Klimawandel:Der Reiz des Emissionshandels

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Warum es dem Planeten hilft, wenn die armen Länder Verschmutzungsrechte an reiche Nationen verkaufen dürften.

Ernst-Ulrich von Weizsäcker

Die EU geht frohgemut und mit einem Acht-Punkte-Programm gerüstet zur Klimakonferenz nach Bali. Die Amerikaner, so meint man, sind daran gehindert, wieder alles zu blockieren: durch das Wort, das Präsident Bush in Heiligendamm gegeben hat, sowie durch das Vorpreschen von Kalifornien und anderer Bundesstaaten.

Kohleherstellung aus Kokosnüssen in Jakarta, Indonesien. "Wir müssen dafür sorgen, dass die Entwicklungsländer jetzt einen klimaverträglichen Weg einschlagen." (Foto: Foto: dpa)

Die Entwicklungsländer werden bei Laune gehalten, indem man ihnen Geld, Technologietransfer und lukrative Möglichkeiten im Rahmen des Handels mit Treibhausgasen einräumt. Auch Geld zur Anpassung an neue Klimabedingungen wird versprochen.

Und Europa selbst will sich bis 2020 zu einer 30-prozentigen Reduktion im Vergleich zu 1990 verpflichten, wenn die anderen Industrieländer Vergleichbares leisten und die Schwellenländer angemessen mitmachen.

Das wäre das "Kyoto-Plus"-Mandat, auf dessen Basis dann im Jahr 2009 in Kopenhagen der Sack zugemacht werden soll. Diese EU-Strategie ist natürlich viel besser als die konkurrierende Strategie der USA, alles der Freiwilligkeit zu überlassen.

Das ist ja der Kern der zwischen den USA und Australien ausgeheckten und von China und Indien mitgetragenen Asia-Pacific Partnership for Clean Development and Climate (APP). Auch Südafrika, Saudi-Arabien, Brasilien und andere finden es chic, jeden Ansatz zu verbindlichen Verpflichtungen zu sabotieren.

Europa versucht, diese Blockade durch das gute Vorbild zu überwinden. Wir zeigen der Welt, dass die Abkoppelung des Wohlstands von den Klimagasen technisch möglich und politisch organisierbar ist.

Stecken wir nicht den Kopf in den Sand

Und wenn es alle begriffen haben, machen doch sicherlich alle mit. Wann soll das eigentlich passieren, dieses Begreifen und Mitmachen? Stecken wir nicht den Kopf in den Sand. Das wird mindestens 15 Jahre dauern, eher 30. Und das ist genau das Zeitfenster, in dem der Klimaschutz noch billig zu haben ist.

In dieser Zeit bauen die Entwicklungsländer, wenn sie von Freiwilligkeit, Markt und eiligen Geschäftemachern geleitet werden, die Infrastrukturen auf, die sie dann für weitere 50 bis 100 Jahre auf eine energie- und transportintensive Form von Wohlstand festlegen.

Jeder weiß doch um die Tatsache, dass China derzeit jede Woche ein bis zwei große Kohlekraftwerke ans Netz nimmt, und Indien macht alle Anstrengungen in ähnlicher Richtung. Nein, wenn wir ernstnehmen, was uns Sir Nicholas Stern, der frühere Chefökonom der Weltbank, vorgerechnet hat, dass wir sofort handeln müssen, damit der Klimaschutz bezahlbar bleibt, dann dürfen wir uns mit der edlen Strategie des guten Vorbilds nicht zufriedengeben.

Wir müssen dafür sorgen, dass die Entwicklungsländer jetzt, und nicht erst in 15 Jahren, einen klimaverträglichen Weg einschlagen. Und wir sollten die Mahnung des UN-Generalsekretärs beherzigen, in Bali ein umfassendes Mandat zu bekommen, das alle Länder akzeptieren können.

Aber wie soll das gehen, wo viele der aufstrebenden Länder schon das europäische Ansinnen einer "angemessenen" Beteiligung als Anmaßung zurückweisen und sich dabei bequem hinter der amerikanisch-australischen APP verschanzen können? Nun, diese Frage - wie es funktionieren könnte -, die hat der indische Ministerpräsident Manmohan Singh persönlich beantwortet, als er aus Anlass des Heiligendamm-Gipfels in Deutschland zu Gast war.

Jeder Mensch auf der Erde hat ein gleich großes Recht, unsere Atmosphäre zu belasten. Und wenn der Norden derzeit noch mehr solcher Rechte benötigt, soll er sie dem Süden abkaufen. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat diese Idee in einer mutigen Rede Ende August vor dem japanischen Nikkei-Wirtschaftssymposium aufgegriffen. Wir Deutschen könnten auf Dauer kein größeres Recht in Anspruch nehmen als die Inder, sagte die Kanzlerin.

Deutsche haben kein größeres Recht als Inder

Ernst-Ulrich von Weizsäcker (Foto: Foto: dpa)

Warum eigentlich diese Einschränkung: "auf Dauer"? Es gibt keinen stichhaltigen Grund, warum wir Deutschen ein solches größeres Recht heute noch in Anspruch nehmen dürften. Wenn wir nach Indien oder Ägypten oder Bolivien auf Einkaufstour für Emissionslizenzen gehen würden, hätten wir immer noch den riesigen Vorteil gegenüber diesen Ländern, dass wir das Geld hätten, die Lizenzen zu bezahlen.

Und wenn wir die Gesamtmenge der Lizenzen für das Jahr 2012, dem Ende der Kyoto-Periode, etwas großzügig bemessen, dann würden die Lizenzen noch nicht einmal sehr teuer. Man muss nur dafür sorgen, dass die Menge später abnimmt, selbst bei wachsender Weltbevölkerung.

Das System der gleichen Emissionsrechte pro Kopf, auch als "Konvergenz-Strategie" bezeichnet, hätte einen gigantischen Vorteil. Es würde schlagartig für die Entwicklungsländer lukrativ, allen voran China und Indien, die Lizenzen nicht zu verschwenden, sondern zu verkaufen.

Vom Tag eins an würde dort das Investieren in kohlesparende Technologien und Infrastrukturen fürstlich belohnt. Wer heute noch an immer neuen Kohlekraftwerken verdient, der würde dann sein Geld eher mit Effizienztechnologien und erneuerbaren Energien machen. Und wir Deutschen und die Japaner würden gutes Geld verdienen, um den Chinesen und anderen unsere Effizienztechnologien zu verkaufen. Auch darauf hat Frau Merkel in Tokio hingewiesen.

Abschied von der Verschwendungswirtschaft

Gewiss müssten Nord und Süd eine anstrengende Anpassungsphase durchlaufen. Der Abschied von der Verschwendungswirtschaft ist technologisch und psychologisch eine Herausforderung. Aber wenn es nachgewiesenermaßen möglich ist, die Energie- und Ressourceneffizienz wenigstens um den Faktor Vier zu steigern, dann brauchen wir keinen Wohlstandseinbruch zu befürchten.

Genau das sagt ja Nicholas Stern. Die Wohlstandseinbrüche durch wiederholte Dürre-, Wirbelsturm- und Flutkatastrophen oder gar durch ein Auseinanderbrechen des grönländischen Eises wären ungleich größer.

Zurück zu Bali. Dort geht es um das Mandat für das Klimaregime nach 2012. Die deutsche Delegation, zusammen mit der portugiesischen Präsidentschaft und EU-Umweltkommissar Stavros Dimas, sollte dafür sorgen, dass die Idee der gleichen Emissionsrechte pro Kopf dort in das Mandat aufgenommen wird, gleichgewichtig mit dem derzeitigen Acht-Punkte-Plan.

Wenn die Entwicklungsländer diese beiden Pläne betrachten, werden sie das Erstere sofort als lukrativ erkennen und geneigt sein, der amerikanischen Freiwilligkeitsstrategie zu entsagen. Das wäre für uns Europäer der größte diplomatische Erfolg. Und für unsere Enkel die beste Nachricht!

Ernst-Ulrich von Weizsäcker ist Dekan der"Bren School of Environmental Science and Management" an der University of California in Santa Barbara. Er war SPD-Bundestagsabgeordneter.

© SZ vom 26.11.2007/mcs - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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