Klimawandel in der Antarktis:Gar nicht so kalt

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Forscher haben bisher offenbar unterschätzt, wie stark sich der Kontinent am Südpol aufgrund des globalen Klimawandels erwärmt.

Christopher Schrader

Wenn in Deutschland Schnee fällt, ist in der Antarktis Sommer. Seit Jahren starren Polarforscher dann gebannt auf die großen Eisschelfe am Rand des Kontinents, ob wieder Platten von der Größe ganzer Länder abbrechen.

Ein hohes Gebirge teilt die Antarktis. Der Westen erwärmt sich seit Jahrzehnten stark - hier gekennzeichnet durch die kräftige rote Farbe. Aber auch der Osten schimmert zart rosa. (Foto: Foto: Steig/Nasa)

Im Jahr 2000 zum Beispiel hatte sich eine Fläche so groß wie Jamaika gelöst. Zurzeit beobachten die Wissenschaftler das Wilkins-Schild im Nordwesten des Kontinents.

Dort schwamm einst Eis von der Größe Schleswig-Holsteins auf dem Wasser. Ein Drittel davon ist zerbröselt, ein weiteres Viertel wird nur durch einen kleinen Steg Eis festgehalten. Er ähnelt einer Stange Spargel, die sich mit dem Kopf an eine Insel lehnt.

An der schmalsten Stelle ist der Steg aber nur noch 900 Meter breit, sagt Angelika Humbert von der Universität Münster. "Im schlimmsten Fall werden 3800 Quadratkilometer Eis instabil, wenn es dort bricht."

Polarforscher verknüpfen solche spektakulären Ereignisse mit dem globalen Klimawandel. Die Erwärmung hat einer Studie zufolge bereits die Antarktis als Ganzes erfasst.

Bisher hieß es meist, die Temperaturen stiegen vor allem auf der antarktischen Halbinsel im Westen, die sich Feuerland entgegenstreckt; also in der Region, zu der auch das Wilkins-Schelf gehört.

Der Osten des Kontinents hingegen kühle eher aus. Dem widersprechen nun sechs amerikanische Wissenschaftler um Eric Steig von der University of Washington in Seattle. Nur im Südherbst zeige sich die Abkühlung im Osten. Ansonsten aber habe sich der Kontinent insgesamt seit 1957 um etwa 0,6 Grad Celsius erwärmt ( Nature, Bd.457, S.459, 2009), weil die Temperaturen überall gestiegen seien.

Dieser Aussage liegt eine komplizierte Analyse zugrunde, denn die Daten aus der Antarktis sind spärlich. Zwischen 1957 und 1980 gibt es zuverlässige Messungen nur von gut zwei Dutzend bemannten Forschungsstationen, die fast alle in der Nähe der Küsten lagen. 1980 kamen automatisierte Wetterstationen hinzu, erst seit 1982 liefern Satelliten einen Überblick über die Fläche.

Die Forscher mussten also die fehlenden Daten aus früheren Zeiten und aus dem Landesinneren hochrechnen. Sie erkannten dabei, dass es zwischen den unterschiedlich gemessenen Temperaturen ab 1982 feste Relationen gab, die sie dann auf die früheren Jahre übertragen konnten.

Weiterbildung für den Klimarat

Dieses Verfahren wandten sie unabhängig voneinander auf die Daten der Satelliten und der automatischen Wetterstationen an; beide lieferten nahezu identische Ergebnisse.

"Das ist eine sehr seriöse Arbeit", lobt Angelika Humbert, die mit den gleichen Daten und einem ähnlichen Verfahren die Temperaturen auf dem Ross-Eisschelf im Südwesten der Antarktis rekonstruiert hatte und zu den gleichen Ergebnissen gekommen war. "Es ist aber das erste Mal, dass jemand diese Erwärmung des Ostens zeigen kann."

Allerdings hängt die Temperatur des antarktischen Ostens stark vom genauen Zeitraum ab. Zwischen 1957 und 2006 ergibt sich eine leichte Erwärmung, zwischen 1969 und 2000 eine Abkühlung.

Neben den Treibhausgasen spielen am Südpol eben noch andere Faktoren ein Rolle: Veränderungen in der vorherrschenden Luftzirkulation und das Ozonloch, das den höher gelegenen Osten kühlt. "Die Bemühungen, das Ozonloch zu stopfen, werden irgendwann wirken. Wenn das passiert, könnte sich die Antarktis im Gleichschritt mit dem Rest der Welt erwärmen", warnt Eric Steig.

Ohnehin hatte vor einigen Wochen eine andere Forschergruppe belegt, dass der Einfluss des Menschen längst die Antarktis erfasst - der Weltklimarat IPCC hat diese Frage in seinem Bericht 2007 offengelassen.

Die Wissenschaftler um Nathan Gillett von der University of East Anglia in Norwich haben die verfügbaren Temperaturdaten mit vier Klimamodellen verglichen, die die Vergangenheit nachvollziehen sollten.

Ignorierten die Computer den Einfluss des Menschen auf das Klima, passten die berechneten Temperaturen nicht zu den realen Messwerten aus der Südpolregion. Erst als die Rechner beim simulierten Blick zurück Treibhausgase, andere Schadstoffe und das Ozonloch berücksichtigten, ergab sich das korrekte Muster.

© SZ vom 22.01.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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