Kennewick-Mann:Und er war doch ein Indianer

Anlass für die Spekulation war seit dem Fund vor allem die Form des Kennewick-Schädels gewesen: Sie wich deutlich von der Form indianischer Schädel ab. (Foto: Elaine Thompson/AP)

Das Erbgut des Kennewick-Mannes, einem Ureinwohner der heutigen USA, ist entziffert - und zeigt: Der erhoffte Fremde war ein Einheimischer.

Von Kathrin Zinkant

Die seit fast zwei Jahrzehnten schwelende Kontroverse um den spektakulären Knochenfund von Kennewick in den Vereinigten Staaten hat ein überraschendes Ende gefunden: Wie ein Forscherteam um den dänischen Geogenetiker Eske Willerslev von der Universität in Kopenhagen in einer Express-Veröffentlichung des Fachjournals Nature (online) berichtet, handelt es sich bei dem 9000 Jahre alten Skelett um einen engen Verwandten der Native Americans und damit tatsächlich um einen Ahnen der neuzeitlichen Indianerstämme.

Das Skelett stammt demnach nicht, wie lange Zeit spekuliert wurde, von einem neuen Protagonisten der noch lückenhaft geklärten Besiedlungsgeschichte des nordamerikanischen Kontinents.

Anlass für die Spekulation war seit dem Fund vor allem die Form des Kennewick-Schädels gewesen: Sie wich deutlich von der Form indianischer Schädel ab. Der Befund nährte deshalb die Vermutung, es habe schon vor der Ankunft der eigentlichen Urindianer Amerikas, der sogenannten Clovis-Menschen, vor 11 000 Jahren eine Besiedlung durch mindestens ein weiteres steinzeitliches Volk gegeben. Als Kandidaten gelten polynesische oder japanische Urvölker. Der Kennewick-Mann sollte einer der vor 9000 Jahren noch lebenden Nachfahren dieser frühen Siedler sein.

Dass diese spannende Hypothese nun mindestens einen prominenten Beleg verloren hat, ist der modernen Genetik zu verdanken. Willerslev und seine Kollegen hatten DNA aus einem Handknochen isoliert. Trotz massiver Schädigungen lässt sich solch altes Erbgut heute wieder rekonstruieren und ausbuchstabieren. Im Vergleich zeigt die DNA des Kennewick-Mannes ein ähnliches genetisches Muster wie die DNA von Vorfahren der heute noch lebenden Indianerstämme.

© SZ vom 19.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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