Mäuse:Nasenorgan beeinflusst Sexualverhalten

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Fehlt ihnen ein Sinnesorgan zur Verarbeitung von Duftstoffen, machen Mäuseweibchen männliche Tiere an und versuchen, sie zu besteigen. Das berichten Forscher der Harvard University.

Forscher haben weibliche Mäuse gentechnisch so manipuliert, dass diese versuchten, Männchen zu begatten. Wie Filme aus dem Labor von Tali Kimchi an der Harvard-Universität in Cambridge zeigen, führe der Eingriff zu einem weitgehenden Rollenwechsel. So warben die Mäuseweibchen um Männchen, versuchten sie zu besteigen und pressten auch ihren Unterkörper auf unmissverständliche Weise gegen die Männchen.

Weibliche Tiere ohne Vomero-Nasal-Organ verhalten sich teilweise wie Männchen. (Foto: Foto: Reuters)

Die Wandlung ist aber nicht vollständig. Anders als echte Männchen griffen die Versuchstiere andere Mäuse-Männchen nicht an. Außerdem verhielten sie sich bei der Paarung mit Männchen wie andere Weibchen und brachten auch Nachwuchs zur Welt.

Ihre männliche Seite kam allerdings mit der Geburt von Jungen wieder zum Tragen. Schon zwei Tage später ließen sie ihren Nachwuchs allein, um sich ein bisschen umzusehen oder sich ganz aus dem Staub zu machen. Dabei waren sie für neue Männerbekanntschaften durchaus offen - für Mäusemütter ein ganz untypisches Verhalten, denn eigentlich verbringen sie rund 80 Prozent ihrer Zeit bei ihren Jungen. Männchen werden in dieser Zeit nicht als Schmusepartner, sondern als Eindringlinge wahrgenommen.

Die Resultate sind im Journal Nature (online veröffentlicht DOI: 10.1038/nature06089) nachzulesen.

Duftorgan ausgeschaltet

Die Gruppe um Kimchi hatte in ihren Experimenten bei weiblichen Labormäusen ein Gen namens TRPC2 ausgeschaltet, so dass das sogenannte Vomero-Nasal-Organ in der Nase der Nager nicht aktiv war. Damit nehmen die Tiere Duftmoleküle und Sexuallockstoffe (sogenannte Pheromone) wahr. Diese Signalkette funktionierte in den gentechnisch veränderten Weibchen nicht mehr. Daraufhin zeigten sie das männliche Paarungsverhalten.

"Diese Ergebnisse sind verblüffend", sagt Catherine Dulac von der Harvard University, die die Studie am Howard Hughes Medical Institute leitete. "Niemand hätte gedacht, dass eine simple genetische Veränderung wie diese Weibchen dazu bringen könnte, sich wie Männchen zu verhalten."

Um sicherzugehen, entfernten die Forscher bei normalen weiblichen Mäusen das Vomero-Nasal-Organ komplett. Und siehe da - danach verhielten sich die Tiere genauso machohaft wie ihre genmanipuliterten Geschlechtsgenossinnen.

Männliches Handlungsrepertoire im weiblichen Hirn

Die US-Gruppe vermutet, dass das männliche Handlungsrepertoire von vornherein auch im Hirn der Weibchen angelegt ist, dort aber ruht. Dafür verantwortlich seien die Signale des vomeronasalen Organs (auch Jacobson-Organ genannt).

Wenn die Duftstoffe des Männchens keinen Einfluss mehr nehmen könnten, reichten vielleicht schon die geringen Testosteronmengen in den Körpern der Weibchen, um das männliche Verhalten auszulösen, kommentierte Nirao Shah von der Universität von Kalifornien (San Francisco) in Nature.

Die Studie dürfte die Wissenschaft zum Umdenken zwingen. Denn bisher waren die physiologischen Gründe für geschlechtstypische Verhaltensweisen zumeist in Unterschieden der Hirnstruktur gesucht worden. Dem Rätselraten um die Gründe, aus denen Frauen und Männer sich unterschiedlich verhalten, setzt die neue Studie jedoch kein Ende: Menschen haben kein Vomero-Nasal-Organ.

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