Menschenaffen:Schritte in der Lach-Evolution

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Zähnezeigen und hohe Töne: Auch Orang-Utans, Gorillas und Schimpansen können lachen - je höher entwickelt die Affen sind, desto menschlicher klingt es.

Christina Merkel

Der Tierpfleger streicht ganz leicht mit seinen Fingern über die Fußsohle des Schimpansenbabys. Schon zieht das Affenjunge die Mundwinkel nach oben, zeigt die Zähne und fängt an zu hecheln und zu keckern; es lacht, weil es gekitzelt wird.

Kitzliger Orang-Utan: Auch Menschenaffen können lachen. (Foto: Foto: dpa)

Was wie menschliches Lachen wirkt, darf jetzt auch biologisch korrekt so genannt werden: Alle Menschenaffen lachen. "Es ist nicht länger vermenschlichend, das zu behaupten", sagt Elke Zimmermann.

Die Zoologin von der Tierärztlichen Hochschule Hannover hat zusammen mit zwei Psychologen die Lachgeräusche von Affen- und Menschenbabys aufgenommen und verglichen ( Current Biology, online). Die Ergebnisse zeigen: "Lachen entstand in der Evolution, lange bevor der Mensch sich von der Affenlinie abgespalten hat", sagt Zimmermann.

Drei Menschenkinder und 21 Menschenaffenjunge zwischen ein und zwei Jahren wurden für das Experiment gekitzelt, Orang-Utans, Gorillas, Bonobos und Schimpansen. Wichtig war, dass Menschen- und Tierbabys die Personen kannten, die sie berührten.

"Bei einer fremden Person würde die plötzliche Berührung als Bedrohung eingestuft und kein Lachreflex ausgelöst", sagt Zimmermann. Denn der Schutz vor Gefahr ist der ursprüngliche Sinn des Kitzligseins.

Angstgeste Lächeln

Weil die Haut kribbelt, wenn ein Insekt über den Arm krabbelt, zucken die Muskeln zusammen und verscheuchen das Tier, bevor es sticht. Deshalb sind Affen wie Menschen an verletzlichen Körperstellen besonders kitzlig, zum Beispiel an Fußsohlen und Handflächen, Hals und Achseln.

Wer gekitzelt wird, versucht diese Schwachstellen schnell zu schützen und trainiert so unbewusst, einen Angriff abzuwehren. Denn was erst noch lustig ist, kann schnell unangenehm werden: Im Mittelalter war Kitzeln sogar eine Foltermethode.

Aber warum wird dann gelacht? Beim Kitzeln scheint zunächst Gefahr zu drohen; sobald sie als Spiel erkannt wird, drückt sich die Entspannung als Lachen aus.

"Auch das Lächeln ist zuerst als Angstgeste entstanden", sagt Carsten Niemitz, Humanbiologe an der Freien Universität Berlin. Indem Affen ihre Zähne zeigen, signalisieren sie ihrem Gegenüber: Tu mir nichts. Wer seine friedlichen Absichten durch Lächeln demonstriert, wird seltener im Kampf verletzt - ein Vorteil in der Evolution.

In ähnlicher Weise lächeln Menschen einander zur Begrüßung an, um eine freundliche Atmosphäre zu schaffen. "Dafür blecken Affen und Menschen im Gegensatz zu vielen anderen Tieren ihre Zähne nicht, wenn sie drohen", sagt Niemitz. Menschen pressen die Lippen dann sogar noch fester aufeinander.

Das stumme Lächeln hat sich zum lauten Lachen weiterentwickelt. Halbaffen können es nicht, Menschenaffen schon. Elke Zimmermann konnte diese Entwicklung in ihrem Versuch weiter vom Affen zum Menschen verfolgen: "Die Affenkinder lachen insgesamt stimmloser als die Menschen."

Zähnezeigen und hohe Töne

Bei ihnen strömt zwar die Luft in bestimmten Intervallen durch die Stimmlippen, aber sie erzeugen dabei weniger Laute. "Dadurch entsteht das eher kehlige Hecheln", sagt Zimmermann.

Auch in der Mimik zeigt sich die Evolution. Im Gesicht werden zwar die gleichen Partien angeregt: Affen wie Menschen kneifen die Augen zusammen, der Mund öffnet sich. Aber beim lachenden Affen sieht man meist nur die untere Zahnreihe, beim Menschen sogar beide.

Das Leben in der Gruppe war der Grund, weshalb zum Zähnezeigen noch Töne hinzukamen. "Beim Lächeln kommunizieren zwei Partner, beim lauten Lachen überträgt sich das positive Gefühl auf die Gemeinschaft", sagt Carsten Niemitz.

Andere Gruppenmitglieder werden aufmerksam. Schimpansenjunge zum Beispiel schließen sich dem Spiel ihrer Altersgenossen an. "Lachen ist also ein wichtiger sozialer Faktor", so Niemitz.

Elke Zimmermann sieht es als bewiesen an, dass das Lachen bereits vor zehn bis 16 Millionen Jahren entstanden ist - lange bevor sich die Linie der heutigen Menschen vor fünf bis sieben Millionen Jahren von der Linie der Schimpansen getrennt hat.

Auf Grund der Klangmuster erstellten Zimmermann und ihre Kollegen eine Art Lach-Stammbaum. "Und siehe da: Er deckt sich komplett mit dem genetischen Stammbaum der Affen und Menschen", sagt Zimmermann.

Einen Schritt in der Lach-Evolution aber haben die Affen nicht mitgemacht: Menschen lachen auch aus Gehässigkeit und solidarisieren sich damit gegen Außenseiter. "Auslachen ist ein rein menschlicher Zug", sagt Niemitz. "Auch wenn es nicht nett ist: Es ist ein kommunikativer Fortschritt."

© SZ vom 05.06.2009/gal - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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