Neue Energien:Die dritte Revolution

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Wasserstoff wird die Welt antreiben. Die Autos waren erst der Anfang: Als nächstes sollen umweltfreundliche Wasserstoff-Brennstoffzellen die Akkus in Laptop, Handy und Ipod ersetzen.

Jeremy Rifkin

Es dauert nur noch zwölf bis achtzehn Monate, dann beginnt eine neue Ära der kommerziellen Energienutzung, die die Welt verändern wird. Wir müssen uns darauf vorbereiten, das Potenzial der neuen Technik auszunutzen. Die Gründe für den Umstieg sind offensichtlich.

Nicht nur auf der Erde, sondern auch im Weltraum ist der Energielieferant allgegenwärtig. Die Aufnahme des Hubble-Teleskops zeigt eine leuchtende Wasserstoff-Gaswolke. (Foto: Foto: dpa)

Wir sind zurzeit Augenzeugen der globalen Erwärmung. Die Ölpreise liegen bei 67 Dollar pro Barrel Rohöl, und die globale Wirtschaft wird gebremst, weil Produzenten wie Konsumenten den Gürtel in Erwartung noch höherer Energiepreise in den kommenden Monaten und Jahren enger schnallen. Die Menschheit muss dringend einen Ausweg aus der Öl-Ära finden, um die Zukunft der Zivilisation zu sichern.

Trotzdem setzen die großen Energie- und Stromkonzerne auf ihr hergebrachtes Wirtschaftsmodell; nachhaltig genutzten alternativen Energieformen widmen sie nur kraftlose Worte und schmale Forschungs- und Entwicklungsbudgets.

Die Revolution, von der niemand weiß

Schlimmer noch: Viele Politiker orientieren sich an der Vergangenheit, sie sprechen von einer Renaissance der Kernkraft und setzen verstärkt auf Kohle, Ölsände sowie Schweröl - drei schmutzige Energiequellen, die das Treibhausgas Kohlendioxid freisetzen.

Während aber die Politik-Junkies ratlos sind und Experten die Hände ringen, bahnt sich auf dem Weltmarkt eine Revolution in der kommerziellen Energieerzeugung an - und fast niemand weiß etwas darüber außer ein paar Insidern.

Lasst uns also tragbare Kartuschen mit Wasserstoff-Brennstoffzellen willkommen heißen. Sie werden unsere Vorstellung von Energienutzung umwälzen, das Netz des Handels sowie die politischen und sozialen Beziehungen der Menschen, genauso wie es die mit Kohle gespeiste Dampfmaschine im 19.Jahrhundert getan hat und der mit Benzin betriebene Verbrennungsmotor im 20. Jahrhundert.

Vom Misthaufen in den Laptop

Firmen wie Hitachi, Toshiba, Samsung, Canon, Sanyo, Sony, Panasonic, NEC, Mitsubishi, Fujitsu, Sharp und Olympus liefern sich einen harten Wettkampf, kleine Wasserstoff-Brennstoffzellen auf den Markt zu bringen, um die traditionellen Batterien und Akkus zu ersetzen.

Elektronische Geräte wie Laptop-Computer, Organizer, Handys, Kameras für Digitalbilder und Videos, MP3-Spieler oder tragbare Spielkonsolen würden daraus ihre Energie beziehen. Astronauten gewinnen auf diese Weise seit 30 Jahren Strom für ihre Raumschiffe. Der große Vorteil der Wasserstoff-Brennstoffzellen ist, dass sie keine Abgase erzeugen. Die einzigen Nebenprodukte der Stromerzeugung sind Wärme und Wasser. Für Astronauten sind die Zellen daher auch die Hauptquelle für Trinkwasser.

Die erste Generation der Energie-Kartuschen nutzt vor allem Methanol als Brennstoff. Diesem Alkohol wird der Wasserstoff entzogen, um die Zelle zu betreiben und Strom zu gewinnen. Dabei wird das Treibhausgas Kohlendioxid freigesetzt, aber das ist nur ein Problem, wenn wie bisher das meiste Methanol mithilfe von Öl oder Kohle gewonnen wird.

Technische Fortschritte aber machen erneuerbare Quellen für Methanol zu einer wirtschaftlichen Alternative, dann wäre der Einsatz von Methanol klimaneutral. Der Alkohol wird zunehmend aus Methangas gewonnen, das in Mülldeponien entsteht, aus Schweinemist, Zuckerrüben, Reisstroh oder sogar Treibholz.

Wasserstoff schwebt nämlich nicht in der Luft, er muss aus anderen Materialien gewonnen werden. Sich dabei auf fossile Brennstoffe zu verlassen, verlängert nur die Abhängigkeit vom Öl. Wasserstoff hingegen direkt aus Biomasse zu gewinnen, oder erneuerbare Energieformen - Sonnen-, Wind- oder Wasserkraft sowie Erdwärme - zu nutzen, um Strom zu gewinnen und damit Wasserstoff aus Wasser zu erzeugen, ist der Anfang einer grünen Wasserstoff-Ära.

Billige Kraftpakete

Die ersten Kartuschen mit Wasserstoff-Brennstoffzellen werden im Jahr 2007 in den Läden stehen. Sie werden Laptop-Computern Energie für Tage liefern, wo bisherige Batterien nur wenige Stunden durchhalten. Tragbare Brennstoffzellen hätten genug Energie, um Handy-Dauertelefonate von 20 Stunden zu führen. IPods könnten mit einer Wasserstoff-Kartusche 80 Stunden lang Musik abspielen.

Eine solche Zelle hätte 20 bis 30 mal so viel Energie wie eine Batterie und würde wahrscheinlich zwei bis drei Dollar (1,70 Euro bis 2,50 Euro) kosten, sobald sie weltweit im Handel wäre. Kein Wunder, dass die großen Elektronikkonzerne begierig sind, als Erste damit auf dem Markt zu sein. Das wirtschaftliche Potenzial ist enorm.

Wasserstoffbetriebene Brennstoffzellen sind der Durchbruch, den eine zunehmend vernetzte Generation von Nutzern digitaler Technik braucht, um weiterhin autonom und mobil zu bleiben. Daher stößt die Verbindung von tragbarer Elektronik und Wasserstoff-Technologie eine Tür auf, die zu lange verschlossen war. Sie leitet die dritte industrielle Revolution ein, deren wirtschaftliche Effekte sich in der gesamten Ökonomie noch bis weit in die zweite Hälfte des 21. Jahrhunderts und darüber hinaus entfalten werden.

Elektrofahrräder für Millionen

Was kommt danach? Achten Sie auf Wasserstoff-getriebene Fahrräder und dreirädrige Last-Rikschas mit Elektromotoren! Die deutsche Firma Masterflex hat bereits die erste Generation solcher Gefährte entwickelt und will in diesem Jahr mit Straßentests beginnen. Die Reichweite soll bis zu 250 Kilometer betragen - weit mehr als bei Fahrrädern mit Elektrohilfsmotor und wieder-aufladbaren Batterien.

Wenn sie 25 Kilometer pro Stunde schnell sind, werden die Wasserstoff-betriebenen Zwei- und Dreiräder zu einer preiswerten und abgasfreien Alternative für Menschen auf der ganzen Welt. Die amerikanische Firma Manhattan Scientifics bereitet ihre Fahrzeuge bereits für den asiatischen Markt vor, wo Fahrräder und Motorroller das wichtigste Transportmittel für Millionen Menschen sind. In absehbarer Zukunft ist zu erwarten, dass Fahrrad-Läden in China Wasserstoff als Treibstoff anbieten.

Auch die großen Autofirmen entwickeln Wasserstoff-Autos, -Busse und -Lastwagen. Sie werden zurzeit in Europa, Nordamerika und Japan im Straßenverkehr getestet. Toyota, Honda und General Motors haben schon angekündigt, dass die ersten kommerziell kalkulierten Fahrzeuge in kleinen Serien 2010 bis 2012 in den Autohäusern stehen. (BMW hingegen plant schon vorher ein Fahrzeug der 7er-Serie anzubieten, dessen Verbrennungsmotor mit Wasserstoff betrieben wird, Red.).

Stationäre Brennstoffzellen werden außerdem zunehmend als Reserveaggregate genutzt, um Zeiten zu überbrücken, in denen der Stromverbrauch besonders hoch ist oder in denen Elektrizität aus dem Netz besonders teuer ist. Sie dienen auch als Vorbereitung für den Notfall. Als im Jahr 2003 große Stromausfälle den Nordosten und mittleren Westen der USA trafen und die New Yorker Skyline verlosch, da hatte ein neues Hochhaus am Times Square Strom für Licht und Bürotechnik, weil es ein Minikraftwerk mit Brennstoffzellen-Technik enthielt.

Wir stehen also an der Schwelle einer dritten industriellen Revolution und einer neuen Ära der Energieverwendung. Wasserstoff ist unsere gemeinsame Zukunft. Die Frage ist nur noch, ob sie rechtzeitig beginnt, damit wir den Planeten retten, die anderen Wesen auf ihm schützen und unsere Spezies erhalten können.

Der Autor ist Gründer der Foundation on Economic Trends und publiziert seit langem über den Einfluss von Technik auf die Gesellschaft. Im Campus-Verlag erschien von ihm 2002 das Buch "Die H2-Revolution: Mit Neuer Energie für eine Gerechte Weltwirtschaft". Deutsche Bearbeitung: Christopher Schrader

© SZ vom 07.03.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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