Klimakiller Kuh:Abgasfilter für rülpsende Rinder

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Klimabewusstsein auch bei der Viehzucht: Weil Rinder in einigen Ländern für ein Fünftel der Treibhausgas-Emissionen verantwortlich sind, wollen Biotechnologen den Methanausstoß der Tiere senken.

Kathrin Burger

Winfried Drochner hat eine Mission. Seit der Klimawandel nahezu täglich in die Schlagzeilen gerät, interessieren sich Presseleute, Sponsoren aber auch Tierschützer für den Agrarwissenschaftler von der Universität in Stuttgart-Hohenheim.

Ein Klimakiller auf vier Beinen? (Foto: Foto: dpa)

Drochner will den Methanausstoß bei Kühen senken, wozu er eine Riesentablette erfunden hat. Schließlich gehen immerhin 15 Prozent der Methanemissionen weltweit auf Nutztiere zurück - auf Rinder, Schafe und Schweine.

Wie gefährlich Methan für das Klima ist, haben Wissenschaftler lange unterschätzt. Forschern, die Tiere dazu bringen wollen, weniger von dem Treibhausgas zu produzieren, wurde darum wenig Beachtung geschenkt. Heute weiß man: Ein Kilogramm Methan wirkt sich auf die Erderwärmung bis zu 23-mal stärker aus als dieselbe Menge Kohlendioxid.

Noch dazu hat sich die Methankonzentration in der Atmosphäre in den vergangenen 50 Jahren versechsfacht. Und es wird immer mehr, schließlich wächst weltweit der Hunger auf Fleisch.

Jahrelang hatten Drochner und seine Kollegen weitgehend unbeachtet geforscht, die Klimadiskussion beschert ihnen nun großes Interesse. "Auch in der Nutztierhaltung haben wir die Möglichkeit, die globale Erwärmung zu bekämpfen", ist Drochner überzeugt. Einfach wird das allerdings nicht. Rinder verfügen über ein komplexes Verdauungssystem.

Abgerupftes Gras gelangt als erstes in den Pansen, einen von vier Mägen der Kuh. In dieser sackartigen Gärkammer leben bis zu sieben Kilogramm Mikroorganismen, die die Nahrung aufspalten - Bakterien, Hefen, Pilze und Protozoen. Sie bauen Zellulose aus Gras und Stroh zu Essigsäure um, die Milchdrüsen zu hochwertigem Eiweiß verwandeln. Stärkereicher Mais und Getreide wird zu Propion- und Buttersäure und dient der Energieversorgung.

Vor allem beim Zelluloseabbau produzieren die Mikroben auch Methangas. Das Gas entweicht dem Tier als Rülpser - etwa alle vierzig Sekunden einmal. So stoßen Rinder in Deutschland jährlich 500000 Tonnen des Treibhausgases aus. Die faustgroße Tannin-Tablette, an der Drochner arbeitet, könnte die Methanproduktion um 20 Prozent senken.

Mikroben rauben Energie

Tannine hemmen das Wachstum der Protozoen im Rinder-Pansen. Der Brocken würde im Magen mehrere Wochen verbleiben. Darum sei er auch praktikabel in der Weidehaltung, so Drochner. Anfragen liegen bereits aus England, Norditalien und Brasilien vor.

Wie in Hohenheim suchen Forscher weltweit nach Möglichkeiten, den Kühen das Methan auszutreiben. Bauern sind daran auch finanziell interessiert, denn wenn Mikroben im Kuhmagen Methan produzieren, schmälern sie die Milch- und Muskelproduktion, weil Energie verloren geht.

Um den Methanausstoß zu messen, muss die Kuh für ein bis zwei Tage in eine Respirationskammer, wo sie genau abgewogene Mahlzeiten verdaut. Aus Zu- und Abluft berechnen die Forscher die Methanmenge, die sie freisetzt.

Michael Kreuzer von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich hat mit dieser Kammer Saponine, die in Hülsenfrüchten vorkommen, als Futterzugabe untersucht. "Diese lösen die Zellwände von Protozoen auf, wirken aber auch direkt gegen methanbildende Bakterien", erläutert Kreuzer.

Auch Fett, das man dem Futter etwa in Form von Kokosfett oder geschrotetem Leinsamen beimengt, reduziert die Protozoen-Besiedelung. "Die einzelligen Protozoen braucht das Tier nicht unbedingt", so lautet die einhellige Meinung der Experten.

Die Anreicherung mit Fetten oder sekundären Pflanzenstoffen könnte die Methanmenge im Pansensack ebenfalls um bis zu 20 Prozent senken. Bislang ist das allerdings nur eine theoretische Möglichkeit. Einige dieser Futtermittel sind zwar bereits auf dem Markt, nur die richtige Zusammensetzung ist noch unklar. Außerdem: Das klimafreundliche Plus an Pflanzenstoffen oder Fett ist teuer.

Und schließlich hat es auch seine tiermedizinischen Grenzen: "Man kann die Nährstoffzufuhr nicht beliebig verändern. Bei zu massiven Eingriffen in die mikrobiellen Gemeinschaften sind unerwünschte Nebenwirkungen nicht auszuschließen", sagt Kreuzer. Der Nutzen von Zusatzstoffen zum Futter ist deshalb umstritten.

Noch effizienter und tiermedizinisch fast bedenkenlos lässt sich die Methanwolke per Diät reduzieren. Je mehr Grünfutter die Kuh bekommt, desto mehr Methan rülpst sie in die Atmosphäre, denn in Gras ist viel Zellulose enthalten. Kraftfutter liefert hingegen hauptsächlich Stärke, die um bis zu 30 Prozent methanärmer abgebaut wird.

Dem Klima zuliebe auf Diät

Die kraftvolle Turbo-Kuh ist also in dieser Hinsicht die Öko-Kuh. Aber die Gülle von Hochleistungskühen ist problematischer. Bei der Lagerung entweichen aus ihr beträchtliche Mengen Methan in die Atmosphäre. Ob nun "bio" klimafreundlicher ist, als "konventionell", darauf wollen sich Forscher zurzeit noch nicht festlegen.

Kleine Herden, die mit einer kraftfutterreichen Diät aufpäppelt werden, scheinen dem Ideal am nächsten zu kommen: "Das ist in vielen Bundesländern schon Alltag", sagt Hubert Spiekers von der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft. "In den letzten 15 Jahren ist der Rinderbestand in Deutschland um 30 Prozent reduziert worden." Der Methanausstoß aus der Landwirtschaft sei darum also bereits rückläufig.

Das größte Einsparpotential liegt sowieso nicht in Deutschland. Hier tragen Rinder nur etwa zwei Prozent zur gesamten Emission an Treibhausgasen bei. Anders sieht es in Australien, Neuseeland, Nord- und Südamerika sowie in Kanada aus. Schafherden in Australien verursachen beispielsweise 18 Prozent der nationalen Treibhausgasproduktion, in Neuseeland soll diese Zahl sogar bei 43 Prozent liegen.

Eine starke Motivation für Forschergruppen in Brisbane, Queensland, Manitoba oder Mexico City. Kleine Bestände und Futterzusätze - außer in Form von Drochners Riesentablette - sind in der dort praktizierten extensiven Viehwirtschaft schlichtweg nicht machbar. Die Tiere werden hier nicht gefüttert, sondern wandern grasend durch die Prärien. Darum sucht man dort nach anderen Wegen.

In Neuseeland wurde extra ein "Pastoral Greenhaus Gas Research Consortium" (PGGRC) ins Leben gerufen, eine Institution, die von Universitäten und staatlichen Labors unterstützt wird.

Unter der Leitung des Wissenschaftlers Mark Aspin hat man hier etwa das Genom des Pansenbewohners Methanobrevibactor ruminantium entschlüsselt und sucht in seinen Genen nun nach Angriffspunkten gegen die mikrobielle Treibhausgasproduktion. Proteine mit speziellem Design etwa könnten Gene einschalten, die die Mikroben am Wachstum hindern, nützliche Bakterien aber unbeachtet lassen. Die Kleesorte Trifolium ambiguum könnte auf Weidegrund gesät werden. Sie wird methanärmer verdaut als herkömmliches Grünfutter.

Impfung gegen Gasausstoß

Auch den Einsatz chemischer Mittel scheut man am PGGRC nicht. Aspin hat schon einige künstliche Substanzen ausfindig gemacht, welche die Methanbildung direkt hemmen könnten. Doch was aus all diesen Projekten tatsächlich wird, wie praktikabel oder risikobehaftet sie sind, muss sich erst zeigen.

Vielversprechend war dagegen die Idee von André-Denis Wright, Molekularbiologe am Forschungsinstitut CSIRO in Queensland. Er hat vor drei Jahren Schafe probehalber gegen die methanbildenden Mikroben geimpft.

Die Erfolgsquote war allerdings gering: Gerade mal acht Prozent weniger Mikroben tummelten sich nach der Impfung im Magen. "Ausbaufähig", hieß es danach in Forscherkreisen. Heute ruht das Projekt, was Kollegen bedauern. Wright beobachtet stattdessen Kängurus. "Sie produzieren kaum Methan", schwärmt Wright, "obwohl sie das Gleiche fressen wie Schafe und Rinder".

© SZ vom 6.6.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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