Giftweizen-Affäre:Der gute Ruf ist in Gefahr

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Die grüne Landwirtschaftsministerin Künast bangt um den Erfolg ihrer agrarpolitischen Wende

Andreas Hoffmann

(SZ vom 28.05.2002) - Vielleicht enthielt der letzte Satz von Renate Künast eine Vorahnung. Es war am Freitag, die Bundesministerin für Verbraucherschutz und Landwirtschaft stand auf der weitläufigen Treppe ihres Ministeriums, vor sich eine Menschentraube mit Kameras und Mikrofonen, die alle wegen ihrer Anti-Teuro-Kampagne gekommen waren.

"Der Anblick hier erinnert mich an die Zeit vor einem Jahr", sagte die Grünen-Politikerin. Möglicherweise hatte sie da schon geahnt, dass die Öffentlichkeit wieder ihre Scheinwerfer auf sie richten würde - wie in der Hochphase von BSE. Ein paar Tage zuvor hatte ihr Haus anonyme Hinweise erhalten, wonach Öko-Landwirte ihre Hühner mit vergiftetem Weizen gefüttert haben.

Am Montag sitzt jedenfalls eine sichtlich nervöse Ministeriumssprecherin vor der Bundespressekonferenz und berichtet, wie ihr Haus den "wenig konkreten Hinweisen" nachging.

Ansonsten will sie detaillierte Fragen nicht beantworten, man sei "mitten im Prozess der Aufklärung". Klar sei aber, dass Ökoprodukte nicht diskriminiert werden dürften, denn erst umfangreiche Kontrollen hätten das Gift entdeckt.

Ökobauern spielen Schrittmacher

Die Fürsorge für die Biobranche hat gewichtige Gründe. Künast hat mit dem Ausbau des Öko-Landbaus ihr politisches Schicksal verknüpft. Bis zum Jahr 2010 soll der Anteil der Bioprodukte von derzeit gut 3 Prozent auf 20 Prozent klettern. Mehr Biowaren sollen die Geschäfte erobern, und auch der herkömmliche Anbau soll profitieren, weil insgesamt die Produktionsstandards steigen sollen - die Ökobauern spielen Schrittmacher.

Aber was passiert, wenn die gelobten Bioprodukte gefährdet sind, wie die Weizenaffäre zeigt?

"Das ist eine ernsthafte Gefahr", sagt Carel Mohn von der Verbraucherzentrale Bundesverband. "Die Ökoprodukte fänden schwerer den Weg aus ihrer Nische."

Der Futtermittelskandal dürfte der Grünen-Ministerin weitere Probleme bereiten. Nun steht ihre Reform des Verbraucherschutzes in der Kritik. Nach der BSE-Krise wollte sie das Kontroll-System hier zu Lande verbessern und ein Frühwarnsystem aufbauen. Das Ziel: Die nächsten Lebensmittelkrisen sollten möglichst früh erkannt und vermieden werden.

Zwei neue Behörden sollen helfen: die Bundesanstalt für Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz (BVL) und ein Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). Das BVL soll Hinweisen nachgehen und gebenenfalls Gegenmaßnahmen ergreifen - abgestimmt von München bis Kiel.

Das BfR soll generell Risiken für Lebensmittel bewerten und Gutachten anfertigen. Insgesamt soll erreicht werden, dass sich Bund und Länder bei Kontrolle und Überwachung von Lebensmitteln besser abstimmen. EU-Behörden sollen wissen, wer ihr nationaler Ansprechpartner ist.

Verbraucher-Informationsgesetz

Außerdem brachte Künast ein Verbraucher-Informationsgesetz auf den Weg. Damit sollten die Bürger ein Auskunftsrecht gegenüber Behörden erhalten; ein Lebensmittelaufsichtsamt müsste sein gesamtes Wissen über ein Produkt offenbaren.

Derzeit blockieren aber die Unions-Länder das Gesetz im Bundesrat; sie verweisen auf Unklarheiten und Zusatzkosten. Auch Verbraucherschützer können sich mit dem Vorhaben nicht recht anfreunden. Ihnen fehlt eine Auskunftspflicht der Unternehmen.

Vielleicht hätte dies im Nitrofen-Fall geholfen, weil vermutlich Unternehmen Informationen zurückgehalten haben. Künast strebte anfangs genau diese Auskunftspflicht an, musste aber dem Druck der Industrie und des Wirtschaftsministers nachgeben.

Für Union und Liberale ist der Bio-Skandal eine Steilvorlage, sie geißeln Künast Öko-Kurs als Irrweg. Selbst Sozialdemokraten wettern gegen Künast. So hält ihr der niedersächsische Agrarminister Uwe Bartels (SPD) eine "zu einseitige" Agrarpolitik zugunsten der Biobauern vor. Bartels Kritik ist nicht neu.

Schon früher distanzierte er sich gern von der grünen Ministerin. In seinem Flächenstaat muss er auch die Interessen vieler Bauern vertreten, die herkömmliche Landwirtschaft betreiben. Verbraucherschützer Mohn hält daher manche Künast-Kritik für überzogen. Ihre Reformen könnten noch gar nicht greifen: "Das neu geschaffene Amt arbeitet gerade erst einen Monat."

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