Klimawandel:Warnung vom Südpol

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Das Eis der Westantarktis ist in der Vergangenheit bereits mehrmals komplett abgeschmolzen. Das könnte auch in Zukunft wieder passieren, sagen Experten.

C. Schrader und A. Bojanowski

Große Teile der Antarktis reagieren offenbar empfindlicher auf Klimaveränderungen, als Forscher es sich bislang vorstellen konnten. Schon bei einer drei Grad höheren Temperatur als heute, die in diesem Jahrhundert durchaus erreicht werden kann, ist im Pliozän vor drei bis fünf Millionen Jahren die Westantarktis mehrmals komplett abgeschmolzen.

"Die Ergebnisse aus der Antarktis sollten eine Warnung sein." (Foto: Foto: dpa)

Das berichten Wissenschaftler in Nature (Bd.458, S.322, 2009). Damit verbunden war jeweils ein weltweiter Meeresspiegelanstieg von etlichen Metern.

Die Westantarktis ist eine große eisbedeckte Halbinsel, die wie ein Finger auf Feuerland zeigt. Sie wird an ihrer Wurzel von zwei großen, mit Schelfeis bedeckten Buchten vom Rest des Kontinents abgeschnürt. Das Eis auf der Halbinsel ruht zwar auf Fels, der jedoch unter der Wasserlinie liegt.

An den Rändern schließen sich Schelfe an, die auf dem Meer schwimmen. Wärmeres, steigendes Wasser könnte diese Flächen vom Kontinent lösen. Damit verlöre auch das Inlandeis seinen Halt, es drohte in den Ozean zu rutschen. Forscher vermuten daher, dass die Westantarktis eine kritische Stelle des Planeten Erde bildet - ein Kipppunkt, an dem sich oberhalb einer kritischen Temperatur die Eisschmelze beschleunigt, bis nichts übrig bleibt.

Für solche Umbrüche haben die Forscher um Tim Naish von der Victoria University in Wellington, Neuseeland, Belege gefunden; auch Experten vom Alfred-Wegener-Institut (AWI) in Bremerhaven gehörten zum Team. Sie haben in der Nähe der amerikanischen Südpolstation auf dem Ross-Eisschelf Bohrungen unternommen.

"Kurze, aber dramatische Rückzüge"

Unter 85 Meter Eis und 850 Meter Wasser fräste sich ihr Bohrer mehr als 1200 Meter tief in den Meeresboden. In den Sedimenten der oberen 600 Meter fanden die Forscher Spuren eines 40.000 Jahre währenden Zyklus, in dem der Eispanzer gewachsen und geschrumpft sein muss. Dieser Zyklus ist bekannt, er war die Folge natürlicher Veränderungen der Erdbahn um die Sonne und damit der Intensität des Lichts. Im Zuge dessen war das Eis der Westantarktis offenbar mehrere Male komplett verschwunden.

Dazu passen die Ergebnisse einer Simulationsrechnung, die ebenfalls in Nature veröffentlicht sind. Erwärmte sich in den vergangenen fünf Millionen Jahren das Südpolarmeer um mehr als fünf Grad, kollabierte das Eis, berichten Glaziologen um David Pollard von der Pennsylvania State University.

Es waren "kurze, aber dramatische Rückzüge", schreiben die Forscher. Nur auf kleinen Inseln vor der Westantarktis blieben Eiskappen zurück. Dutzende Male ist das der Berechnung zufolge passiert. Zwischendurch kehrte das Eis zurück, die Ross-Bucht fror bis zum Meeresboden durch - bevor ein neuer Zyklus begann.

Noch ist nicht klar, was das für die heutige Zeit bedeutet. Doch die Bedingungen des Pliozäns könnten aufgrund des globalen Treibhauseffekts in diesem Jahrhundert erreicht werden. Drei bis fünf Grad Erwärmung halten Klimaforscher für möglich. Viel hängt davon ab, ob sich die Welt darauf einigt, den Ausstoß von Treibhausgasen zu begrenzen.

Doch zwischen drei und fünf Grad Erwärmung liegt eine große Spanne. Außerdem dauerte der Kollaps des Eispanzers in der Westantarktis wohl mindestens tausend Jahre. Und mehrere hundert Jahre könnten vergehen, bis sich das Meer so weit erwärmt hat, dass das ungebremste Abschmelzen beginnt, kommentiert Philippe Huybrechts von der Universität Brüssel in Nature.

Solche Fristen können die Menschheit aber kaum beruhigen. Das Schmelzwasser der Westantarktis könnte die Meere erheblich steigen lassen, bevor der Kipp-Punkt erreicht ist, warnt AWI-Forscher Frank Niessen. "Die Ergebnisse aus der Antarktis sollten eine Warnung sein."

© SZ vom 20.03.2009/mcs - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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