Kritik an Exxon:"Sie nennen es Luftverschmutzung - wir Leben"

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So etwas gab es bei der ehrenwerten Royal Society noch nie: Die Organisation britischer Wissenschaftler wirft dem US-Energiekonzern Exxon Mobil vor, die Folgen des Klimawandels zu verharmlosen. Das Unternehmen solle endlich damit aufhören, Gruppen zu unterstützen, die "Informationen verbreiten, die die Wissenschaft des Klimawandels falsch darstellen".

Petra Steinberger

Es ist ein höchst ungewöhnlicher Schritt, den die Royal Society, die britische Akademie der Wissenschaften, unternommen hat.

Exxon Mobil hätte viel zu verlieren, sollten Kritiker des ungehemmten Energieverbrauchs Gehör finden (Foto: Foto: AP)

In einem Brief an den amerikanischen Energiekonzern Exxon Mobil forderte sie ihn auf, damit aufzuhören, Gruppen zu unterstützen, die den wissenschaftlichen Konsens über den Klimawandel unterminieren.

Der Konzern, so die Royal Society, unterstütze nach eigenen Angaben mehrere Dutzend Gruppen, die "Informationen verbreiten, die die Wissenschaft des Klimawandels falsch darstellen:

Indem sie unverblümt die Indizien bestreiten, dass Treibhausgase den Klimawandel vorantreiben; oder indem sie Menge und Relevanz der wissenschaftlichen Unsicherheiten dazu überbewerten; oder indem sie einen irreführenden Eindruck von den potenziellen Auswirkungen des menschlich bedingten Klimawandels erwecken." ( Brief der Royal Society, pdf-File. Quelle: The Guardian)

Wissenschaftler von Lobby-Arbeit beunruhigt

Nie zuvor hatte die Society so etwas getan: sich in die Angelegenheiten einer Firma einzumischen. Und es zeigt, wie sehr die Wissenschaftsgemeinde durch die Aktivitäten von Lobbyisten beunruhigt ist, die seit Jahren versuchen, den zunehmenden wissenschaftlichen Konsens von den menschlich bedingten Ursachen des Klimawandels und seinen Folgen zu diskreditieren.

Vor dem nächsten UN-Report zum Klimawandel Anfang 2007 könnten die Lobbyisten noch einmal zu Höchstform auflaufen, fürchtet man.

Exxon Mobil ist die gewinnträchtigste Firma der Welt, täglich setzt der Konzern eine Milliarde Dollar um.

Exxon Mobil profitiert von fossilen Brennstoffen und hätte viel zu verlieren, sollten Kritiker des ungehemmten Energieverbrauchs Gehör finden. An sich unterscheidet sich Exxon Mobil darin nicht von den meisten anderen großen Energiekonzernen - doch gilt der Konzern als Hardliner, was seinen Standpunkt gegenüber der Umwelt betrifft.

Während BP oder Shell sich weitaus mehr für grüne Projekte engagieren - soweit man das von traditionellen Energiekonzernen erwarten kann -, verfolgte Exxon Mobil vor allem unter Lee Raymond, der bis letztes Jahr den Konzern führte, eine klare Strategie: Einerseits bekennt man sich zunehmend, wenn auch zögernd dazu, dass "Karbonemissionen einer der Faktoren sind, die zum Klimawandel beitragen".

So steht es in der Erwiderung des Konzerns auf den Brief der Society. Andererseits versucht man, wissenschaftliche Ergebnisse, die dem Weltbild des Konzerns entsprechen, öffentlich besonders hervorzuheben. Die New York Times nannte Lee Raymond deshalb einmal den "Feind des Planeten".

Das Ziel: Zweifel säen

Die Grundzüge dieser Strategie finden sich schon im Memorandum zu einem Treffen im American Petroleum Institute 1998. Vorgeschlagen wurde eine "Kampagne, um einen Stamm von Wissenschaftlern zu rekrutieren, die die Ansichten der Industrie zum Klimawandel teilen und sie in Public Relations auszubilden.

So können sie Journalisten, Politiker und die Öffentlichkeit überzeugen, dass die Risiken der globalen Erwärmung viel zu unbekannt sind, um ernst genommen zu werden." So sollten sie die "vorherrschende wissenschaftliche Meinung in Frage stellen und unterhöhlen".

Also unterstützte Exxon Mobil Gruppen, die in der einen oder anderen Form Zweifel säten, dass tatsächlich etwas unternommen werden müsse in Sachen Klimawandel - mit rund 2,9 Millionen Dollar allein im vergangenen Jahr.

Zu diesen Organisationen gehören beispielsweise das wirtschaftsliberale Cato Institute und die Heritage Foundation, die gegen jede Art von Regierungsintervention sind.

Erderwärmung als Erfindung bezeichnet

Dazu gehören auch Organisationen wie das Centre for the Study of Carbon Dioxide and Global Warming, die wie Bürgerinitiativen auftreten. Und dazu gehört das Competetive Enterprise Institute, das die Erderwärmung als Erfindung bezeichnet und das auf den Film von Al Gore zur Klimaerwärmung, An Inconvenient Truth, mit einer TV-Kampagne antwortete: Manche Politiker wollten der Menschheit das wegnehmen, was sie und ihre Familie zum Leben brauchten - Kohlendioxid.

"Sie nennen es Luftverschmutzung. Wir nennen es Leben", war der Slogan zu den idyllischen Naturaufnahmen.

Auf der Website Exxonsecrets.org werden 124 Organisationen aufgelistet, die von Exxon Mobil direkt oder indirekt gefördert werden.

Sie alle, so der englische Umweltjournalist George Monbiot, "haben eine konsequente Haltung in Bezug auf den Klimawandel: Für sie sind die wissenschaftlichen Erkenntnisse widersprüchlich, die Wissenschaftler uneins und Umweltschützer Scharlatane, Lügner oder Verrückte.

Sollten Regierungen Maßnahmen ergreifen, um die Erderwärmung zu verhindern, würden sie die Weltwirtschaft ohne Anlass gefährden." Als junk science, als unbrauchbare Wissenschaft, werden sämtliche Erkenntnisse bezeichnet, die diesen Organisationen missfallen, während die, die in ihrem Sinne sind als sound science, also als ordentliche Wissenschaft gehandelt werden.

Nun sind 2,9 Millionen Dollar nicht viel im Vergleich zu den 100 Millionen Dollar, die Exxon Mobil 2003 der Universität Stanford für die Klimaforschung stiftete. Die unterstützten Organisationen sind klein.

Doch sie verschaffen sich Gehör. Durch weite Streuung wird der Eindruck erweckt, als bestünde ein großer Dissens in Sachen Klimawandel. Bevorzugt wird die passende Auswahl, nicht die Erfindung kritischer Studien.

Eine Studie über die Berichterstattung der seriösen US-Presse zum Klimawandel stellte 2003 fest, dass man den wenigen Skeptikern, von denen viele von Exxon Mobil unterstützt werden, denselben Raum einräumte wie tausenden unabhängigen Forschern - im Namen der Ausgewogenheit.

© SZ vom 27.9.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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