Papierrecycling:Fernöstlicher Müllschlucker

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China als Umweltschützer? Das Land kauft verrottende Papierreste aus aller Welt - und schont damit die Wälder.

Felix Ruhland

Die chinesische Papierrecycling-Industrie trägt maßgeblich dazu bei, dass weltweit weniger Bäume gefällt werden. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie von Forest Trends, einer internationalen, nichtstaatlichen Umweltschutzorganisation.

Zhang Yin wurde mit Recyling zur reichsten Frau Chinas: Sie gründete "Nine Dragons Paper". (Foto: Foto: AP)

Zusammen mit einem australischen Marktforschungsinstitut untersuchte Forest Trends die Entwicklung der chinesischen Papierindustrie. Mit Beginn des Wirtschaftsbooms am Anfang der 1990er Jahre stieg die Nachfrage nach Papier in China rasant an.

2005 wurden 56 Millionen Tonnen Papier produziert. Aufgrund des wachsenden Bedarfs an Faserstoffen, die für die Herstellung nötig sind, importiert China riesige Mengen Altpapier. Insbesondere die mindere Qualität des inländischen Altpapiers - chinesisches Papier enthält einen hohen Anteil von Faserstoffen aus Stroh, Blättern und Abfällen der Zuckerrohrgewinnung - zwingt zu Einkäufen aus dem Ausland. Im vergangenen Jahr importierte China annähernd 20 Millionen Tonnen Altpapier. Der größte Teil kam aus den USA, gefolgt von Europa und Japan.

Weltgrößter Konsument

Wie aus der Forest-Trends-Studie hervorgeht, bestehen 60 Prozent des gesamten in China hergestellten Papiers aus recyceltem Altpapier. In den vergangenen zehn Jahren hat sich der Import von Altpapier mehr als verfünffacht - auf 19,9 Millionen Tonnen im Jahr 2006. "China ist bei weitem der weltgrößte Konsument von Altpapier", sagt Brian Stafford, Autor der Studie.

Die immense Nachfrage des bevölkerungsreichsten Landes der Erde hat innerhalb von vier Jahren verhindert, dass 65 Millionen Tonnen Altpapier auf amerikanischen Mülldeponien verrotteten. Die USA sind der größte Papierproduzent der Welt. Der begehrte Rohstoff Altpapier wird von der chinesischen Papierverwertungsindustrie gekauft und wieder verwertet.

Zhang Yin ist ein Beispiel dafür, dass das Geschäft mit dem Müll äußerst lukrativ ist. Ihr Unternehmen, Nine Dragons Paper, welches in großem Stil Altpapier in den USA einkauft und in China zu Verpackungsmaterial umwandelt, machte sie zu einer der reichsten Frauen des Landes. Weil China immer mehr Altpapier nutzt, statt Bäume für die Gewinnung von Fasern zu fällen, wurden allein im vergangenen Jahr knapp 54 Millionen Tonnen Holz vor dem Kahlschlag bewahrt.

Raubbau in Indonesien und Russland

Doch Brian Stafford mahnt zur Vorsicht: "China bezieht gleichzeitig beträchtliche Mengen an Holzfasern von Ländern, in denen eine nachhaltige Forstwirtschaft nicht gewährleistet wird. "Hier liege die größte ökologische Herausforderung der nahen Zukunft. Es müsse unbedingt verhindert werden, dass die steigende Nachfrage nach Fasern auf Kosten noch intakter Wälder gehe. Vor allem in Indonesien und in Teilen Russlands werde Raubbau betrieben. Häufig gelange aus diesen Ländern illegal geschlagenes Holz auf den Weltmarkt.

Forest Trends schlägt daher vor, dass Chinas Papierfabriken Rückverfolgungssysteme wie etwa das des Forest Stewardship Council oder des Tropical Forest Trust für das importierte Holz einführen. Die gemeinnützigen Organisationen kontrollieren die gesamte Produktionskette, um sicherzustellen, dass das Holz nur aus genehmigten Abbaugebieten kommt. Auch müsse China unbedingt weiter in moderne Altpapier-Verarbeitungsanlagen investieren, um die wachsende Nachfrage nach Fasern decken zu können.

In Deutschland hat der Altpapierverbrauch Chinas weniger ökologische als ökonomische Folgen. Deutschland exportierte im Jahr 2006 insgesamt 3,1 Millionen Tonnen Altpapier, 840.000 Tonnen davon nach China. Für die heimische Papier-Recyling-Industrie wirken sich die wachsenden Exporte aus Europa in den Fernen Osten jedoch nicht unbedingt positiv aus, denn sie verknappen das Angebot und lassen die Preise kräftig steigen.

© SZ vom 24.7.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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