Medikamente:Manipulation mit Nebenwirkungen

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Der amerikanische Pharmakonzern Merck wusste womöglich schon im Sommer 2000 von Infarktrisiken durch das Schmerzmittel Vioxx. Bereits jetzt haben 7000 US-Bürger Schadensersatzklagen eingereicht.

Werner Bartens

Es klingt nach bewusster Fälschung, Datenunterschlagung und der gezielten Gefährdung von Patienten. Wenn sich bewahrheitet, dass der Pharmakonzern Merck schon im Sommer 2000 wusste, wie gefährlich das im eigenen Haus hergestellte Schmerzmittel Vioxx ist, droht sich der Skandal um die im September 2004 vom Markt genommene Arznei erheblich auszuweiten.

Bereits jetzt liegen in den USA mehr als 7000 Klagen auf Schadenersatz vor, da das Rheumamittel bei bis zu 27.000 Patienten Herzinfarkte und Schlaganfälle ausgelöst haben könnte. Dieses Risiko habe sich jedoch erst nach langjähriger Therapie gezeigt, hatte Merck stets argumentiert.

Die Herausgeber des wichtigsten medizinischen Fachblatts, des New England Journal of Medicine, werfen der Pharmafirma Merck jetzt jedoch vor, die Risiken durch das Schmerzmittel Vioxx in einer entscheidenden Studie schon frühzeitig heruntergespielt zu haben. Dem Fachblatt wurde ein entsprechendes internes Memorandum zugeleitet. Am Freitag veröffentlichte die Zeitschrift auf ihrer Internetseite die "schweren Bedenken" gegen eine Untersuchung, die 2000 im eigenen Magazin erschienen war.

Allein im Jahr 2003 wurden 2,5 Milliarden Umsatz erzielt

Demnach sind drei Herzinfarkte bei Patienten, die Vioxx einnahmen, seinerzeit verschwiegen worden. Die entsprechenden Daten wurden angeblich von der Diskette gelöscht - wenige Tage bevor die Forscher den Artikel bei der Fachzeitschrift einreichten. Mindestens zwei der Autoren hätten davon gewusst. Fast alle Autoren standen auf Honorarlisten von Merck.

Pikant: Die drei zusätzlichen Fälle hätten das Herzinfarktrisiko durch Vioxx so hoch erscheinen lassen, dass der statistische Grenzwert für eine zufällige Häufung überschritten worden wäre. Das Mittel hätte kaum seinen Siegeszug in den Apotheken antreten können - allein 2003 brachte der Schmerzkiller einen Umsatz von 2,5 Milliarden Dollar ein.

Die Studien aus dem Jahr 2000 und dem Vorjahr begründeten erst den Ruf von Vioxx und ähnlichen Medikamenten als neue "Super-Aspirine". Die Mittel sollten Schmerz- und Rheumakranken die Nebenwirkungen im Magen-Darmtrakt ersparen, die mit konventionellen Schmerzmitteln oft einhergehen.

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