Neurowissenschaften:Gehirn bei der Arbeit

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Einzelne Nervenzellen zeigen spezifische Muster der Aktivierung. Forscher verdeutlichen, wie Erregung bei veränderten Bildern moduliert wird. Ist dies die Basis für Assoziationen und Gedächtnis?

Von Werner Bartens

Für Hirnforscher muss es ein Traum sein, was Neurowissenschaftler um Matias Ison im Fachblatt Neuron vom heutigen Donnerstag beschreiben (Bd. 87, S. 1, 2015). Sie haben gleichsam dem Gehirn bei der Arbeit zugesehen und erkannt, wie einzelne Nervenzellen zur Entstehung von Assoziationen beitragen und damit ein Gedächtnis bilden können. Weil sie die veränderten Erregungsmuster einzelner Zellen bei lebenden Menschen aufgezeichnet haben und es fünf Jahre dauerte, bis sie so weit waren, sprechen die Wissenschaftler selbst von einer "spektakulären Entdeckung".

Das Team von der Universität Leicester und der University of California in Los Angeles hatte 14 Patienten mit schwerer Epilepsie Elektroden im Gehirn implantiert, um das Zentrum des Krampfgeschehens für eventuelle chirurgische Eingriffe zu lokalisieren. Auf diese Weise ließen sich im Schläfenlappen die Erregungsmuster von mehr als 600 einzelnen Neuronen aufzeichnen. Die Probanden bekamen Bilder gezeigt, auf denen verschiedene Prominente oder berühmte Bauwerke zu sehen waren, woraufhin die Nervenzellen spezifisch feuerten. Jeder Eindruck führte zu einer charakteristischen Erregung.

In der nächsten Versuchsreihe wurden Bildeindrücke kombiniert; so war beispielsweise Clint Eastwood vor dem schiefen Turm von Pisa zu sehen oder Tiger Woods vor dem Weißen Haus. Erstaunlicherweise änderten jene Neuronen, die beim Anblick der Prominenten aktiv waren, ihre Aktivität genau in dem Moment, in dem die Prominenten mit Bauwerk zu sehen waren. Zudem stellte sich die Veränderung schon mit dem ersten Eindruck ein, es war keine Wiederholung nötig. Diese Fähigkeit zur Assoziation könne nach Ansicht der Forscher die neurologische Basis für die Gedächtnisbildung sein. "Hier zeigt sich, wie einzelne Neuronen selektiv Reize aufnehmen, ihre Aktivität verändern und die Erinnerung erweitert wird", sagt Matias Ison. "Auf diese Weise entsteht ein Kontext, Assoziation werden hergestellt und Gedächtnisinhalte geprägt."

© SZ vom 02.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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