Frage der Woche:Was kann Kaffee?

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146 Liter Kaffee trinken die Deutschen jedes Jahr im Durchschnitt - damit ist das Getränk bei uns beliebter als Bier oder Mineralwasser. Macht uns das nun besonders nervös? Oder schützt uns der Kaffeekonsum sogar vor Krebs?

Markus C. Schulte von Drach

Bier? Mineralwasser? Wein? Nein, der Spitzenreiter unter den beliebtesten Getränken in Deutschland ist und bleibt der Kaffee. 146 Liter haben die Deutschen im vergangenen Jahr im Durchschnitt getrunken, berichtet der Deutsche Kaffeeverband. Pro Tag kommen wir etwa auf drei bis vier Tassen. Und damit sind wir noch nicht einmal die größten Kaffeetrinker der Welt - das sind die Finnen mit etwa fünf Tassen täglich.

(Foto: Foto: dpa)

Es ist schon ein erstaunlicher Siegeszug für eine braune Brühe, die in Deutschland 1673 erstmals in Bremen ausgeschenkt wurde, sich schon bald großer Beliebtheit erfreute und zugleich einen schlechten Ruf erwarb. Das belegen zum Beispiel die sogenannte Kaffeekantate (Schweiget stille, plaudert nicht, BWV 211) von Johann Sebastian Bach (1685 - 1750), die den Streit zwischen einem Vater und seiner Tochter wiedergibt, die lieber auf einen Mann verzichtet als auf den Kaffee, oder das Kinderlied "C-a-f-f-e-e, trink nicht so viel Kaffee!" von Carl Gottlieb Hering (1766 - 1853).

Viele Behauptungen und Gerüchte ranken sich um das aus gerösteten und gemahlenen Kaffeebohnen hergestellte Heißgetränk.

So warnte schon Herings Kanon die Kinder, der "Türkentrank" schwäche die Nerven und mache blass und krank. Lange Zeit hieß es auch, Kaffee entziehe dem Körper Wasser. Außerdem soll er den Blutzuckerspiegel, den Blutdruck und das Herzinfarktrisiko erhöhen. Schlaflosigkeit und selbst eine Sucht können angeblich drohen. Auf der anderen Seite gilt Kaffee als Frischmacher und Konzentrationshilfe.

Welche Gefahren und Potentiale stecken denn nun wirklich in dem Getränk?

Wie so häufig, ist alles etwas komplizierter als man sich das wünscht. So hat der Wirkstoff des Kaffees, das Koffein, tatsächlich eine aufmunternde Wirkung - doch die setzt erst nach etwa einer Viertelstunde ein. Dann hält die Substanz wach, und das funktioniert am besten, wenn man sich nicht auf die große Dosis nach dem Aufstehen am Morgen verlässt, sondern über den Tag (oder die Nacht) kleine Portionen zu sich nimmt.

In den ersten Minuten nach dem Trinken dagegen taugt Kaffee sogar als Schlafmittel.

Kein Wasserentzug

An der Behauptung, Kaffee entziehe dem Körper Wasser, ist nicht viel dran. Der Drang, das stille Örtchen aufzusuchen, wächst nach dem Trinken. Und wer nur selten Kaffee konsumiert, gibt danach jeweils etwas mehr Flüssigkeit ab, als er oder sie aufgenommen hat. Bei einem regelmäßigen Konsum aber passt sich der Körper an die Wirkung des Getränks an. Man muss also keine Angst haben, auszutrocknen.

Auch um zu hohen Blutdruck müssen sich Kaffeetrinker nicht sorgen - wissenschaftliche Studien konnten hier keinen Zusammenhang belegen. Es scheint lediglich einen schwachen kurzfristigen Effekt zu geben. Selbst Menschen mit Bluthochdruck müssen demnach nicht auf Kaffee verzichten.

Das Herzinfarktrisiko steigt durch Kaffeekonsum offenbar nicht - noch nicht einmal bei jenen, die sechs Tassen am Tag trinken, wie eine große Studie vor zwei Jahren belegen konnte. Es gibt im Gegenteil sogar Hinweise darauf, dass das Getränk das Infarktrisiko verringert.

Allerdings sollte man davon Abstand nehmen, vor körperlichen Anstrengungen Kaffee zu trinken, da der Herzmuskel danach schlechter durchblutet wird. Und tatsächlich kann das Getränk bei manchen Menschen zu Sodbrennen, Magen- und Darmbeschwerden führen. Dahinter steckt zum einen die im Kaffee enthaltene Chlorogensäure, die die Magensäureproduktion anregt. Außerdem entstehen beim Rösten Stoffe wie die sogenannten Melanoidine, die den Magen reizen.

Wenn es um den Cholesterinspiegel geht, muss man zwischen Filterkaffee und anderen Zubereitungsformen unterscheiden. Kaffee enthält Cafestol und Kahweol, zwei Stoffe, die Einfluss auf den Fettstoffwechsel der Leber nehmen. Papierfilter halten beide Substanzen zurück, und im Instantkaffee sind sowieso nur geringfügige Mengen enthalten.

Wer jedoch normalen Kaffee oder Espresso ohne Papierfilter brüht, muss mit einem Anstieg des Cholesterinspiegels rechnen. Und der kann bekanntlich langfristig zu Adernverkalkung und Herz- und Kreislauferkrankungen führen. Man sollte es deshalb mit dem Espresso nicht übertreiben. Auf der anderen Seite aber scheinen Cafestol und Kahweol einen gewissen Schutz vor Dickdarm- und Leberkrebs zu bieten.

Es gibt auch Hinweise, dass Kaffeekonsum darüber hinaus das Risiko für Nierenkrebs und Brustkrebs zu senken scheint. Allerdings raten Mediziner deshalb noch nicht dazu, das Heißgetränk als Vorbeugungsmaßnahme anzuwenden. Zu diesem Zweck sollte man eher auf Obst und Gemüse setzen.

Schutz vor Diabetes

Gut gesichert scheint dagegen die schützende Wirkung des Kaffees in Bezug auf Diabetes Typ 2 zu sein. Mehrere Studien konnten zeigen, dass der regelmäßige Konsum von mehreren Tassen Kaffe täglich das Risiko der Zuckerkrankheit deutlich senkt. Welche Wirkung das Getränk allerdings auf jene hat, die bereits an Diabetes leiden, ist unklar. Auch ist nicht bekannt, welche Substanzen im Kaffee hier eigentlich wirken.

Schwangere müssen übrigens nicht auf Kaffee verzichten. Bislang konnte jedenfalls noch keine negative Wirkung des Konsums auf die Entwicklung der Babys nachgewiesen werden.

Nicht zu leugnen ist allerdings, dass Koffein eine psychoaktive Substanz ist, die in großer Dosis eine Reihe von Nebenwirkungen wie Herzrasen, Unruhe, Hyperaktivität, Schlaflosigkeit und sogar Angstzustände auslösen kann.

Und dass es sich um eine echte Droge handelt, zeigt auch die Gefahr einer leichten Sucht. Da gefüllte Kaffeetassen zum Alltag gehören, fällt die Abhängigkeit meist nicht auf, auch sind die Folgen nicht so gravierend wie bei anderen Drogen wie Alkohol, Nikotin oder illegalen Substanzen.

Allerdings können echte Entzugserscheinungen auftreten. Wer nach ein bis zwei Tagen ohne Kaffee unter Kopfschmerzen, Reizbarkeit, Konzentrationsstörungen und/oder Magenschmerzen leidet, braucht möglicherweise wieder seine Dosis. Ein Entzug dauert bis zu fünf Tagen. Dann hat sich die Zahl der Adenosinrezeptoren im Gehirn, die auf Koffein reagieren, wieder normalisiert.

Übrigens lässt sich Kaffeesatz nicht nur als Gartendünger verwenden, sondern auch als Seife. Ob das Getränk als Potenzmittel oder Aphrodisiakum taugt, ist umstritten. Und ob sich im Kaffeesatz die Zukunft lesen lässt, steht in den Sternen.

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