Plattentektonik:Ein Knacken unter dem Ozean

Die Bewegung der Erdoberfläche bietet noch immer manche Überraschung. Zum Beispiel die Erkenntnis, dass offenbar der Boden des Pazifischen Ozeans zerbricht und Kalifornien zur Vulkanlandschaft werden könnte.

Axel Bojanowski

Der Boden des Pazifischen Ozeans zerbricht. Die größte tektonische Platte der Erde beginne, sich nahe des Äquators von Ost nach West zu spalten, berichten zwei Geologen aus Chile. Der Meeresboden sei so stark unter Druck, dass er aufreiße. Der Pazifikboden bewegt sich im Norden schneller als im Süden.

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(Foto: Foto: dpa)

Dort wird er an seinen Rändern, wo er unter die Nachbarplatten abtaucht, stärker gebremst als im Norden. Wie bei einem Papier, das auf seiner unteren Hälfte festgehalten und oben geschoben wird, baue sich in der Mitte daher große Spannung auf, schreiben Valérie Clouard und Muriel Gerbault von der Universität Santiago im Fachblatt Earth and Planetary Science Letters (Bd.265, S.195, 2008).

Der Meeresgrund ist durchlöchert

Die neue Teilungslinie im Pazifik würde die Erdplatten-Bewegungen neu ausrichten. Der Meeresboden schöbe sich von der neuen Bruchzone aus nach Nord und Süd. Im Norden gelangte er unter den Nordamerikanischen Kontinent. In der Tiefe bildete sich Magma - Kalifornien würde zur Vulkanlandschaft.

"Das ist eine plausible These", sagt Wolfgang Frisch von der Universität Tübingen. Auch an anderen Orten könnte die Erdkruste so unter Spannung stehen, dass sie womöglich aufreiße, sagt der renommierte Geologe. Der Grund des Indischen Ozeans werde zum Beispiel im Norden entlang einer Linie von vielen 100 Kilometern regelmäßig von rätselhaften Erdbeben erschüttert. Die leichten Erschütterungen könnten die Vorboten einer Spaltung sein, sagt Wolfgang Frisch.

Entlang der nun identifizierten Bruchlinie im Pazifik wurden zwar keine ungewöhnlichen Erdbeben gemessen. Doch gibt es dort offenbar noch deutlichere Anzeichen der Spaltung als im Indischen Ozean. Der Meeresgrund sei dort bereits durchlöchert, schreiben Clouard und Gerbault. Der Weg für Magma aus dem Untergrund sei freigeworden, weshalb Vulkaninseln entstanden seien, beispielsweise Polynesien und die Cook-Inseln.

Wie ein Reißverschluss

Die Entstehung der Eilande wurde bislang mit der Hot-Spot-Theorie erklärt. Magma-Schlote - so genannte Hot-Spots, also heiße Flecken - steigen aus knapp 3000 Kilometer Tiefe auf und perforieren wie Schweißbrenner den Meeresboden, der über sie hinwegdriftet. Dabei soll eine Vulkaninsel nach der anderen entstanden sein.

Doch Clouard und Gerbault haben nun auf Grundlage von Daten der GPS-Navigationssatelliten die Bewegung der Pazifikplatte am Computer simuliert und kommen zu einem anderen Schluss.

Dort, wo sich die Inseln erheben, sei die Spannung in der Erdkruste am größten. Der Meeresboden breche, Magma steige auf und lasse die Inseln wachsen. Die heißen Flecken lieferten wohl tatsächlich das Magma, so Clouard und Gerbault. Ohne die nun angenommene Bruchlinie wären die Vulkaninseln aber an anderer Stelle entstanden.

Dass die Erdkruste entlang von heißen Flecken geteilt werden kann, zeigt sich im Atlantik. Der Ozean ist entstanden, als im Zeitalter der Dinosaurier vor rund 120 Millionen Jahren große Mengen Magma an vielen Punkten die Kruste spalteten. Zunächst durchbrach zwischen Afrika und Südamerika ein Magma-Schlot die Erdoberfläche.

Wie ein Reißverschluss setzte sich der Riss nach Norden fort, als auch dort nach und nach heiße Flecken die Kruste teilten. Das Alter von Magma-Gesteinen am Meeresgrund zeigte, dass sich der Atlantik in Schüben geöffnet habe, berichtet unlängst eine Gruppe um Dieter Franke von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe im Fachblatt Marine Geology (Bd.244, S.46, 2007).

Doch nicht nur Magma-Schweißbrenner, auch angestaute Spannung spielte bei der Spaltung der Erdkruste eine Rolle, berichten nun Clouard und Gerbault. Unterschiedlicher Druck innerhalb einer Erdplatte kann dazu führen, dass sie sich an verschiedenen Stellen mit unterschiedlicher Geschwindigkeit bewegt.

Beispielsweise nähert sich Tschechien mit drei Millimetern pro Jahr Skandinavien, obwohl beide auf der Eurasischen Platte liegen. In Deutschland wirkt sich vor allem der Druck der Afrikanischen Erdplatte aus, die sich mit zwei Zentimetern pro Jahr nach Norden unter Südeuropa schiebt. Kilometertiefe Bohrlöcher, die sich allmählich verformen, haben bewiesen, dass im Boden Deutschlands starke Kräfte herrschen.

Bislang glaubten Wissenschaftler jedoch, die Auswirkungen solcher Deformationen blieben regional begrenzt. Das sei ein Trugschluss, wie Clouard und Gerbault nun zeigen. Die platteninternen Kräfte können ihrer Studie zufolge weitaus größere Wirkung entfalten als gedacht.

In fünf Millionen Jahren könnte der Pazifikboden vollständig zerrissen sein, haben die Wissenschaftler berechnet - dann wäre ein Mittelozeanischer Rücken entstanden. Mittelozeanische Rücken sind die Motoren der Plattenbewegungen: Fortwährend quillt Lava heraus und härtet zu frischer Erdkruste. Beidseits davon driften Erdplatten auseinander.

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