Nach der Schwangerschaft:Papa hat den Baby-Blues

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Erst sind sie glücklich, dann reizbar oder weinerlich: Auch Männer leiden unter nachgeburtlichen Depressionen. Und das belastet vor allem die Söhne.

Von Werner Bartens

Vergessen ist die Zeit der Schwangerschaft, in der die hektische Vorfreude der Geburtsvorbereitung und der Nestbautrieb den Alltag bestimmen. Auf die pränatale Unruhe folgt der postnale Baby-Blues.

Kind da, Papa happy, so sollte es sein. (Foto: Foto: dpa)

Diese "Heultage" während der ersten Woche nach der Geburt entstehen durch die Hormonumstellung. 50 bis 70 Prozent der jungen Mütter kennen das. Nach zwei, drei Tagen sind sie meist wieder vorbei.

Bei 10 bis 15 Prozent der Mütter steigert sich das psychische Tief in den ersten zwei Monaten nach der Geburt zur Wochenbettdepression. Von seelischen Krisen sind in dieser Zeit aber nicht nur Frauen betroffen.

Auch sechs bis acht Prozent der Väter werden schwermütig, sobald Nachwuchs da ist. "Diese Männer haben keine Anlaufstelle. Um sie kümmert sich niemand", sagt Anke Rohde, Professorin für Gynäkologische Psychosomatik an der Universitätsklinik Bonn.

Typisch, ER redet nicht darüber

"Dabei tun sich Männer eh schwerer, über psychische Probleme zu sprechen." Doch die Idealisierung der Elternschaft führt dazu, dass diese seelischen Krisen weitgehend tabuisiert bleiben.

Wenn es um die Beschwerden junger Mütter geht, steht der Körper im Vordergrund - die Folgen von Dammschnitt, Wochenfluss, Schlafentzug und Stillen.

Damit hat fast jede Frau Probleme, wenn sie Mutter wird. "Es ist schwer zu erkennen, wann die Schwierigkeiten der Lebensumstellung nach der Geburt so zunehmen, dass eine behandlungsbedürftige Krankheit daraus wird", sagt Rohde. An die Väter denkt in dieser Zeit keiner.

Die Stimmungsschwankungen können gravierende Folgen haben. Hebammen und Frauenärzte kennen die Fälle, in denen junge Mütter mit Wochenbettdepression sich oder ihr Kind umgebracht haben.

Wie sich die Stimmungslage verändert, wenn Männer Väter werden, wurde von der Forschung bisher kaum beachtet. Nicht mal einen Namen gibt es für die "männliche Wochenbettdepression". Psychiater aus Großbritannien und den USA haben nun die Niedergeschlagenheit junger Eltern und die Auswirkungen auf die Kinder untersucht.

In dieser Woche sind die Ergebnisse im Fachblatt Lancet publiziert (Bd.365, S.2201, 2005). Von 11.800 Müttern, die an der Studie teilnahmen, waren zwei Monate nach der Geburt zehn Prozent depressiv. Von 8400 Vätern erfüllten immerhin vier Prozent die Kriterien einer Depression.

Aggressive Jungs, traurige Mädchen

Die Niedergeschlagenheit der Eltern beeinflusste die Kinder unterschiedlich stark: Eine Depression des Vaters wirkte sich mehr als doppelt so häufig negativ auf die Psyche der Jungen als auf die der Mädchen aus. Stimmungstiefs der Mutter hingegen beeinflussten beide Geschlechter ähnlich häufig.

Eine Erklärung dafür haben die Mediziner bisher nicht. Womöglich reagierten die Jungen in den ersten Lebensmonaten einfach empfindlicher auf negative väterliche Einflüsse als die Mädchen.

Die Kinder zeigten im Alter von drei bis fünf Jahren unterschiedliche Symptome, wenn ihre Eltern an einer Depression litten. Jungen waren aggressiv, ungehorsam und hyperaktiv. Die Mädchen entwickelten eher emotionale Störungen und reagierten traurig und ängstlich.

Die Autoren der Studie betonen, dass Depressionen der Eltern entstehen, bevor die Kinder verhaltensauffällig werden: "Die Eltern sind die Ursache für Veränderungen bei ihren Kindern - nicht umgekehrt."

Die Psychiater aus Großbritannien und den USA untersuchten Familien, bei denen die elterliche Depression in unterschiedlichem Alter der Kinder auftrat. Dabei zeigte sich, dass ein Stimmungstief des Vaters während der ersten Lebensmonate der Kinder offenbar besonders schwere Folgen hat.

Ein Gefühl der Gefühllosigkeit

Diese Kinder wurden später öfter verhaltensauffällig als jene, bei denen der Vater depressiv wurde, als sie zwei Jahre alt waren. Janice Goodman aus Boston fand 2004 in einer Übersichtsarbeit Häufigkeitsangeben zwischen 1 und 26 Prozent für väterliche Depressionen nach der Geburt (Journal of Advanced Nursing Bd.45, S.26, 2004).

Da sich zur Teilnahme an der aktuellen Lancet-Studie weniger Väter als Mütter bereit erklärten, könnte die hier ermittelte Häufigkeit von vier Prozent die wahre Dimension der väterlichen Depression noch unterschätzen. Anke Rohde sieht vielfältige Ursachen für die nachgeburtliche Seelenpein der Eltern:

Übertriebene Erwartungen an sich oder den Partner spielten ebenso eine Rolle wie Ängste, Schuld- oder Versagensgefühle. "Manche Eltern beklagen ein Gefühl der Gefühllosigkeit", sagt Rohde. "Sie werfen sich vor, keine Mutter- oder Vatergefühle zu entwickeln."

Janice Goodman warnt davor, die Auswirkungen der nachgeburtlichen Niedergeschlagenheit auf die Familie zu unterschätzen. Das größte Risiko für eine väterliche Depression sei die Wochenbettdepression der Mutter.

Auch mal an Papa denken

Ärzte und Psychologen, die depressive Frauen nach der Geburt betreuen, sollten deshalb daran denken, auch den Gemütszustand des Vaters zu beachten, fordert Goodman.

"Um die Väter nicht aus dem Blick zu verlieren, muss man vom frauenspezifischen zum geschlechtsspezifischen Denken kommen", sagt Rohde. "Die Geburt eines Kindes stellt schließlich das Leben von Frau und Mann auf den Kopf."

© SZ vom 1.7.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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