Geotechnologie:Kerker für den Klimakiller

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Um die drohende Erwärmung der Erdatmosphäre zu stoppen, planen Wissenschaftler, das Treibhausgas Kohlendioxid (CO2) im Erdboden zu versenken. Ein Vorhaben, von dem nicht nur die Umwelt profitiert.

Axel Bojanowski

Ein Problem unter den Teppich zu kehren, gilt gemeinhin als ungeeignete Lösung. Nicht so bei der drohenden Erwärmung der Erdatmosphäre: Um diese zu stoppen, planen Wissenschaftler, das Treibhausgas Kohlendioxid (CO2) im Erdboden zu versenken.

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) lässt in den kommenden drei Jahren verschiedene unterirdische Kerker für den Klimakiller in Deutschland testen. Im Rahmen des BMBF-Programms "Geotechnologien" wird das Projekt nach Informationen der SZ mit knapp 7,5 Millionen Euro gefördert.

Zehn Millionen Tonnen bereits entsorgt

Die Forscher fangen bei der so genannten CO2-Sequestrierung nicht von vorne an. Im Boden der Nordsee vor der norwegischen Küste gibt es bereits einen CO2-Speicher. Dort pumpt die Ölfirma Statoil seit zehn Jahren CO2, das bei der Erdgasförderung anfällt, 1000Meter tief in eine poröse Sandsteinschicht, die von einer Schieferplatte abgedeckt wird.

Knapp zehn Millionen Tonnen CO2 wurden in der 200 Meter dicken, Salzwasser führenden Gesteinslage bereits entsorgt. Das Gas entweicht nicht; das bewiesen mit Hilfe von Schallwellen gemachte 3-D-Aufnahmen des Untergrundes.

Dass das CO2 auch für die Zukunft sicher vergraben ist, kann jedoch niemand garantieren. Umweltschutzgruppen warnen vor möglichen Eruptionen über künftigen Lagerstätten: Das Gas ist schwerer als Luft, sammelt sich am Boden und könnte Menschen und Tiere ersticken. "Eine geeignete Überwachungstechnik ist Voraussetzung für die CO2-Verklappung", sagt Ludwig Stroink, Projektleiter des Geotechnologien-Programms.

Sichere Gräber

Nahe der brandenburgischen Kleinstadt Ketzin testen Forscher um Günter Borm vom Geoforschungszentrum Potsdam nun einige Kontrollmethoden. Dort soll CO2 in eine Salzwasser führende Sandsteinschicht in 600 Meter Tiefe gepumpt werden. Die Injektion selbst ist Routine. In Ketzin geht es darum, erstmals die Ausbreitung der Gaswolke detailliert zu beobachten: Druckwellen, Temperatur- und Gasmessungen liefern ein Bild des Untergrundes.

Sicherere Gräber als Grundwasserschichten sind auf jeden Fall Öl- und Gaslagerstätten. Denn darin sammeln sich die Rohstoffe seit Jahrmillionen - die Reservoire haben bewiesen, dass sie dichthalten. Die Einleitung von CO2 könnte zudem Ölfirmen aus einem Dilemma helfen: Mit der Zeit gehen die Fördermengen der Lagerstätten aufgrund abnehmenden Drucks zurück. Indem CO2 in den Untergrund gepresst würde, erhöhte sich dort der Druck, und mehr Öl und Gas sprudelten heraus - so die Hoffnung.

Die Rechnung scheint aufzugehen. Im kanadischen Ölfeld Weyburn pumpen Konzerne seit fünf Jahren Kohlendioxid ins ölhaltige Gestein 1500 Meter tief unter die Erde. Das Gas stammt größtenteils aus einem 300 Kilometer entfernten Kohlekraftwerk in den USA, von wo es durch eine Rohrleitung nach Kanada gepumpt wird. Mit erstaunlichem Effekt: Die tägliche Ölfördermenge ist mit dem CO2 um ein Drittel angestiegen.

Mit ähnlichem Erfolg lässt sich womöglich auch CO2 in Gaslagerstätten verbannen. Wissenschaftler und Energiefirmen unter Leitung der TU Clausthal-Zellerfeld wollen in Deutschland den weltweit ersten derartigen Versuch unternehmen; an welchem Ort ist noch unklar. Die Hoffnung ist, dass das schwerere CO2 das Erdgas unterwandert, weshalb der Rohstoff leichter gefördert werden kann - und das Klimagas sicher vergraben ist.

Ausgerechnet Kohle - eine der großen CO2-Quellen - könnte eine besonders geeignete Falle für das Klimagas sein: Unter hohem Druck dringt CO2 in feinste Ritzen der Kohle und wird dort von schwachen Kräften festgehalten. Anhand kleiner Kohlebrocken prüfen Forscher um Christoph Clauser von der Technischen Hochschule Aachen derzeit im Labor, wie viel Treibhausgas die Kohle aufnehmen kann.

Erste Ergebnisse zeigen, dass sich nicht alle Kohle-Arten eignen. Denn manche quellen bei der CO2-Speicherung auf und blockieren die Zufuhr nachdrängender Gase. In Polen geht man forscher an die Sache heran als hierzulande. Nahe der Stadt Kattowitz gelingt es seit einigen Monaten im Rahmen des EU-Projektes Recopol, CO2 in Kohleschichten zu pressen. Nahe der Injektionsbohrung wird aus einem zweiten Loch Erdgas gewonnen. Es stammt aus den Kohleflözen, wo es vom CO2 verdrängt wurde.

CO2 als Energiequelle

Wissenschaftler um Volker Köckritz von der TU Freiberg wollen sogar versuchen, aus dem Klimakiller eine Energiequelle zu machen: Bakterien sollen das Treibhausgas in Erdgas umwandeln. Die Emissionen bei der Verbrennung könnten dann wieder in Erdgas umgesetzt werden - ein geschlossener Kreislauf.

Auch stillgelegte Kohlestollen kommen als Endlager in Frage. Der Vorteil wäre, dass das CO2 vor der Verklappung nicht mit viel Aufwand aus dem Abgas geschieden werden müsste - die unterirdischen Gänge würden einfach mit Abgasen voll gepumpt. So ließe sich viel Geld sparen, entfällt doch ein Großteil der Sequestrierungskosten auf das Einfangen des CO2 am Entstehungsort.

Weil die Aufnahmekapazität der Öl-, Gas-, und Kohlelagerstätten nach Angaben der Internationalen Energieagentur für maximal 30 Jahre reicht, werden weitere CO2-Gräber gesucht. Die mit kleinen Mengen bereits getestete Variante, das Treibhausgas in die Tiefsee einzuleiten, ist nicht ohne Risiko für die Lebewesen im Meer, wie sich herausgestellt hat. Zudem lässt sich die untermeerische Ausbreitung des CO2 nicht unbedingt kontrollieren, weshalb das BMBF die Methode nicht weiter verfolgt.

CO2-Verklappung im großen Stil

Stattdessen gehen die deutschen Forscher neue Wege: Das Treibhausgas soll an Erdwärme-Kraftwerken, bei denen mit heißem Wasser aus großer Tiefe Energie gewonnen wird, unterirdisch in Kalk umgewandelt werden. Dabei speist man das Treibhausgas in den Wasserkreislauf ein, bevor das Wasser in den Boden zurückgepumpt wird.

Im Boden muss kalziumhaltiges Gestein liegen, etwa Anhydrit: Das CO2 verbindet sich dann mit Kalzium zu Kalk, sagt Clauser. Weil Kalk weniger Volumen einnimmt als Anhydrit, könnten vermutlich große Mengen CO2 in den Boden gepumpt werden.

International herrscht großer Aktionismus in Sachen Sequestrierung. Die USA fördern die neue Technik mit knapp 50 Millionen Dollar jährlich, Großbritannien gab vor einigen Tagen 25 Millionen Pfund frei, und die EU hat Programme für 32 Millionen Euro aufgelegt. Ob sich jedoch die CO2-Verklappung in großem Stil umsetzen lassen wird, ist nicht sicher.

Problematisch ist beispielsweise, dass die Verklappung derzeit noch viel Energie frisst, etwa ein Zehntel der Energieproduktion eines Kraftwerks. Auch die hohen Kosten bereiten den Forschern noch Sorgen.

© SZ vom 22.6.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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