Illegaler Fischfang:Eskapade der Evolution in Gefahr

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Weißblutfische in der Antarktis, die ohne den Blutfarbstoff Hämoglobin auskommen, sind vom Aussterben bedroht

Elke Brüser

Weißblutfische sind etwas Besonderes: Sie mögen es eisig kalt und ihr Blut enthält keinen roten Farbstoff, kein Hämoglobin. Durchsichtig schimmert es und die gutdurchbluteten Kiemen leuchten cremig-weiß - daher der Name dieser Fischgruppe.

In dem Fischblut finden sich nur ein paar Zellen, die roten Blutkörperchen ähnlich sind, aber bedeutungslos für den Transport von Sauerstoff. Der wird also nicht - wie sonst üblich - chemisch an den Blutfarbstoff gebunden, sondern in physikalischer Lösung durch den Körper geschickt.

"Wahrscheinlich hat eine Mutation zum Fehlen von Hämoglobin geführt, aber genau wissen wir das nicht", sagt Karl-Hermann Kock von der Bundesforschungsanstalt für Fischerei in Hamburg. In warmen Gewässern wäre die Mutation tödlich. Tropische Arten brauchen bei 30 Grad Celsius sechsmal so viel Sauerstoff wie Fische im polaren Bereich.

Die ersten Mutanten hatten Glück: Kaltes Wasser ist sauerstoffreich und durch weitere Evolutionsschritte ließ sich das Handicap, Sauerstoff im Blut nicht binden zu können, immer besser kompensieren. So ist der Stoffwechsel auf Sparflamme geschaltet, die Blutmenge höher und das große Herz schlägt besonders kräftig.

Im Vergleich zu anderen Fischen pumpt es sechs- bis 15-mal soviel Blut pro Zeiteinheit. Der Durchfluss im Kreislauf ist erheblich, was sowohl an der Dünnflüssigkeit liegt als auch am großen Durchmesser der Gefäße. Schließlich nimmt auch die stark durchblutete Haut zusätzlich Sauerstoff auf.

Erholung der Antarktis dauert lange

Derzeit ermittelt Kock auf dem Forschungsschiff Polarstern den Bestand der ungewöhnlichen Fische. "Auf diese Spezies nahmen Fangflotten aus der Sowjetunion, Polen und der DDR in den siebziger und achtziger Jahren Kurs, nachdem ihnen der Marmorfisch nicht mehr ins Netz ging. Folge: Der Bändereisfisch wurde überfischt.", sagt Kock.

Fischereibiologen versuchen, den Raubbau an der antarktischen Fauna zu begrenzen. Aber noch haben sich die Bestände nicht erholt. "Auch in dieser Saison sieht es nicht gut aus", schrieb Kock kürzlich von der Polarstern. "Manchen Arten geht es besser, aber beim Bändereisfisch sind die Fänge deutlich hinter denen von 2003/2004 zurückgeblieben."

Offenbar dauert die Erholung in der Antarktis sehr lange, denn schon vor mehr als 20 Jahren wurden Fanggebiete für die Fischerei geschlossen. Um Veränderungen zu erfassen und Fangquoten festzulegen, gibt es seit 1982 eine Konvention zum Schutz der lebenden Ressourcen (CCAMLR), an die sich 20 Einzelstaaten und die EU halten. Bis zu ihrer Verabschiedung waren nur der Wal- und Robbenfang reguliert, andere Tiere im Südpolarmeer galten als Freiwild.

"Illegaler Fischfang ist immer noch ein großes Problem", sagt Fischexperte Volker Siegel aus Hamburg. "Die Trawler laufen Staaten an, die nicht der Konvention beigetreten sind." Vom Schwarzen Seehecht, einer Delikatesse aus der Antarktis, wurden Ende der neunziger Jahre 10000 Tonnen legal gefangen, illegal die dreifache Menge. Dass der Bändereisfisch nicht so begehrt ist, schützt ihn.

Im Sommer wird Kock die neuen Daten nutzen und womöglich erkennen, weshalb der Bestand noch so klein ist. Einige Gründe sind bekannt: Die Verbreitung der weißblütigen Eskapade der Evolution ist auf einige Gebiete im riesigen Südpolarmeer begrenzt, die Populationen der Tiere sind nicht groß, ihre Fruchtbarkeit ist gering.

© SZ vom 17. - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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