Insektenabwehr:Der Duft, den Mücken hassen

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Zoologen entwickeln aus dem Schweiß von Menschen, die selten gestochen werden, ein Mittel zur Insektenabwehr.

Tina Baier

Man kann sich vergnüglichere Experimente vorstellen als die von Peter Logan und John Pickett. Die beiden Zoologen vom britischen Rothamsted Research Centre wollten herausfinden, warum manche Menschen Stechmücken magisch anzuziehen scheinen, während andere von Stichen verschont bleiben.

In vielen Ländern sind Mücken nicht nur lästig, sondern auch gefährlich, weil sie Krankheitserreger übertragen können. (Foto: Foto: ddp)

Dazu benutzten sie eine Y-förmige Versuchsanordnung: In jeden der beiden langen Arme musste je ein Proband seine Hand stecken. Dann ließen die Forscher am kurzen Ende die Mücken los und beobachteten, welcher von beiden öfter gestochen wurde.

Versuchsteilnehmer, die unattraktiv waren für die Moskitos steckten die Wissenschaftler bis zum Kinn in einen Plastiksack und sammelten ihren Schweiß. Das Gemisch, das zwischen 200 und 300 verschiedene Stoffe enthält, wurde mit einem Gaschromatographen in seine Einzelsubstanzen aufgetrennt. An jeder ließen Logan und Pickett Mücken schnüffeln, deren Antennen sie zuvor mit Elektroden verbunden hatten. Das elektrische Signal war umso stärker, je heftiger die Insekten auf einen Duft reagierten.

Diejenige Substanz, vor der sich die Mücken im Labor am meisten ekelten, hat Pickett kürzlich selbst im Freiland getestet: Mit bloßen Armen ging er in die schottischen Highlands, wo die "Scottish biting midge" (Culicoides impunctatus) lebt.

40.000-mal in der Stunde

"Die Tiere können einen Menschen in einer Stunde 40.000-mal stechen", sagt der Mückenforscher. Einen seiner Arme rieb Pickett mit Alkohol ein, den anderen mit der Anti-Mücken-Substanz. "Der ungeschützte Arm war nach kurzer Zeit von Stichen übersät", sagt er. "In den geschützten Arm hat keine einzige Mücke gestochen". Zurzeit testet Pickett in Afrika, ob sein Mittel auch Malaria- und Gelbfiebermücken abschreckt.

Welchen Stoff sie genau gefunden haben, wollen die Forscher geheim halten, bis sie ein Patent angemeldet haben. Pickett, der seine Arbeit vergangene Woche auf der Royal Society Summer Science Exhibition in London vorstellte, verrät nur so viel: "Die Substanz riecht in hoher Konzentration fruchtig und wird von manchen Pflanzen als Stressreaktion produziert, kurz bevor sie sterben."

Dass Pflanzen Chemikalien enthalten, die Mücken abschrecken, ist schon lange bekannt. "Fast jedes Volk kennt irgendeine Pflanze, die Moskitos vertreiben soll", sagt Andreas Rose, von der Firma Biogents, die potenzielle Insektenschutzmittel testet.

Die Menschen am Mississippi etwa verreiben die Blätter des Liebesperlenstrauchs (Callicarpa americana) und schmieren sich mit dem Saft ein. Dessen Inhaltsstoffe Callicarpenal, Intermedeol und Spathulenol sollen die Mücken verscheuchen. "Das Problem ist aber immer, dass auch solche natürlichen Chemikalien für den Menschen oft gesundheitsschädlich sind", sagt Rose.

Martin Geier, Leiter der Arbeitsgruppe "Verhalten von Stechmücken" an der Universität Regensburg, hält es theoretisch für möglich, dass auch Menschen Stoffe produzieren, die abschreckend auf Mücken wirken. Bisher ist nur bekannt, welche Substanzen in menschlichen Ausdünstungen Mücken besonders anziehend finden: Einen Cocktail aus Milchsäure, Ammoniak und bestimmten Fettsäuren.

"Die einzelnen Komponenten müssen in einem ganz bestimmten Mischungsverhältnis vorkommen, sonst lockt es die Mücken nicht an", sagt Geier. Eine Erklärung dafür, dass manche Menschen kaum gestochen werden, könnte deshalb seiner Meinung nach auch sein, dass sie die einzelnen Substanzen im "falschen" Verhältnis produzieren.

Die Mär vom süßen Blut

Dass die Insekten "süßes Blut" bevorzugen, sei dagegen nur eine Legende. Auch die Behauptung einer amerikanischen Forschergruppe, wonach Menschen mit hohem Cholesteringehalt besonders oft zu Mückenopfern werden, sei bis heute in keiner Fachzeitschrift publiziert worden. Das legt die Vermutung nahe, dass sie nicht stimmt.

Essgewohnheiten haben erwiesenermaßen nichts damit zu tun, ob ein Mensch oft gestochen wird oder nicht. Probanden, die viel Knoblauch gegessen haben oder Vitamin-B1-Tabletten schluckten, wurden in wissenschaftlichen Tests ebenso häufig gestochen wie andere Menschen. "Das Einzige, das die Mücken etwas abschreckt, ist häufiges Waschen", sagt Geier.

An der geometrischen Struktur und der Größe der Duftwolke um ein Lebewesen herum erkennen die Insekten, ob sie einen Menschen anfliegen oder etwa eine Maus. Fast alle Mückenarten identifizieren ihre Opfer außerdem an der Kohlendioxid-Fahne in der ausgeatmeten Luft.

Arten, die sich besonders stark an CO2 orientieren, stechen bevorzugt in Kopf und Oberkörper. Die Theorie, dass sich Mücken, die am liebsten in die Beine stechen, am Geruch von Fußkäse orientieren, war dagegen falsch, sagt Geier. Das habe ein Experiment eindeutig gezeigt. Bluthungrige Mücken mit dieser Vorliebe wurden dabei auf Probanden losgelassen, die mit den Füßen in der Luft auf dem Boden lagen.

Tiefster Punkt am Körper

In dieser Position wurden sie nicht mehr in die Beine gestochen, sondern in Gesäß und Rücken. "Die Insekten scheinen den tiefsten Punkt am Körper zu suchen", sagt Geier. Das ergebe auch Sinn: "Als Mücke wird man schnell erschlagen und diese Gefahr ist geringer, wenn man die tiefer liegenden Körperpartien attackiert." Wegen des hohen Risikos stechen weibliche Mücken Menschen und Tiere auch nur dann, wenn es sich aus ihrer Sicht nicht vermeiden lässt - wenn sie die Proteine im Blut brauchen, um Eier zu produzieren.

Ansonsten begnügen sie sich damit, Nektar und Honigtau zu lecken, oder sie stechen Pflanzen und trinken ihren Saft. Männchen lassen Menschen ganz in Ruhe.

Ein neues Mückenschutzmittel auf Basis körpereigener Substanzen, wie Pickett es entwickeln will, wäre nach Meinung von Martin Geier vor allem dann sinnvoll, wenn es länger wirken würde als diejenigen, die bereits auf dem Markt sind.

Die Besten halten die Mücken vier bis fünf Stunden auf Abstand. Geier hat schon oft beobachtet, wie die Wirkung schnell nachlässt: Bei einer Person, die sich frisch mit Insektenschutzmittel eingerieben hat, nähern sich die Mücken bis auf einige Zentimeter, landen aber nicht. Nach und nach wird die Distanz immer kleiner, am Schluss lassen sich die Insekten bereits nieder, stechen aber noch nicht zu.

"Wie angewidert biegen sie ihren Stechrüssel zur Seite und versuchen, ihre Beine anzuziehen, damit sie die behandelte Haut nicht berühren müssen", sagt Geier. Doch wenn man die kleinste Stelle beim Einreiben vergessen hat, finden die Mücken sie und stechen zu. Ein Mittel, das die Insekten auf größerer Distanz hält, weil es den Menschen wie ein Schutzschirm umgibt, wäre deshalb ebenfalls ein großer Fortschritt.

Nach einer Untersuchung der Stiftung Warentest aus dem Jahr 2004 basieren die wirksamsten Mückenschutzmittel auf dem Markt auf künstlich hergestellten Chemikalien, allen voran DEET (Diethyltoluamid). Doch die Substanz steht in Verdacht, nervenschädigend zu wirken. Außerdem greift DEET Kunststoffe an und hat deshalb wahrscheinlich schon Hunderte Uhren ruiniert.

Und wer schon einmal beobachtet hat, wie seine Uhr von einem Mittel zerfressen wurde, mit dem er sich gerade am ganzen Körper eingerieben hat, dem fällt es schwer, den Angaben der Hersteller zu glauben, wonach DEET-Produkte trotzdem hautfreundlich sind. Doch natürliche Mückenschutzmittel, die meistens auf einer Mischung ätherischer Öle basieren, schnitten noch schlechter ab. Viele verursachten Hautirritationen. Keines konnte die Moskitos wirklich abschrecken. Und das, obwohl die meisten einen penetranten Geruch verströmten.

© SZ vom 13.7.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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