Nächtliche Ruhestörung:Laut wie ein Zug

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Schnarchen ist mehr als nur lästig. Zwar leiden die Betroffenen selbst oft weniger darunter als ihre Partner. Doch bei manchen ist es Teil eines gesundheitsgefährdenden Syndroms.

Josephina Maier

Manchmal ging Monika Schneider lieber gar nicht erst mit ihrem Mann zu Bett. Besonders wenn er Alkohol getrunken hatte, zog sie es vor, die Nacht auf der Gästecouch zu verbringen - "ich wusste ja, dass ich ohnehin kein Auge zukriege", sagt sie. Eine tragische Geschichte um Alkoholmissbrauch?

Schnarchen führt bei vielen Paaren zu echten Problemen. (Foto: Foto: iStock)

Keineswegs. Das Problem, für das Monika Schneider inzwischen eine Lösung gefunden hat, ist äußerst ärgerlich: Ihr Mann schnarcht. Jahrelang wurde sie davon wach, dass sich an ihrer Seite das leise Sägen zum Lärm steigerte.

"Irgendwann habe ich schon fast darauf gewartet", erinnert sich Schneider, die selbst berufstätig ist und morgens pünktlich um sechs aus dem Bett muss. Was sie erzählt, ist nicht übertrieben: Bis zu neunzig Dezibel laut kann Schnarchen werden, das ist in etwa der Schallpegel, den ein am Fenster vorbeifahrender Zug erzeugen würde.

Für viele Paare ein echtes Problem

Dass Schnarchen keine bloße Marotte ist, sondern für viele Paare ein echtes Problem, zeigen die Zahlen: Zwischen 30 und 40 Millionen Deutsche sind notorische Säger. Selbst wenn in Einzelfällen der Partner des Betroffenen seelenruhig weiterschläft: Es bleiben genug Menschen übrig, die morgens unausgeschlafen sind und sich bei der Arbeit nicht konzentrieren können.

Die Schnarcher selbst wachen von ihrem eigenen Lärm in den meisten Fällen nicht auf. Das Leid tragen die Partner - meistens Frauen. Die britische Soziologin Susan Venn hat deswegen im vergangenen Jahr an 40 Paaren untersucht, ob Frauen mit einem schnarchenden Partner anders umgehen als Männer.

Das Ergebnis: "Die meisten der befragten Frauen stellten den Schlaf ihres Partners über ihren eigenen", sagt Venn. "Sie stupsten zwar ihren Lebensgefährten, wenn sie länger nicht schlafen konnten, aber sie vermieden es, ihn wirklich aufzuwecken."

Monika Schneider hat es ähnlich gemacht. Sie versuchte, ihren Mann aus der Rücken- in die Seitenlage zu bewegen, in der er weniger stark schnarchte. Wenn gar nichts half, zog sie eben ins Gästezimmer um.

Männer sind nach Venns Ergebnissen weniger zimperlich mit ihren schnarchenden Frauen: Sie wecken ihre Partnerin eher auf und weigern sich oft, das gemeinsame Schlafzimmer zu verlassen.

Auch die Selbsteinschätzung der Schnarcher erwies sich als abhängig vom Geschlecht. "Die meisten Frauen empfanden ihr Schnarchen als unweiblich. Anders als die Männer schämten sie sich dafür und fanden es äußerst unangenehm, wenn ihr Partner Dritten davon erzählte", fasst Venn ihre Beobachtungen zusammen.

Dabei gehört Schnarchen als Männerdomäne längst der Vergangenheit an: Zwar schnarcht im Alter von dreißig Jahren fast die Hälfte der männlichen Bevölkerung, die gleichaltrigen Frauen befinden sich mit 20 bis 30 Prozent aber auf der Aufholjagd.

Grund für das ratternde Schnarch-Geräusch ist oft nur eine zu schlaffe Rachenmuskulatur, die beim Einatmen im Luftstrom vibriert. Bei etwa 800.000 Deutschen verschließt sich jedoch der Rachen ganz, sie leiden unter dem obstruktiven Schlafapnoe-Syndrom (OSAS).

Schnarchen und Verkehrsunfälle

Besonders in Rückenlage fällt bei den Betroffenen der Rachen komplett zusammen. Der Luftstrom in die Lunge wird dadurch unterbrochen, Atemstillstände sind die Folge: Bis zu 100 Mal in der Stunde sinkt bei OSAS-Patienten der Sauerstoffgehalt im Blut dramatisch ab, während der Kohlendioxidgehalt ansteigt. Schließlich registriert der Körper die Notlage - mit einem schnappenden Schnarchgeräusch schafft sich der Atemstrom wieder einen Weg durch den Rachen, und der Betroffene wacht auf.

Dass ein OSAS-Patient nach einer solchen Nacht alles andere als ausgeruht ist, versteht sich von selbst. Die Leistungsfähigkeit am nächsten Tag ist heruntergesetzt, Konzentration am Arbeitsplatz kaum möglich.

"Bei etwa einem Viertel aller Verkehrsunfälle in Deutschland geht man davon aus, dass sie auf Müdigkeit zurückzuführen sind", fügt Alexander Blau vom Interdisziplinären Schlafmedizinischen Zentrum an der Charité Berlin hinzu. "Bei OSAS-Patienten ist das Unfallrisiko etwa um das Siebenfache erhöht."

Die ständigen Weckreaktionen bringen zudem den natürlichen Schlafrhythmus so stark durcheinander, dass auch die Erholsamkeit des restlichen Schlafes stark leidet. Da die obstruktive Schlafapnoe sich über Jahre hinweg entwickelt, merken die Betroffenen zunächst oft wenig von ihrer Krankheit. Für ihre Alltagsbeschwerden machen sie zum Beispiel das fortschreitende Alter verantwortlich.

Am ehesten schöpft noch der Partner Verdacht, der die nächtlichen Weckreaktionen mitbekommt und so seines eigenen Schlafes beraubt wird. Noch relativ unbekannt ist das sogenannte Upper Airway Resistance Syndrome (UARS), das sich mit "Widerstands-Syndrom der oberen Atemwege" übersetzen lässt.

"Als würde man durch einen Strohhalm atmen"

Anders als bei der Apnoe kommt es dabei nicht zu Atemstillständen. Der Rachen ist nie ganz verschlossen, durch Muskelschwäche oder anatomische Besonderheiten aber so verengt, dass die Luft nur noch mühsam in die Lungen gelangt.

"Das ist, als würde man durch einen Strohhalm atmen", sagt Blau. Während der klassische OSAS-Patient ein übergewichtiger Mann über 40 Jahre ist, sind vom UARS auch häufig jüngere Frauen betroffen. Wie viele Deutsche jede Nacht um Luft ringen, lässt sich schwer bestimmen: Das Syndrom ist schwerer zu diagnostizieren als die Schlafapnoe und zählt bei vielen Befragungen noch als bloße Untergruppe.

Das Schnarchen selbst begünstigen verschiedenste Faktoren. Vor allem Fettablagerungen in der Rachenmuskulatur tragen dazu bei, dass Gaumensegel oder Mandeln in der Atemluft flattern. Wer übergewichtig ist, erfüllt damit also schon einmal das Hauptkriterium.

Auch Alkohol lässt die Rachenmuskeln erschlaffen - das erklärt, weshalb Monika Schneider schon nach mäßigem Biergenuss ihres Mannes die Flucht aus dem Schlafzimmer ergreifen musste. Von Schlafmitteln, die eine Muskelentspannung bewirken, sollten notorische Schnarcher ebenfalls die Finger lassen. Besonders ungünstig ist in allen Fällen die Rückenlage beim Schlafen: Dabei rutscht fast automatisch die Zunge in den Rachen und versperrt dem Luftstrom den Weg.

Weil bei ihrem Mann auch das Drehen in die Seitenlage nicht half, löste Monika Schneider das Problem schließlich mit Ohrstöpseln, die den Lärm auf eine erträgliche Lautstärke reduzierten.

Wer jedoch nicht nur einfach schnarcht, sondern unter Schlafapnoe oder dem Widerstands-Syndrom leidet, sollte zum Arzt gehen: Ein hoher Blutdruck und ein erhöhtes Risiko für Schlaganfälle und Herzinfarkte tragen dazu bei, dass unbehandelte Betroffene im Durchschnitt wesentlich kürzer leben als ihre Altersgenossen.

© SZ vom 02.04.2008/mcs - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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