Hungerhilfe:Erdnussbutter für die Welt

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Ein Franzose hat einen Energie-Riegel gegen Unterernährung entwickelt. Allzu große Hoffnungen sollten in die Erdnusspaste allerdings nicht gesetzt werden.

Nina von Hardenberg

An den Geschmack von Erdnussbutter musste sich Michel Lescanne erst gewöhnen. "In Frankreich isst man das nicht", sagt der Lebensmittelhersteller. Dass er den Lieblingsaufstrich der Amerikaner zur Bekämpfung von Hungersnöten in Afrika vermarktet, ist für ihn kein Widerspruch.

Eine Nuriset-Mitarbeiterin schüttet Erdnussbutter aus einem Eimer. (Foto: Foto: Reuters)

"Es funktioniert, gerade weil es dick macht", sagt er. An dem richtigen Rezept für einen sofort verzehrbaren Energie-Riegel für die Nothungerhilfe hat Lescanne lange geforscht.

Am Ende brachte er gemeinsam mit dem französischen Wissenschaftler André Briend die Erdnusspaste "Plumpy'nut" auf den Markt.

Die in silbernen Tütchen verpackte beige Masse, die etwa die Konsistenz von Kartoffelbrei hat, besteht aus Erdnussbutter gemischt mit den von der Weltgesundheitsorganisation empfohlenen Zutaten für Aufbaunahrung: Trockenmilch, Zucker, Öl und einer Mischung aller wichtigen Vitamine und Mineralien.

Zuhause essen statt im Krankenhaus

Der Vorteil: Während herkömmliche Produkte wie therapeutische Trockenmilch von Pflegepersonal mit keimfreiem Wasser angerührt werden müssen, können Patienten, beispielsweie unterernährte Menschen, die Erdnusspaste direkt essen. Statt auf Wasser basiert sie auf Öl und ist damit weniger anfällig für Bakterienbefall.

Die Erfindung hat die Arbeit der Hilfsorganisationen verändert: "Wir erreichen mehr Kinder und wir können die Therapie in die Gemeinden bringen", sagt Valerie Gatchell, Ernährungsberaterin bei der internationalen Hilfsorganisation Concern. "Plumpy'nut ist in unseren Ernährungszentren Standard", sagt auch Kai Braker, medizinischer Berater bei Ärzte ohne Grenzen. Seine Organisation habe bereits Kinder im Sudan, Tschad und in Niger damit versorgt. 2005 will Ärzte ohne Grenzen insgesamt 200 Tonnen der Erdnusspaste verteilen.

Auf der Suche nach einer sofort verzehrbaren Aufbaunahrung experimentierten Lescanne und Briend mit verschiedenen Zutaten und Verarbeitungsformen. Zuerst schwebte ihnen ein Schoko-Riegel vor. Doch die Herstellung von Riegeln hätte aufwändigere Maschinen erfordert als die Nussmasse, die in die Tüten gepresst werden kann. Der Schokoladengeschmack passte auch nicht zu dem salzigen Mineralienmix, der unter anderem Kalzium, Jod, und Eisen enthält.

Keine allzu großen Hoffnungen

Ernährungswissenschaftler Michael Krawinkel von der Universität in Gießen warnt jedoch davor, allzu große Hoffnungen in die Erdnusspaste zu setzen. "Es gibt immer wieder Geschichten über Powerenergy-Riegel, die das Hungerproblem der Entwicklungsländer lösen", sagt er. Dabei werde häufig übersehen, dass mit solchen Produkten nur Kindern geholfen werden könne, die noch schlucken könnten.

Ernste Fälle müssten aber weiterhin im Krankenhaus betreut werden. Bei schwer unterernährten Patienten seien alle lebenswichtigen Körperfunktionen wie Kreislauf, Wasser- und Salzhaushalt und die Wärmeregulation aus dem Gleichgewicht. Auch sei das Immunsystem so geschwächt, dass schon eine leichte Infektion lebensgefährlich werden könne. Solche Patienten müssten mit Infusionen langsam stabilisiert werden. "Plumpy'nut ist nützlich für Kinder mit moderater Unterernährung, sicher nicht für den Behandlungsbeginn bei den schweren Fällen", sagt Krawinkel.

Die wachsende Nachfrage nach Plumpy'nut hat Lescannes Unternehmen Nuriset kräftige Umsatzsteigerungen beschert. Allein in der Darfur-Krise lieferte der Lebensmittelhersteller, der in seiner Nische kaum Konkurrenten hat, 300 Tonnen Erdnusspaste nach Afrika. Seit 2001 ist der Umsatz laut Angaben des Unternehmens von 6,5 Millionen auf 12 Millionen im Jahr 2004 gestiegen. Einige Hilfsorganisationen beklagen, dass das Produkt zu teuer sei. "Eine Tonne Plumpy'nut kostet rund 2500 Dollar, aber dann kommen noch mal 1000 Dollar für den Transport hinzu", erklärt Gatchell von Concern.

Lokale Herstellung angestrebt

In Äthiopien und Malawi haben sich Organisationen der Nothungerhilfe zusammengetan, um die Erdnusspaste lokal herzustellen. "Wir halten lokale Produktion für sinnvoll", sagt Lescanne. Nuriset baut zur Zeit selbst ein Franchisesystem auf. Afrikanische Hersteller erhalten die Lizenz, Plumpy'nut mit lokalen Materialien herstellen. Nuriset liefert den Vitamin- und Mineralienmix und übernimmt die Qualitätskontrolle.

Ein erstes Franchiseunternehmen gibt es in Niger. "Es ist gut, wenn die Paste lokal hergestellt wird", sagt auch Valerie Gatchell. Das Hungerproblem ließe sich allein durch Nahrungsmittel aber nicht lösen. Genauso dringend seien eine Reform der Anbaumethoden, Aufklärungskampagnen und die Verbesserung der medizinischen Versorgung in den Krisenländern.

© SZ vom 07.09.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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