Innovatives Medikament:Signal aus dem Bauch

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Patienten mit psychischen Leiden wie Schizophrenie vergessen oft ihre Medikamente. Zwei Techfirmen haben eine Pille entwickelt, die Signale aus dem Bauch ans Smartphone sendet - und so die Therapie unterstützen soll.

Von Felix Hütten

Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA hat die erste Pille mit eingebautem Smartphone-Sender zugelassen. Die Pille mit dem Namen Abilify MyCite enthält neben dem Neuroleptikum Aripiprazol einen sandkorngroßen Sensor. Das Medikament ist für Patienten mit bipolaren Störungen und Schizophrenie zugelassen. Die neue Funktion soll Patienten - oder ihren Betreuungspersonen - helfen, zu überprüfen, ob es regelmäßig eingenommen wird. Besonders Patienten mit psychischen Leiden verweigern oder vergessen häufig die Einnahme von Medikamenten - ein enormes Problem in der Therapie. Abilify MyCite will hier Abhilfe schaffen.

Das Medikament schickt das Signal an ein Pflaster. Von dort gelangt es auf ein Handy

Der Sensor funktioniert ohne Batterie und besteht aus Kupfer, Magnesium und Silizium. Er erzeugt ein schwaches elektrisches Signal, sobald er von der Magensäure zersetzt wird. Nach einigen Minuten nimmt ein Pflaster, das am Brustkorb des Patienten aufgeklebt wird, das Signal auf und sendet es via Bluetooth an ein Smartphone. Sollte die Medikamenteneinnahme zu spät oder gar nicht erfolgen, warnt das Gerät. In einer App kann der Patient zudem angeben, wie er sich fühlt und ob er Hilfe benötigt. Alle Daten werden in einer Cloud gespeichert, zu der auch Ärzte und Betreuer Zugang erhalten können. Die Pille mit dem Sensor wird mit der Nahrung im Magen zersetzt und verstoffwechselt. Nach Angaben des Herstellers Proteus Digital Health sind die Inhaltsstoffe des Sensors für den Körper unproblematisch.

Die aktuelle Zulassung der FDA bezieht sich ausschließlich auf die Kontrolle der Medikamenteneinnahme. Für Notfälle eignet sich die neue Pille nicht, da die Signale mit einer Verzögerung von bis zu zwei Stunden gesendet werden. Ebenfalls nicht zugelassen ist die Pille für Kinder und Alzheimer-Patienten mit Psychosen.

In der klinischen Testphase zeigten Patienten Nebenwirkungen wie Übelkeit, Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit und gelegentlich Hautirritationen - diese werden allerdings für zahlreiche Medikamente aufgeführt. Die Gesundheitsbehörde FDA weist zudem ausdrücklich darauf hin, dass bislang nicht belegt ist, dass Patienten ihre Medikamente mithilfe der Technik tatsächlich regelmäßiger einnehmen. Man wolle aber die Entwicklung neuer Technologien unterstützen, um zu verstehen, wie Patienten von ihnen profitieren können, sagt Mitchell Mathis von der FDA.

Klaus Lieb, Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie an der Uniklinik Mainz, bewertet die Pille als "interessante Innovation", da insbesondere Patienten mit Schizophrenie Rückfälle erleiden, wenn sie Medikamente abrupt absetzen. Allerdings spielt das Thema Überwachung und Kontrolle von außen bei Patienten mit diesem Krankheitsbild eine große Rolle, weshalb die Bereitschaft, das Medikament einzunehmen, gering sein könnte. Diesen Aspekt müssten Studien dringend untersuchen, sagt Lieb - insbesondere im Test gegen Depotmedikamente, die bis zu einem Monat wirksam sind.

© SZ vom 16.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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