Magdeburg: Sarg der Königin Editha:Archäologische Rasterfahndung

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Mundschutz, DNS-Proben und ein Forensiker: Wie der Sarg von Königin Editha, der ersten Gemahlin Ottos des Großen, untersucht wird - und was bislang entdeckt wurde.

Christian Wunderlich und drei seiner Kollegen vom Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt stehen über einen Bleisarg gebeugt. Mit kleinen, selbstgebastelten Pinzetten und Löffelchen aus Pappe entnehmen sie vorsichtig Stück für Stück den Inhalt.

Untersucht mit Handschuhen und Mundschutz: der Sarg der Editha. (Foto: Foto: AP)

Der Sarg war im November vergangenen Jahres im Magdeburger Dom entdeckt worden und enthält laut Inschrift die sterblichen Überreste der Königin Editha (auch Edgitha, 910-946), der ersten Gemahlin Ottos des Großen.

Seit Ende des Jahres werden der Sarg und sein Inhalt in Halle untersucht - im Chemielabor des Landesamtes, das zum Operationssaal umfunktioniert wurde. Betreten werden darf der Raum nur von einem engen Kreis Befugter und nur mit Mund- und Haarschutz. Die Schutzmaßnahmen sollen den wertvollen Inhalt des Behältnisses vor Verunreinigung mit fremder DNS schützen.

Der Inhalt des Sargs wird Stück für Stück in kleine Schächtelchen gepackt und nummeriert. Sedimentproben, Holzsplitter, Gewebereste, auch Käfer zeigt Wunderlich in den durchsichtigen Schachteln.

"Das alles haben wir in dem Sarg gefunden, alles wird untersucht. Vorher wurde aber genau verzeichnet und stereofotografiert, an welcher Stelle welcher Fund lag."

Zerfall bei Berührung

Die Bergung des Sarginhalts gestaltet sich äußerst schwierig. Der Chefrestaurator zeigt auf Stoffreste, in denen er gelbliche und rötliche Seide erkennt. "Brüchiges Material, Staub in Faserform, der zerfällt, wenn man ihn nur mit feinen Holzstäbchen berührt", erklärt Wunderlich.

Dazwischen sind weiße Krümel zu erkennen - Mörtelreste, die wahrscheinlich von den Umbettungen stammen. Aber auch feine Holzsplitter, Knochenreste und ein weißes Tuch.

Das sehr gut enthaltene Tuch scheint deutlich jünger zu sein als die Seide. Es wird vermutet, dass es von der letzten Umbettung der Königin im Jahre 1510 stammt. Doch Wunderlich will sich nicht festlegen: Man warte noch auf 14-C-Daten - eine Datierungsmethode mittels Radiokarbon. "Vorher gebe ich keine Schätzung ab."

Ortsbestimmung ein Jahrtausend später

Für die Untersuchung des Bleisargs und seines Inhalts kooperiert das Landesamt mit etlichen Partnern. Zu den wichtigsten gehört Kurt Alt von der Universität Mainz. Derzeit misst er die Skelettreste, kann aus den Daten Rückschlüsse ziehen auf Größe, Abnutzungserscheinungen, Alter oder Krankheiten.

Auch die DNS-Analyse wird der Professor für Anthropologie vornehmen. Daraus erhofft man sich Aufschluss über Geschlecht oder Verwandtschaftsverhältnisse. Per Isotopenchemie lässt sich auch ein Jahrtausend nach dem Tod der Person im Sarg deren Lebensort feststellen. "Wenn wir Zähne aus verschiedenen Lebensphasen der Person finden, können wir sogar feststellen, welches Wasser aus welcher Gegend sie in welchem Alter getrunken hat", verrät Wunderlich.

Die Spurensuche sei eine Art Rasterfahndung, die entweder Hinweise darauf gibt, dass es sich bei der Toten um Editha handelt, oder eben genau diese Vermutung ausschließen kann.

Entnahme einer Probe von einem Knochenfragment aus dem Sarg der Editha (Foto: Foto: AP)

Doch nicht nur die sterblichen Überreste im Sarg sind interessant - ausgesprochene Rätsel gibt der Bleisarg selbst auf. Laut Inschrift stammt er aus dem Jahr 1510. Wunderlich zeigt auf starke Korrosionsspuren, erklärt, dass ein Buchstabe beim bloßen Abpinseln abgestürzt ist.

Er zeigt auf Beschädigungen, Kratzer, aber auch Kerben, die wahrscheinlich aus verschiedenen Zeiten stammen. Die Textilien, eine Spezialität von Wunderlich, könnten verraten, ob die Stoffe aus ottonischer Zeit stammen, welcher Luxusklasse sie angehörten, mit welchen Stoffen sie gefärbt wurden.

Forensik-Experte hilft mit

Die Webart ist interessant, das Muster, woher die Stoffe stammen, wie die Wickeltechnik war, zählt Wunderlich auf.

14-C-Proben zur Bestimmung des Alters werden in Kiel vorgenommen, die Analyse der Farbstoffe im Landeskriminalamt Sachsen-Anhalt. Und auch die Käfer sollen bestimmt werden - von einem Entomologen. "Interessant ist, aus welcher Phase der Bestattung die Käfer stammen, was sie gefressen haben", erklärt Wunderlich.

Die Archäologen wollen herausfinden, woher die Holzsplitter stammen oder die Sedimentreste. Für Letztere wurde mit Jörg Adam, einem pensionierten Spezialisten vom LKA Brandenburg, der "Papst" der forensischen Sedimentbodenuntersuchung gewonnen.

Neben diesen Partnern gibt es etliche im kulturhistorischen Bereich. "Das Netzwerk wird ständig erweitert, weil der Fund viel zu bedeutend ist und wir zu wenig Leute sind", sagt Wunderlich.

Was bislang nicht gefunden wurde, ist Schmuck, bedauert der Chefrestaurator. Das kann daran liegen, dass es den nicht gibt. Der Sarg wurde offenbar nicht nur mehrere Male umgebettet, sondern auch geöffnet. Möglicherweise zum letzten Mal nach dem Zweiten Weltkrieg?

Wunderlich mag sich auf solche Spekulationen nicht einlassen, verweist aber darauf, dass der Boden des Sargs noch nicht erreicht wurde und die Röntgenaufnahmen nur bedingt brauchbar sind, da sich Blei schwer röntgen lässt. "Es ist ausgesprochen spannend", sagt Wunderlich. Es gibt noch viele Fragen, auf etliche wird eine Antwort gefunden werden - doch das wird dauern.

Mit der Domgemeinde wurde vereinbart, dass die Gebeine der Königin noch in diesem Jahr wieder im Dom beigesetzt werden sollen. Die Zeit drängt also.

© AP/Annette Schneider-Solis/odg - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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