

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Seit Jahren gelten Chinas berühmte Bären als vom Aussterben bedroht. Nun streiten Naturschützer darüber, ob sich die Population erholt hat.

Jerry Guo

Als er den aufgeregten Ruf eines Park-Rangers hört, kämpft sich Zhan Xiangjiang durch hüfthohe Schneewehen. Der Ökologe vom Institut für Zoologie in Peking findet den Ranger vor einem kleinen grünen Objekt. Der Geruch von frischem Bambus steigt von dem frischen Stück Panda-Kot auf, nicht unangenehm. Auch Fußspuren, Urinmarkierungen an Bäumen und zerkaute Bambusstangen belegen, dass Zhans Team einem Großen Panda auf den Fersen ist.

Experten streiten, ob sich die Zahl der Pandas in China wirklich drastisch erhöht hat (Foto: Foto: AFP)

,,Die Pandas sind wieder da'', erklärt der Biologe. Mitte der achtziger Jahre hatten Wilderer und das Sterben der Bambus-Wälder das chinesische Symboltier bedroht: Auf nur noch 1200 Exemplare schätzten Experten damals den Bestand, der Panda kam auf die Liste bedrohter Tierarten. Erst seit dem Verbot der Abholzung 1999 steigt die Zahl der Tiere wieder. Zhan hat aus Kotspuren, deren Erbgut er untersucht hat, berechnet, dass in China bereits wieder 3000 Große Pandas leben könnten - doppelt so viele wie vor knapp zehn Jahren.

Diese Analyse trifft jedoch auf harsche Kritik. ,,Das erscheint einfach absurd'', sagt David Garshelis, der beim Weltnaturschutzbund IUCN für Bären zuständig ist; so schnell könnte die Population nicht gewachsen sein. ,,Die Situation ist wirklich viel besser geworden'', beharrt dagegen Jiang Shiwei, der Vize-Direktor des Wanglang-Reservats, wo Zhan mit dem Ranger die Pandas verfolgt. ,,Wir haben jedes Jahr Bevölkerungszuwachs und neue Junge.''

Ein Zuchtprogramm soll die wilde Population stärken

Zhan nimmt ein Stück Kot in die Hand; es schimmert im Sonnenlicht. ,,Die glänzende Schicht ist Schleim'' - und voller DNS, freut sich der Biologe. Um abzuschätzen, wie viele der scheuen Tiere in Wanglang leben, hat Zhan in den Jahren 2003 und 2004 die Gegend durchkämmt und Panda-Kot gesucht. Fast wäre er zum Opfer des eigenen Eifers geworden, als er 2004 stürzte und sich das Rückgrat brach. Trotz einer rauen Reise von 400Kilometern nach Chengdu in die Klinik ist er nicht gelähmt; nach drei Monaten war er damals wieder im Wald.

Zhans Team untersuchte das Erbgut aus den Kotproben und veröffentlichte das Ergebnis 2006: Demnach leben im Reservat mindestens 66 Große Pandas - ein großer Sprung von 27 in der offiziellen Zählung von 1998. Damals hatten die Forscher die Produzenten des Kots nach der Längenverteilung der darin enthalteten Bambusstücke unterschieden. So waren landesweit 1596 schwarz-weiße Bären in 60 Schutzgebieten identifiziert worden. Zhan argumentiert, dass diese Angabe zu niedrig war.

Garshelis und fünf Kollegen kritisieren die Zahlen des chinesischen Forschers jedoch in einem unveröffentlichten Leserbrief an das Fachjournal Current Biology, wo Zhans DNS-Analyse erschienen war. ,,Es gibt doch nur einen Datenpunkt, mit dem das ganze Verbreitungsgebiet hochgerechnet wird'', sagt Garshelis. Und an diesem einen Datenpunkt - dem aus Wanglang - gebe es Zweifel. Das Reservat sei als Lebensraum für so viele Pandas zu klein.

Eine Verdopplung des Bestands in Wanglang sei unmöglich, sagt auch Wang Dajun von der Universität Peking. Das Habitat sei bis 1998 geschrumpft, bevor das Verbot des Holzeinschlags in Kraft trat. Satellitenbilder von 1990 und 2000 zeigen einen Grad an Entwaldung, der schädlich für die Pandas gewesen sein müsse. Reservats-Manager Jiang entgegnet, die Zersplitterung des Lebensraums sei in Wanglang kein Problem; sie treffe nur kleinere Schutzgebiete.

Die Unsicherheit führt dazu, dass der Große Panda auf der Roten Liste der bedrohten Tiere bleibt. Die Naturschützer beruhigt nämlich auch nicht, wie erfolgreich chinesische Forscher in Wolong Pandas in Gefangenschaft züchten. Es ist das berühmteste Schutzgebiet Chinas, 500 Kilometer südwestlich von Wanglang. Mehr als 100000 Touristen besuchen es jedes Jahr. Manche Artenschützer glauben, das Zuchtprogramm könne die wilde Population stärken. Andere sind skeptisch: ,,Der Schlüssel ist, den Lebensraum zu schützen'', sagt Lu Zhi vom chinesischen Büro der Hilfsorganisation Conservation International. ,,Sie können sich selbst fortpflanzen.''

Mehr als 30 Pandababys in einem Jahr

Der Direktor von Wolong, Zhang Hemin, hat dennoch große Pläne. Statt heute 120 Tiere will er im kommenden Jahrzehnt 300 halten. Eine Gruppe dieser Stärke könne das Überleben des Pandas in das 22. Jahrhundert sichern und die genetische Vielfalt zu 95Prozent erhalten. Wo es früher eine Medien-Sensation war, wenn ein Panda-Junges in Gefangenschaft geboren wurde, hat das Programm in Wolong im vergangenen Jahr mehr als 30 Geburten registriert. Durch künstliche Befruchtung soll die Zahl dieses Jahr noch höher steigen. Zehn bis zwanzig Tiere pro Jahr könne man in Zukunft auswildern.

Damit haben die Artenschützer bislang aber keine guten Erfahrungen gemacht. Im April 2006 setzen sie Xiangxiang aus, ein fünf Jahre altes Männchen. Im Dezember hat ein Konkurrent ihn so schwer verletzt, dass er ins Panda-Krankenhaus musste. Und Ende März 2007 war der Bär tot - offenbar nach Kämpfen mit Artgenossen von einem Baum gefallen.

Im Wanglang-Park kehrt unterdessen Zhan Xiangjiang ins Tal zurück, ohne einen Panda gesehen zu haben. Fasane mit blauen Ohren sind die dramatischste Beobachtung des Tages. Das ist nicht unbedingt schlecht, sagt Zhan. Es bedeutet, dass die Pandas oben in den Bergen sind, tief im Bambuswald, für einen weiteren Tag sicher vor Menschen.

(S.Z. vom 18.5.2007)

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