Kommentar:Schweigen hilft nicht

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Die Affenversuche am Max-Planck-Institut in Tübingen sind beendet. Die Diskussion muss weitergehen.

Von Kathrin Zinkant

Fast sieht es so aus, als sei der Albtraum für die Forscher zu Ende. Am Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik finden keine Affenexperimente mehr statt. Der anerkannte Neurowissenschaftler Nikos Logothetis hat seine Ankündigung wahr gemacht und die Versuche abgewickelt - nachdem Tierversuchsgegner vor fast drei Jahren blutige Videos aus den Tierlabors des Instituts ins Netz gestellt hatten. Die Filme führten zu einem Aufschrei, zu Protesten und heftiger Kritik, und leider auch zu Drohungen gegen Wissenschaftler. Logothetis wollte das nicht ertragen. Deshalb haben die Tierversuchsgegner bekommen was sie wollten. Und die Wissenschaftler können endlich weiterforschen. An anderen, weniger menschlich anmutenden Tieren. Hauptsache, in Ruhe.

Doch Ruhe ist das Letzte, was die Debatte um Tierversuche jetzt braucht. Denn das öffentliche Unbehagen bleibt. Und es geht auch nicht dadurch weg, dass auf einzelne Versuche verzichtet wird. Klar, ohne Tierversuche gibt es keinen Erkenntnisgewinn, ohne Erkenntnisgewinn gibt es keinen medizinischen Fortschritt - und ohne Fortschritt leiden und sterben Menschen. Auf diese Botschaft hat die Forschung sich festgelegt. Und sie trifft durchaus zu: Ohne Experimente an Mäusen, Ratten und manchmal auch an Affen hätte die Medizin heute nichts in der Hand. Das ist eine Tatsache.

Wissenschaftler müssen sich vor der Gesellschaft legitimieren, doch viele ziehen nicht mit

Zugleich beschreibt sie nur den angenehmen Teil der Wahrheit. Der unangenehme Teil umfasst Dinge, die selten zur Sprache kommen: unnötige Qualen, überflüssige Versuche, menschliches Versagen in Labors oder schlichte Überheblichkeit in der Forschung. Und noch immer erkennen Wissenschaftler zu selten an, dass sie dazu Stellung beziehen müssen, dass Transparenz nicht halbdurchsichtig sein kann. Zwar gibt es jetzt ein Portal im Internet, tierversuche-verstehen.de, das über Tierversuche informiert. Es gibt Forscher wie Stefan Treue vom Deutschen Primatenzentrum in Göttingen, die sich der Öffentlichkeit stellen, die auf unbequeme Fragen eingehen. Und es gibt den Präsidenten der Max-Planck-Gesellschaft, Martin Stratmann, der sagt: Wissenschaft muss sich gegenüber der Gesellschaft legitimieren.

Doch der Fall Tübingen zeigt, dass die Basis noch lange nicht mitzieht. Zum Verbleib der ausgemusterten Affen gibt das Institut keine Auskunft. Logothetis selbst stand für die öffentliche Debatte nicht zur Verfügung, er ist gerade erst von einem einjährigen Aufenthalt in Kalifornien zurückgekehrt. Man schweigt und wartet, dass der Albtraum vorbeigeht. Dabei kehrt er vielleicht schon bald zurück. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Tübingen laufen weiter. Was passiert, wenn sie Fehler im Umgang mit den Versuchstieren offenlegen? Ausgeschlossen ist das laut informierten Kreisen nicht. Weshalb klar sein muss: Schweigen und warten hilft nicht. Sonst wird der Albtraum niemals enden.

© SZ vom 22.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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