Klimawandel: Neuer Alarm:Wärmer als warm

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Die globale Erwärmung fällt dramatischer aus als erwartet, warnen US-Wissenschaftler: Die Wirklichkeit hat die schlimmsten Annahmen der Klimaforscher übertroffen.

Christopher Schrader

Das Wetter in Chicago war am Samstag auch nicht besser als in Bayern: leicht bedeckter Himmel, die Temperaturen näherten sich dem Gefrierpunkt von unten. Doch im Grand Ballroom des Hyatt-Regency Hotels war der Winter gebannt.

"Die Folgen des Klimawandels werden viel schlimmer sein als im jüngsten Bericht des Weltklimarats IPCC beschrieben", warnen die Forscher. (Foto: Foto: dpa)

Dort warnten Forscher vor einer globalen Erwärmung, die dramatischer ausfällt als erwartet. "Unsere Gesellschaft steht vor einer Klimakrise, die schwerer zu beherrschen ist, als irgendeiner von uns dachte", sagte Chris Field von der Stanford University auf dem Jahreskongress der amerikanischen Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften. "Wir bewegen uns auf unerforschtes Gebiet, und die Folgen werden viel schlimmer sein als im jüngsten Bericht des Weltklimarats IPCC beschrieben."

Das UN-Gremium, in dem Field eine leitende Position hat, warnte im Februar 2007 vor einer Erwärmung um 1,1bis 6,4 Grad Celsius bis Ende des Jahrhunderts.

Doch inzwischen hat die Wirklichkeit die schlimmsten Annahmen der Klimaforscher übertroffen. "Die Szenarien des IPCC unterschätzen dramatisch, wie viel Kohlendioxid die Welt ausstößt", sagt Pep Canadell von der australischen Forschungsorganisation CSIRO, der das sogenannte Global Carbon Project leitet und die Emissionen jedes Jahr bilanziert. "Die Annahmen des IPCC sind seit dem Jahr 2000 nicht mehr verändert worden."

Doch just in jenem Jahr änderte sich der Charakter der Emissionen, wie Canadells Buchhaltung zeigt. Stieg der Treibhausgas-Ausstoß in den 1990er Jahren um 0,9 Prozent pro Jahr an, so sind es in diesem Jahrzehnt 3,5 Prozent pro Jahr - fast viermal so viel.

Längst hat China die USA als größter Emittent von CO2 abgelöst. Die Industrieländer insgesamt stoßen jetzt weniger Kohlendioxid aus als der Rest der Welt. Seit einigen Jahren steigt auch die Menge CO2 an, die pro Euro Wirtschaftsleistung freigesetzt wird. Vorher war der Wert jahrzehntelang gefallen.

Die wichtigste Ursache für die Trendumkehr ist, dass China und Indien ihren gewaltig gestiegenen Energiebedarf zum großen Teil mit Kohle decken. Chris Field warnt daher vor einer Entwicklung, die nicht mehr zu beherrschen ist. "Wir wollen keine kritische Schwelle überschreiten, von der an die Emission von Kohlendioxid auf Autopilot läuft."

Er sieht drei große Regionen der Erde gefährdet. Im Südpolarmeer hätten sich bereits Windmuster verändert, sodass der Ozean in Zukunft weniger CO2 aufnehmen kann. In den tropischen Regenwäldern könnte es zu verheerenden Buschbränden kommen, falls sie aufgrund des Klimawandels weiter austrocknen.

In der Tundra von Sibirien bis Alaska schließlich könnten Permafrostböden auftauen und große Mengen der dort eingeschlossenen Treibhausgase freisetzen. Alle drei Effekte tragen zur weiteren Erwärmung bei und werden dadurch noch beschleunigt. "In der Tundra und den tropischen Wäldern gibt es jeweils einen Teufelskreis", sagt Field, "aber der IPCC hat keinen von beiden im jüngsten Bericht im Detail berücksichtigt, weil man sie noch nicht gut verstanden hatte."

Nun bleibe nur der Weg, den Klimaschutz aggressiver zu betreiben. "Wir müssen einen Weg finden, den Prozess in einen höheren Gang zu schalten. Wir haben wirklich nicht mehr viel Zeit." Zumindest Field befolgt damit den Ratschlag, den Nobel- und Oscar-Preisträger Al Gore dem Kongress gegeben hat: Wissenschaftler sollten sich in die politische Debatte über Klimaschutz einmischen. Er rief seinem Publikum zu: "Wir brauchen euch."

© SZ vom 16.02.2009/mcs - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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