Klimawandel:Korallensterben bedroht 100 Millionen Menschen

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Massenflucht, Verelendung, Krankheiten: Die Szenarien, die Forscher für die Bewohner des Korallendreiecks entwerfen, sind düster.

Tina Baier

Das Meer schwemmt ganze Ortschaften weg und überflutet die Felder. Schreckliche Stürme zerstören die Infrastruktur; Korallen sterben und mit ihnen die Fische, die wichtigste Nahrungsgrundlage der Menschen an den Küsten. Die Fischer fangen im Jahr 2050 nur noch halb so viel wie heute. 100 Millionen Menschen sind betroffen. Und das ist noch das Beste, was die Wissenschaftler von WWF und der University of Queensland den Bewohnern des sogenannten Korallendreiecks versprechen können.

Die Korallenriffe in Südostasien könnten gegen Ende des Jahrhunderts verschwunden sein. (Foto: Foto: AFP)

Das schlimmere Szenario der Studie, die die die Forscher am Mittwoch veröffentlichten, sagt Indonesien, Malaysia, den Philippinen, Solomon-Inseln, Papua Neuguinea und Ost-Timor viel schwerere Umweltschäden als Folge des Klimawandels voraus. Die Wissenschaftler plädieren daher für eine drastische Reduktion der Treibhausgase, damit die Menschen der Region eine Chance haben.

Im Korallendreieck, das nur ein Prozent der Erdoberfläche ausmacht, befinden sich momentan noch 30 Prozent aller Korallenriffe. 76 Prozent aller Riff-Korallen und 35 Prozent aller Riff-Fische leben dort. Wenn der Klimawandel weiter voranschreitet wie bisher, wird das alles bis zum Ende dieses Jahrhunderts verschwunden sein.

"Das ist ein erschreckendes Ergebnis", sagt Reinhold Leinfelder, Generaldirektor des Museums für Naturkunde in Berlin. Denn die Riffe im Korallendreieck galten immer als robust und anpassungsfähig. Trotzdem sind der Untersuchung zufolge in den vergangenen 40 Jahren 40 Prozent der Korallenriffe in der Region abgestorben.

Wenn die Riffe verschwinden, geht nicht nur eine faszinierende Unterwasser-Ästhetik verloren. Der Untersuchung zufolge würde 100 Millionen Menschen an den Küsten der betroffenen Länder die Lebensgrundlage entzogen. Zum einen wird die Nahrung knapp, weil es weniger Fische gibt. Viele Arten nutzen die Riffe sozusagen als Kinderstube, in der der Nachwuchs geschützt heranwachsen kann. Für viele Fische sind die weichen Algen, die auf der Oberfläche des Kalkskeletts der Korallen wachsen, zudem die wichtigste Nahrungsquelle.

Zweitens sind die Riffe ein natürlicher Schutz vor Überflutungen. Wenn sie weg sind und zudem noch der Meeresspiegel steigt, werden der Untersuchung zufolge weite Teile der Küstenregionen dauerhaft überflutet und weggespült. "Die Riffe lassen sich auch durch menschlichen Küstenschutz kaum ersetzen", sagt Leinfelder. Das zeigten Erfahrungen auf den Malediven, wo man versucht hat, zerstörte Korallenriffe durch eine gigantische Betonwand im Meer zu ersetzen. "Danach war die Strömung hinter der Wand noch größer als vorher und hat auch die letzten Reste des Strandes weggespült."

Drittens schließlich würde sich ohne die Korallenriffe das Aussehen der Küste mit ihren Lagunen und weißen Sandstränden komplett verändern. Die meisten Touristen, von denen in der Region viele Menschen leben, würden dann vermutlich wegbleiben.

"Unter diesen Bedingungen werden Millionen von Menschen die Küstengebiete verlassen müssen", schreiben die Autoren der Studie. Wer bleibt, hat mit Nahrungsmangel und der Versalzung des Trinkwassers zu kämpfen. "Die Kindersterblichkeit wird steigen." Auf der Suche nach Nahrung und Einkommen werden die Menschen in die Städte flüchten und verelenden. Als Folge könnte es nach Ansicht der Autoren sogar zu sozialen Unruhen in der gesamten Region kommen, besagt das pessimistische Szenario.

Im besten Fall sind die Probleme anfangs ähnlich, in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts verbessert sich die Situation aber wieder, weil es gelungen ist, den Klimawandel zu stoppen. In diesem Fall stabilisieren sich die Temperaturen auf einem Niveau von 1,8 Grad Celsius über den heutigen Durchschnittstemperaturen.

Trotzdem wird die Kohlendioxidkonzentration in der Luft den kritischen Wert von 450 parts per million überschreiten, ab dem die Korallen absterben. Aus zwei Gründen: Zum einen löst sich mehr Kohlendioxid im Meerwasser, so dass es versauert. Weil sich Kalk in Säure auflöst, haben die Korallen dann Schwierigkeiten, ihr Gerüst aufzubauen.

Zum anderen bewirkt der mit dem CO2-Anstieg verbundene Temperaturanstieg, dass sich die Algen, mit denen die Korallenpolypen in einer so genannten Symbiose zusammenleben, stark vermehren. Als Reaktion schmeißen die Polypen ihre Untermieter quasi raus und bleichen aus.

"Dieser Prozess kann rückgängig gemacht werden, wenn er nicht zu lange dauert", sagt Leinfelder. Und genau das ist die Hoffnung für das beste Szenario: Dass die Korallen die schlimmste Zeit irgendwie überleben und sich dann wieder erholen können, wenn die Bedingungen etwa ab dem Jahr 2050 wieder besser werden.

Um dieses Überleben zu sichern, dürfe die Welt aber nicht weitermachen wie bisher, so die Autoren. Die Kohlendioxid-Emissionen müssten spätestens im Jahr 2020 ihren Höhepunkt erreichen und dann sinken. Im Jahr 2050 sollte der Ausstoß bereits um 80 Prozent unter dem Level von 1990 liegen.

Währenddessen brauchen aber die Menschen der Region Hilfe. Nahrungs- und Wassermangel müssen ausgeglichen werden, bis sich die Situation wieder verbessert - etwa durch Investitionen in Aquakulturen und die Erschließung neuer Trinkwasserquellen. Das wird nach Ansicht der Autoren nicht ohne finanzielle Hilfe der Industrieländer möglich sein.

© SZ vom 13.05.2009/beu - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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