Kolumbien:Kokain-Produktion zerstört den Regenwald

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Vier Quadratmeter pro Gramm - so sieht das fatale Verhältnis von Regenwaldzerstörung und Kokainproduktion aus. Etwa 2,5 Millionen Hektar Wald hat die Drogenmafia in Kolumbien bereits vernichtet.

Daniel Lingenhöhl

Ausgerechnet Kokain wird dem kolumbianischen Pinche-Schneehöschen zum Verhängnis. Die Droge, die in der Szene auch als "Schnee" gehandelt wird, bedroht den einzigen Lebensraum des seltenen Vogels in Kolumbiens Anden.

Für ihre Coca-Plantagen roden die Bauern Regenwald. (Foto: Foto: AFP)

"Jedes Jahr frisst sich der Drogenanbau tiefer in den Bergwald der Serrania del Pinche", warnt der Vogelschützer Luis Mazariegos-Hurtado von der kolumbianischen Hummingbird Conservancy.

Ornithologen hatten die Art erst im vergangenen Jahr entdeckt: "Einer der spektakulärsten Funde des letzten Jahrzehnts", sagt der beteiligte Experte André Weller vom Bonner Museum Alexander König. Landkäufe sollen das Pinche-Schneehöschen - so genannt wegen weißer Federbüschel an den Beinen - nun vor dem Aussterben retten. Der seltene Vogel könnte "als Symbol gegen die zerstörerische Kraft des Kokains dienen", sagt Weller.

Wer an Rauschgift denkt, sieht zuerst das Leid der Süchtigen und die Gewalt der Kartelle, deren Geld den kolumbianischen Bürgerkrieg nährt. Francisco Santos erblickt noch mehr. "Jedes Gramm Kokain zerstört vier Quadratmeter Regenwald", rechnete Kolumbiens Vizepräsident jüngst in London vor, als er mit der britischen Regierung die Initiative "Geteilte Verantwortung" vorstellte. Sie will in den europäischen und amerikanischen Absatzmärkten über Umweltschäden durch Drogen aufklären.

"Rund 2,5 Millionen Hektar Wald hat die Drogenmafia bislang zerstört", bestätigt Liliana Dávalos vom American Museum of Natural History in New York - das ist mehr als die Fläche Hessens. Dort wachsen nun Coca-Sträucher, aber auch Mohn- und Hanf-Pflanzen. I

n Peru und Bolivien dominieren Coca-Sträucher ebenfalls ganze Täler und Gebirgszüge. Nur teilweise dient die Produktion dem traditionellen Gebrauch der Indios, für den der bolivianische Präsident Evo Morales so leidenschaftlich kämpft. Der Rest wird zu Kokain.

Um den Anbau einzudämmen, bekämpfen Polizei und Militär die Felder mit Entlaubungsgiften - und verschärfen so die Situation. "Die ökologischen Schäden sind enorm", sagt Dávalos, die sich seit Jahren dem Thema widmet.

Coca-Farmer fliehen die Wildnis

Immer tiefer fliehen die Farmer in die Wildnis, wo die Staatsgewalt sie schwerer erreiche. "Etwa fünf Prozent des Kokains stammt heute aus Naturschutzgebieten." Fatal in dem biologisch reichen Land, wo viele Arten oft nur auf einzelne Berge oder Täler beschränkt sind.

Die eingesetzten Herbizide töten unterschiedslos alle Pflanzen - auch in versehentlich getroffenen Wäldern oder Gemüsegärten. Regenfälle spülen das Pflanzengift in Bäche und Flüsse, wo es auf Chemikalien aus der Drogenproduktion trifft. "Die Coca-Farmer verbrauchen jährlich knapp 100.000 Tonnen Dünger und 1400 Tonnen Herbizide", schätzt Dávalos.

Um das Kokain aus dem Rohmaterial zu gewinnen, benötigt man laut der US-Drogenbehörde DEA "pro Kilogramm drei Liter konzentrierte Schwefelsäure, bis zu 80 Liter Kerosin und einen Liter Ammoniak". Nach konservativen Schätzungen werden jährlich 900 Tonnen von dem Rauschmittel hergestellt.

Die Rückstände verseuchen nicht nur die Umwelt, sie machen auch krank. In den Anbaugebieten steigt die Zahl kranker Menschen nach Spritzaktionen deutlich an. Die Betroffenen litten unter Übelkeit, Durchfall, Kopfschmerzen, Sehstörungen und Atembeschwerden. César Paz y Miño von der Katholischen Universität von Ecuador in Quito wies im Blut versehentlich mit Entlaubungsgift besprühter Dorfbewohner einen drastischen Anstieg von Schäden im Erbgut nach.

In betroffenen Regionen könnten Krebserkrankungen und Fehlgeburten zunehmen, fürchtet der Arzt. "Den wirklichen Preis von Kokain", so Vizepräsident Francisco Santos, "bezahlt nicht die westliche Gesellschaft, sondern Kolumbien."

© SZ vom 03.07.2008/mcs - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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