Gesundheit:Diabetes statt Depression

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Stimmungsaufheller lösen womöglich Zuckerkrankheit aus - oder ist es umgekehrt?

Kristina Läsker

Medikamente gegen Depressionen erhöhen offenbar die Wahrscheinlichkeit, an Typ-2-Diabetes zu erkranken. Das ist das Ergebnis einer Studie, die beim weltgrößten Diabetes-Kongress vorgestellt wurde, der derzeit in Washington stattfindet. "Wer erhöhte Blutzuckerwerte hat und gleichzeitig Antidepressiva schluckt, hat ein zwei- bis dreimal so hohes Risiko, Altersdiabetes zu bekommen", sagte der Arzt Richard Rubin von der Johns Hopkins University School of Medicine in Baltimore, der die Studie betreute.

Eine mögliche Erklärung für die Beobachtung lieferte Rubin aber nicht - und an Spekulationen wollte er sich nicht beteiligen. Diabetes ist eine Stoffwechselerkrankung, die zu erhöhten Blutzuckerwerten führt, weil der Körper nicht mehr genügend Insulin produziert, um den Zucker aus dem Blut in die Zellen aufzunehmen. Etwa 6,3 Millionen Deutsche im Erwachsenenalter sind daran erkrankt.

An der Diabetes-Studie hatten fast 3200 Menschen teilgenommen Sie wurden drei Jahre lang beobachtet. In der Studie sollte untersucht werden, ob Menschen mit erhöhten Blutzuckerwerten seltener an Diabetes erkranken, wenn sie ihren Lebensstil ändern oder wenn sie das Blutzucker senkende Medikament Metformin vorbeugend einnehmen. Zum Vergleich erhielten einige Teilnehmer ein Scheinmedikament.

Frage nach Henne und Ei

Ein Teil der Studienteilnehmer hatte jedoch angegeben, regelmäßig Antidepressiva einzunehmen. Genau diese Untergruppe - Rubin nannte ihre Größe nicht - sei später 2,6-mal häufiger an Typ-2-Diabetes erkrankt als diejenigen, die ihren Lebensstil änderten und keine Antidepressiva einnahmen. Für die Teilnehmer, die Metformin schluckten, galt das nicht.

Wissenschaftler diskutieren seit langem den möglichen Zusammenhang zwischen Diabetes und Depressionen. Dabei geht es hauptsächlich darum, ob Zuckerkrankheit zu Depressionen führt oder ob die Gemütskrankheit umgekehrt die Wahrscheinlichkeit für Diabetes erhöht.

So hätten Patienten, bei denen Diabetes diagnostiziert werde, "angesichts dieser chronischen Krankheit ein erhöhtes Risiko depressiv zu werden", sagte Sherita Hill Gordon, die auch an der Johns-Hopkins-Universität arbeitet. "Das ist ein Henne-Ei-Problem", sagte der Stoffwechselforscher Ameet Nathwani. Nach Rubins Ansicht lässt sich aus der Studie vor allem eine Schlussfolgerung ableiten: "Wer bereits einen erhöhten Blutzuckerwert hat und Antidepressiva einnimmt, sollte regelmäßig seine Blutwerte prüfen lassen."

© SZ vom 14.06.06 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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