Legionärskrankheit bei Ulm:"Beispiellose Häufung von Fällen"

Lesezeit: 2 min

Dutzende Erkrankte und drei Tote: Der Raum Ulm erlebt einen ungewöhnlichen Ausbruch der Legionärskrankheit. Ein Infektiologe über die Gefahr.

D. Mittler

Die Legionellen-Infektionen im Raum Ulm/Neu-Ulm haben bereits drei Todesopfer gefordert. Im Ulmer Universitätsklinikum werden die meisten der 52 nachweislich Betroffenen behandelt. Der Internist und Infektiologe Georg Härter will noch keine Entwarnung geben.

Legionella pneumophila ist der häufigste Erreger der Legionärskrankheit. (Foto: Foto: ddp)

SZ: Drei Menschen sind bereits an der Legionellen-Infektion gestorben. Ist mit weiteren Todesopfern zu rechnen?

Härter: Im Moment lässt sich das nicht absehen. Den meisten unserer Patienten geht es wieder deutlich besser.

SZ: Sind die bisher Verstorbenen ein Opfer der berüchtigten Legionärskrankheit geworden?

Härter: Ja. Aber sie hatten Risikofaktoren. Zu diesen zählen zum Beispiel chronische Lungenerkrankungen und hohes Alter. Für die übrigen Patienten lautete die Diagnose ebenfalls: Legionärskrankheit.

SZ: Rechnen Sie mit einer hohen Dunkelziffer?

Härter: Ja, davon ist wohl leider auszugehen.

SZ: Muss die Bevölkerung jetzt Angst haben?

Härter: Ich warne davor, jetzt Panik zu machen. Allerdings muss man einräumen: Wir haben es hier wirklich mit einer außergewöhnlichen Häufung von Fällen zu tun. Die ist in Deutschland bislang beispiellos.

SZ: Was macht Legionellen-Erreger grundsätzlich so gefährlich?

Härter: Für die meisten wird es dann gefährlich, wenn die Legionärskrankheit mit der für sie typischen Lungenentzündung ausbricht und der Betroffene nicht zum Arzt geht.

SZ: Drei Tote innerhalb kurzer Zeit, das lässt darauf schließen, dass die Krankheit medizinisch nicht so einfach in den Griff zu bekommen ist.

Härter: Wenn die Legionärskrankheit rechtzeitig erkannt wird, ist sie mit Antibiotika gut behandelbar. Sobald aber ein Patient gleich mehrere Vorerkrankungen hat, wird es riskant. Bei der Legionärskrankheit geht man davon aus, dass zehn Prozent der Erkrankten daran sterben.

SZ: Was sind die ersten Symptome?

Härter: Es kommt zu sehr hohem Fieber bis zu 40 Grad. Die Patienten leiden zudem unter trockenem Husten - und was häufig vorkommt: Sie sind verwirrt. Das liegt daran, dass der Erreger auch das zentrale Nervensystem angreift. Überdies tritt bei der Legionärskrankheit oft Durchfall auf. Legionellen können aber auch das relativ harmlos verlaufende Pontiac-Fieber auslösen - mit eher grippalen Symptomen wie Fieber, Abgeschlagenheit, Muskel- und Gliederschmerzen sowie trockenem Husten.

SZ: Bislang tappen die Behörden noch völlig im Dunkeln, wo die Infektionsquelle liegt. Ein weiterer Patienten-Ansturm kann also nicht ausgeschlossen werden. Sind Sie dafür gerüstet?

Härter:Natürlich sind wir dafür gerüstet. Die Behörden arbeiten zudem mit Nachdruck daran, die Infektionsquelle zu finden. Ich hoffe, die Welle wird bald eingedämmt sein.

SZ: Haben die Bürger auch nur irgendeine Chance, sich vor einer solchen Infektion zu schützen?

Härter:Solange man die Infektionsquelle nicht kennt, ist das sehr schwierig. Wichtig ist jetzt erst einmal, dass die Menschen sensibilisiert sind und bei Beschwerden rechtzeitig zum Arzt gehen.

SZ: Offensichtlich ist es auch in relativ großen Städten mit der Hygiene nicht so gut bestellt, wie man es sich eigentlich erwarten sollte.

Härter: Legionellenausbrüche gibt es immer wieder mal. In Holland etwa gab es einmal einen solchen Ausbruch nach einer Tulpenschau, bei der Wasser versprüht wurde. Aber, es ist in der Tat außergewöhnlich, was wir hier gerade erleben.

© SZ vom 12.01.2010/beu - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: