Mars-Sonde Phoenix vor der Landung:Phönix aus dem Eis

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Noch rast die US-Sonde Phoenix mit 20.000 Kilometern pro Stunde auf den Mars zu. Wenn ihre Landung glückt, soll sie nach Eis graben - um vielleicht Spuren von Leben darin zu entdecken.

Alexander Stirn

Es war eine lange, eine langweilige Reise. 294 Tage, 679 Millionen Kilometer, fast immer auf dem gleichen Kurs. Jetzt aber stehen Phoenix, dem Feuervogel, heiße Stunden bevor. In der Nacht zum Montag soll die US-Raumsonde den Mars erreichen. Sie soll in dessen Atmosphäre eintauchen, gehörig durchgeschüttelt werden und wenig später sanft auf dem Planeten aufsetzen - in der Nähe des Mars-Nordpols, so weit nördlich wie kein Raumfahrzeug zuvor.

Wiegt fast eine halbe Tonne: die Mars-Sonde "Phoenix" (Foto: Foto: dpa)

"Wo Phoenix landen soll, gibt es jede Menge Wasser in gefrorenem Zustand - Wasser, das man direkt anfassen kann", sagt Gerhard Neukum, Planetenforscher an der Freien Universität Berlin. Und Wasser zieht Marsforscher seit jeher magisch an. Zwar präsentiert sich der Planet heutzutage staubtrocken, fließendes Wasser ist weit und breit nicht zu sehen. Früher jedoch, darauf deuten Bodenformationen und Gesteinsproben hin, dürfte es auf dem Mars beachtliche Mengen des nassen Elements gegeben haben.

Heute versteckt sich das Wasser unter der Oberfläche des Planeten - in Form von Eis, wie Radaraufnahmen europäischer und amerikanischer Sonden zeigen, die den Mars umkreisen. "Bis zu vier Kilometer mächtig sind die Eis- und Staubschichten an den Polen", sagt Neukum. Das macht den Marsforschern Hoffnung.

Derart tief im Untergrund hat womöglich auch flüssiges Wasser die Zeit überdauert - und mit ihm primitives Leben. "Wenn überhaupt jemals Leben auf dem Mars entstanden ist, könnte es dort noch vorkommen", sagt Neukum. So tief wird Phoenix zwar nicht graben, dennoch erhoffen sich die Forscher wichtige Anhaltspunkte über die Zustände im frostigen Boden, die Zusammensetzung des eisigen Wassers und die Einflüsse, denen es nahe der Oberfläche unterliegt.

Zunächst muss die Sonde, die derzeit noch mit 20.000 Kilometern pro Stunde auf den Mars zurast, allerdings erst einmal auf dem Planeten landen, ohne Schaden zu nehmen. "Und das wird kein Spaziergang", sagt Ed Weiler, Wissenschaftschef der US-Raumfahrtbehörde Nasa. "Ein Raumschiff sicher auf dem Mars zu landen, ist kompliziert und riskant." Die Geschichte gibt Weiler recht. Mehr als die Hälfte aller Versuche schlugen fehl - darunter 1999 auch die Landung des amerikanischen Mars Polar Lander, von dem Phoenix einen Teil der Technik und Instrumente übernommen hat.

Um nicht noch einen Absturz zu riskieren, haben Nasa-Ingenieure das Raumschiff neu aufgebaut und zwei Dutzend Fehler behoben, die zu schweren Fehlern hätten führen können. Auch die Landestelle wurde ganz genau ausgekundschaftet.

Eine Kamera des Mars Reconnaissance Orbiters suchte die Oberfläche das Planeten nach Felsbrocken ab, die Phoenix bei der Landung gefährlich werden könnten - so lange, bis das ideale Gebiet gefunden war. "Unsere Landestelle ist eine der Regionen auf dem Mars mit den wenigsten Felsen", sagt Ray Arvidson von der Washington University in St. Louis. Um ganz sicher zu gehen, werden zudem drei aktuelle Mars-Sonden, zwei amerikanische und eine europäische, den Abstieg des Phoenix genau beobachten.

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Der beginnt 14 Minuten vor dem geplanten Aufsetzen. Sobald die Sonde auf die dünne Mars-Atmosphäre trifft, sprengt sie ihre Antriebseinheit ab und richtet den Hitzeschild in Flugrichtung aus. Durch die Reibung wird Phoenix stark abgebremst, der Schutzschild erhitzt sich auf 1400 Grad Celsius.

In 12,6 Kilometern Höhe, die Sonde ist noch immer 1500 Kilometer pro Stunde schnell, öffnet sich schließlich der Bremsfallschirm. Phoenix entledigt sich des Hitzeschilds, fährt die Beine aus und kappt drei Minuten später bereits wieder den Fallschirm. Jetzt müssen zwölf Miniraketen die Landeeinheit weiter abbremsen und auf dem letzten Kilometer sicher zur Oberfläche manövrieren.

Es wäre die erste geglückte Mars-Landung mit Steuerdüsen seit 32 Jahren. In letzter Zeit hatten Ingenieure verstärkt auf Airbags gesetzt, um harte Aufschläge abzufangen. Mit seinem Gewicht von fast einer halben Tonne ist Phoenix allerdings zu schwer für den Einsatz solcher Luftkissen. Ob ihr Vogel dennoch sicher gelandet ist, werden die Marsforscher in der Nacht auf Montag kurz vor 2 Uhr deutscher Zeit erfahren. Zwei Stunden später könnte Phoenix bereits die ersten Bilder aus seiner neuen Heimat senden.

Mindestens drei Monate soll er nahe des Mars-Nordpols aktiv sein - und sich währenddessen nicht vom Fleck bewegen. Denn im Gegensatz zu den amerikanischen Rovern, die seit mehr als vier Jahren über den Mars rollen, hat Phoenix keine Räder. Dafür kann er mit einem 2,3 Meter langen Roboterarm wie mit einem Löffelbagger tief in den Permafrost buddeln.

Die dabei entnommenen Boden- und Eis-Proben werden unter dem Mikroskop beäugt, in Mini-Öfen auf 1000 Grad Celsius erhitzt und dabei analysiert. Die Untersuchungen sollen unter anderem zeigen, ob Wasser in der Polarregion jemals schmilzt und ob es chemische Verbindung auf der Basis von Kohlen- und Wasserstoff enthält - ein wichtiger Baustein jeglicher Form des Lebens.

Phoenix hat aber noch eine ganz andere Aufgabe. Als Wetterstation soll er die meteorologischen Verhältnisse in der Nähe des Nordpols und den jahreszeitlichen Wassertransport in der Mars-Atmosphäre untersuchen. Bislang liegen den Forschern hierzu nur Beobachtungen aus der Umlaufbahn und einige Messdaten aus der Nähe des Äquators vor - zu wenig, um vorherzusagen, wie sich Wasserdampf ausbreitet.

Die knapp 300 Millionen Euro teure Sonde soll daher nicht nur Temperatur, Luftdruck und Luftfeuchtigkeit messen, sondern mit einer Kamera auch Wolken und Staub am Himmel ausmachen.

Falls Phoenix länger als die geplanten 90 Tage durchhält, kann die Sonde sogar beobachten, wie der Mars-Herbst in den nördlichen Breiten Einzug hält. Sonderlich erbaulich wird der Anblick nicht sein. Zunächst, so die Vorhersagen, schwindet langsam das Sonnenlicht, und dann bekommt es Phoenix auch noch mit Eis zu tun. Wie überall am Nordpol wird sich auch über seine Elektronik und seine Solarzellen eine dicke Schicht aus gefrorenem Kohlendioxid legen - Trockeneis. Nicht ganz das, wonach Phoenix gesucht hat.

© SZ vom 24.05.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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