Fliegende Dinosaurier:Fossiler Doppeldecker

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Nicht Otto Lilienthal und auch nicht die Gebrüder Wright haben als erste das Prinzip des Doppeldeckers entwickelt. Ihre Vorgänger flogen bereits vor 125 Millionen Jahren durch die Wälder der Kreidezeit.

Markus C. Schulte von Drach

Die Hinterbeine leicht nach vorn gedrückt schwebte der kleine Dinosaurier zwischen den Nadelbäumen und Schachtelhalme der Kreidezeit, ohne die Farne und ersten Blütenpflanzen zu streifen, die den Boden bedecken.

Eine Aufnahme des Microraptor. (Foto: Foto: PNAS)

Doch im Unterschied zu vielen Vögeln der Urzeit und der Gegenwart besaß der Microraptor gui eine Art zweites Flügelpaar, bestehend aus langen Federn an den Hinterbeinen.

Und diese Flügel benutzte das Tier nach Einschätzung von US-Wissenschaftlern wie ein Doppeldecker, um seine Gleitfähigkeit zu verbessern.

Der Microraptor, der vor 125 Millionen Jahren im heutigen Nordchina lebte, war demnach der erste bekannte Flieger der Welt, der diese Technik entwickelt hat. Ein ähnliches Prinzip benutzte dann der Flugpionier Otto Lilienthal Ende des 19. Jahrhunderts für einige seiner Gleitflieger. Und 1903 bauten schließlich die Gebrüder Wright den ersten Motorflieger der Welt ebenfalls als Doppeldecker.

Bereits 2003 war das Skelett eines Microraptors in der chinesischen Provinz Liaoning entdeckt worden, das so gut erhalten war, dass die Wissenschaftler den Abdruck von langen Federn an den Hinterbeinen im Gestein entdeckten.

Federn an den Beinen wurden bereits an einer ganzen Reihe von Dromaeosauriern - zu denen der Microraptor und zum Beispiel auch die Velociraptoren gehören - gefunden.

Und auch bei anderen Urzeitvögeln sind sie nachgewiesen. So wurde auch für den Archaeopteryx bereits diskutiert, ob er vier Flügel besaß, um seinen Gleitflug zu optimieren.

Bislang war allerdings vermutet worden, dass Microraptor seine zwei Flügelpaare ähnlich wie Libellen hintereinander aufgespannt hatte.

Sankar Chaterjee und Jack Templin von der Texas Tech University haben nun die Gelenke und die Anordnung der Federn genau untersucht - und sie kommen zu einem anderen Schluss.

Wie sie in den Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS; online vorab veröffentlicht) berichten, hätte eine solche "Tandem-Anordnung" die Flugfähigkeit der Tieren nicht verbessert. Und am Boden wären sie über ihre eigenen Flügel gestolpert.

Mit Hilfe einer Flugsimulation am Computer konnten die zwei Forscher zeigen, dass die Urvögel vermutlich das hintere Flügelpaar nach vorn, unter das vordere Paar gezogen hatten - ähnlich wie es moderne Greifvögel tun, wenn sie sich auf ihre Beute stürzen. (Auch diese haben übrigens häufig Federn an den Beinen - allerdings nicht so lange wie die Flug-Dinosaurier.)

Diese Anordnung hätte nach Einschätzung der Forscher zu einem wellenförmigen Gleiten geführt, wie es für einen Flug von Baum zu Baum ideal wäre.

Die Entdeckung der Wissenschaftler spricht für die sogenannte Tree-down-Theorie zur Entstehung des Fliegens, derzufolge Dinosaurier, die an das Leben in den Bäumen angepasst waren, die Fähigkeit zum Gleitflug entwickelten.

Und es spricht gegen die Ground-up-Theorie, die besagt, dass am Boden lebende Dinos Flügel entwickelten, die sie bei hoher Geschwindigkeit abheben ließ.

Ob das Doppeldecker-Prinzip ein direkter Vorgänger des modernen Vogelfluges ist, oder ob es eine Entwicklung darstellt, die in einer Sackgasse der Evolution endete, ist noch unklar.

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