Intention im Hirnscan:Ich weiß, was Du denkst

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Wissenschaftler haben herausgefunden, wo im Hirn man hinschauen muss, um Pläne vor der Realisierung zu beobachten.

Markus C. Schulte von Drach

Wenn wir etwas tun, dann steht vor der Handlung meist die Intention - und die ist geheim, bis wir unseren Plan ausgeführt haben.

An dieser Stelle im Hirn konnten die Forscher beobachten, ob jemand subtrahieren oder addieren würde. (Foto: Foto: Bernstein Center for Computational Neuroscience Berlin)

Wissenschaftler aus Deutschland Großbritannien und Japan haben nun mit Hilfe der Kernspintomographie dem Hirn erstmals dabei zugesehen, wie es eine Intention entwickelt hat.

Und - bezogen auf eine bestimmte Aufgabe - konnten sie anhand der Hirnaktivität sogar vorhersagen, welchen Plan ihre Testteilnehmer ausführen würden.

Was zuvor nur dem Denker selbst bekannt war, konnten die Forscher um John-Dylan Haynes vom Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig am Computerbildschirm ablesen.

Die Wissenschaftler hatten ihre Probanden gebeten, zu entscheiden, ob sie zwei Zahlen, die man ihnen später präsentieren würde, addieren oder subtrahieren würden.

Die Intention sollten sie dann für mehrere Sekunden aufrecht erhalten, bis sie die Zahlen tatsächlich sehen und verrechnen konnten.

Auf diese Weise konnten Haynes und sein Team sicher sein, dass sie in dieser Zeit nur die Hirnaktivität beobachteten, die mit dem Vorhaben zusammenhing - nicht aber mit dem Ausführen des Planes selbst.

"Es war bereits zuvor vermutet worden, dass Pläne, für die man sich frei entschieden hat, in den mittleren Bereichen des Stirnhirns gespeichert werden - Pläne, die Anweisungen folgen, dagegen auf der Oberfläche des Gehirns", erklärte Haynes. "Wir konnten diese Theorie mit unseren Experimenten bestätigen."

Zuvor war es Forschern um Richard Andersen vom California Institute of Technology (Caltech) in Pasadena, USA gelungen, Neuronen im Gehirn von Rhesusaffen zu belauschen, die an der Planung, nicht aber an der Umsetzung von Bewegungen beteiligt sind. Auch Andersen und seine Leute waren in der Lage, mit Hilfe eines Computers die Entscheidungen der Tiere vorherzusagen.

Und Daniel Rizzuto aus Andersens Team konnte bei Menschen aus der über Elektroden gemessenen Hirnaktivität in einem Bereiches des vorderen Stirnlappens ablesen, in welche Ecke eines Bildschirms seine Studienteilnehmer blicken würden.

Unklar war bislang jedoch, ob die beobachteten Aktivitäten im Stirnlappen tatsächlich mit der Intention oder zum Beispiel nur mit der Vorbereitung von möglichen Bewegungen zusammenhing.

Die Leipziger Forscher aber wollten die Intention beobachten - nichts sonst. Und das ist ihnen offenbar gelungen, indem sie mit Hilfe eines Computers die charakteristischen Aktivitätsmuster im Hirn identifizierten, die im Zusammenhang mit dem Vorhaben auftraten.

Das Programm der Wissenschaftler war in der Lage, die Muster der Hirnaktivität für die Entscheidung "addieren" oder "subtrahieren" zu erkennen und zu lernen. Auf dieser Grundlage konnten die Forscher in 70 Prozent der Fälle die Rechnung anhand der Muster allein vorhersagen.

"Die Experimente zeigen, dass Intentionen nicht in einzelnen Nervenzellen gespeichert werden, sondern in räumlichen Mustern der Hirnaktivität", sagte Haynes. Darüber hinaus schließen die Forscher, dass Regionen im vorderen Bereich des Gehirns Intentionen speichern, bis sie ausgeführt werden. Ist es soweit, übernehmen weiter hinten liegende Regionen.

Haynes und sein Team hoffen, dass ihre Erkenntnisse helfen können, sogenannte Gehirn-Computer-Schnittstellen zum Beispiel für gelähmte Patienten weiterzuentwickeln. Mit Hilfe von Elektroenzephalogrammen, aber auch mit Elektroden direkt im Gehirn werden dazu Gehirnströme aufgezeichnet und so umgesetzt, dass die Betroffenen künstliche Gliedmaßen oder Computer steuern können.

Erste Versuche mit Roboterarmen oder der Steuerung von Computer-Cursorn haben bereits vielversprechende Ergebnisse mit menschlichen Versuchspersonen erbracht - wobei allerdings nicht die Planungsphase, sondern die Ausführungsphase der Bewegungen umgesetzt wurde.

Bei Affen allerdings ist man schon weiter: Das Team um Andersen vom Caltech hat Rhesusaffen bereits eine Gehirn-Computer-Schaltstelle in einer mit der Planung von Bewegungen befassten Hirnregion eingepflanzt. Die Tiere lernten, einen Cursor auf einem Bildschirm zu bewegen. Die Muskeln ließen sie dabei ruhen.

Während die Forschungsergebnisse zum Beispiel Menschen mit Querschnittslähmung oder ALS Hoffnung machen, haben andere ethische Bedenken.

Sie befürchten, dass es nicht bei dem Ziel bleibt, Kranken zu helfen, sondern dass es irgendwann darum gehen wird, das gesunde menschliche Gehirn zu verbessern. Darüber hinaus gibt es auch beim Militär großes Interesse an der Entwicklung von Gehirn-Computer-Schaltstellen, etwa um Piloten von Kampfflugzeugen schnellere Reaktionen zu ermöglichen.

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