Organspenden:Tödliche Spenden-Angst

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Fast 70 Prozent der Deutschen würden einer Organentnahme nach ihrem Tod zustimmen. Doch nur zwölf Prozent haben einen Spenderausweis. Das führt zu einem tödlichen Mangel an Spenderorganen.

Nina von Hardenberg

Angefangen hat alles mit den Röteln. Die meisten Patienten bekommen während dieser Kinderkrankheit rote Flecken und Fieber - Bruno Kollhorst, 35, aber holt sich zusätzlich eine Herzmuskelentzündung. 2004 bricht er in seinem Büro zusammen. Es folgen Operationen, die sein krankes Herz aber nicht mehr heilen können.

Spenderorgane werden in speziellen Kühlboxen transportiert. (Foto: Foto: dpa)

Kollhorst trägt sich auf einer Warteliste ein, gemeinsam mit 12000 Schwerkranken hofft er fortan auf ein Spenderorgan. Er ist ein Hochrisikopatient: Sein Herz pumpt nicht mehr, es zuckt nur noch. "Die Ärzte haben mir gesagt, zwei Wochen später wäre das nichts mehr geworden", sagt er.

Doch dann kommt der rettende Anruf. Das war vor knapp drei Jahren. Nun sitzt Kollhorst im Saal der Bundespressekonferenz und erzählt von seinen Zukunftsplänen. Er hat ein Haus gekauft, will heiraten und Kinder kriegen.

Es ist eine Geschichte mit Happy End. Darum eignet sie sich so gut für die Kampagne, die jetzt in Berlin vorgestellt wurde. Unter dem Motto "Fürs Leben" wirbt die Deutsche Stiftung für Organtransplantation (DSO) für eine höhere Spendenbereitschaft in Deutschland. Denn längst nicht alle Geschichten von Menschen mit Organversagen enden gut.

Zwar erhielten 2007 mehr als 4000 Menschen ein Organ eines hirntoten Spenders, doch drei Mal so viele Patienten warten noch immer. Jeden Tag sterben durchschnittlich drei Menschen, weil für sie ein Organ nicht rechtzeitig zur Verfügung steht. Sie sterben an "akutem Organspende-Versagen", wie es der Medizinrechtler Hans Lilie ausdrückt.

Deutschland schöpft sein Spendenpotential nicht aus, darüber sind sich Experten einig. So befürworten zwar 80 Prozent der Deutschen in Umfragen der DSO Organtransplantationen, und fast 70 Prozent geben an, sie würden einer Organentnahme nach ihrem Tod zustimmen. Doch nur 12 Prozent haben einen Spenderausweis. Auch im europäischen Vergleich steht Deutschland schlecht da: 2007 wurden pro Million Einwohner 16 Organe gespendet - halb so viel wie im führenden Land Spanien.

Das Thema gehe alle an, mahnte denn auch Kanzlerin Angela Merkel bei der Vorstellung der Informationskampagne. Eine Entscheidung für Organspende sei eine Entscheidung für das Weiterleben von Mitmenschen. Mit Großflächenplakaten in 17 großen Städten will die DSO nun die Aufmerksamkeit für das Thema Organspende wecken.

Ein Problem sind die Krankenhäuser. Viele von ihnen melden nicht, wenn sie potentielle Organspender haben. Die Kliniken klagen über eine zu geringe Aufwandsentschädigung: Für Transplantationen erhalten sie laut DFO je nachdem, ob nur eine Beratung stattfand oder Organe entnommen wurden, 300 bis 3000 Euro. Auch sind die Gespräche mit Angehörigen eine zusätzliche Belastung, weshalb manche Ärzte Transplantationen zu Gunsten der Versorgung von Akut-Patienten vernachlässigen. Einige Bundesländer haben deshalb ihre Kliniken gesetzlich verpflichtet, Transplantationsbeauftragte zu benennen. Doch bislang gelten solche Regeln nur in acht Ländern.

Auch ist das Thema immer noch mit Tabus belastet. Viele Menschen scheuen sich davor, einen Organspendeausweis auszufüllen, weil sie sich dafür mit ihrem eigenen Tod auseinandersetzen müssen. Hier setzt die Kampagne an. Sie will über das Leben reden und nicht über den Tod. "Wenn ich einmal Kinder habe, dann nur, weil irgendjemand einen Organspendeausweis ausgefüllt hat", sagt Kollhorst.

© SZ vom 07.06.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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